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Kernpunkte im Überblick:

  • Physisches und emotionales Wohlbefinden sind untrennbar verbunden
  • Artgerechte Haltung und Bewegung sind Grundvoraussetzungen
  • Stress und Angst blockieren die Lernfähigkeit
  • Vertrauen und emotionale Sicherheit fördern die Lernbereitschaft
  • Überforderung führt zu Lernblockaden und Verhaltensproblemen

Die Basis allen Lernens – das Wohlbefinden des Pferdes

Bevor wir uns mit Trainingsmethoden und Lernzielen beschäftigen, müssen wir eine fundamentale Wahrheit verstehen: Ein Pferd kann nur dann effektiv lernen, wenn es sich körperlich und seelisch wohlfühlt. Diese beiden Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Ein Pferd mit Rückenschmerzen wird nervös und gestresst sein, während ein emotional belastetes Pferd körperliche Verspannungen entwickeln kann.

Körperliche Grundbedürfnisse – mehr als nur Futter und Wasser

Die physischen Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen beginnen bei der artgerechten Haltung. Ein Pferd, das 23 Stunden am Tag in einer Box steht, wird im Training häufig übermotiviert und unkonzentriert sein. Der aufgestaute Bewegungsdrang überlagert dann jede Lernbereitschaft. Regelmäßige, ausreichende Bewegung ist nicht nur für die körperliche Gesundheit wichtig, sondern auch für die mentale Balance.

Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Ein Pferd, das durch zu energiereiches Futter „überdreht“ ist oder durch mangelnde Raufutterversorgung unter Magenproblemen leidet, kann sich nicht auf das Lernen konzentrieren. Die natürliche Verdauungsfunktion des Pferdes als Dauerfresser muss respektiert werden.

Emotionale Sicherheit – die unterschätzte Grundlage

Noch wichtiger als die physischen sind die emotionalen Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen. Ein Pferd, das unter Stress oder Angst steht, kann nicht lernen. In diesem Zustand ist das Gehirn auf Flucht oder Kampf programmiert, komplexere Denkvorgänge sind blockiert. Dies ist ein Schutzmechanismus, der in der freien Wildbahn überlebenswichtig war und auch bei unseren domestizierten Pferden noch vollständig vorhanden ist.

Vertrauen zum Trainer ist dabei ein Schlüsselelement. Ein Pferd, das sich sicher und verstanden fühlt, kann sich öffnen und auf neue Lernerfahrungen einlassen. Fehlt dieses Vertrauen, wird das Pferd im Zweifelsfall immer seiner natürlichen Fluchtneigung folgen oder mit Verweigerung reagieren.

Die Konsequenzen von Überforderung

Werden die grundlegenden physischen und emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt, zeigen Pferde verschiedene Reaktionsmuster:

Manche Pferde „schalten ab“ und zeigen nach außen ein scheinbar kooperatives Verhalten, während sie innerlich unter großem Stress stehen. Diese „erlernte Hilflosigkeit“ (Mehr zu diesem Thema: Erlernte Hilflosigkeit beim Pferd – wenn die Lebensfreude verloren geht) wird leider oft als erfolgreiche Ausbildung missverstanden. In Wirklichkeit hat das Pferd gelernt, dass eigene Initiative unerwünscht ist und nur mechanisches Funktionieren belohnt wird.

Andere Pferde entwickeln Verhaltensprobleme wie Bocken, Steigen oder Verweigerung. Dies sind keine „böswilligen“ Verhaltensweisen, sondern Hilferufe eines überforderten Tieres. Oft werden diese Probleme durch noch mehr Druck oder Zwang bekämpft, was die Situation weiter verschlimmert.

Gestresstes Pferd mit aufgerissenen Augen
Stress früh erkennen: Ein gestresstes Pferd speichert negative Erfahrungen tief – zerstörtes Vertrauen ist schwer wiederherzustellen.
© Adobe Stock / Alexey Wraith

Stress erkennen und vermeiden

Stress äußert sich bei Pferden auf verschiedene Weise: Erhöhte Atemfrequenz, verschärfter Blick, Schweifschlagen, Verspannungen oder auch scheinbare Teilnahmslosigkeit können Anzeichen von Überforderung sein. Wichtig ist, diese Signale frühzeitig zu erkennen und ernst zu nehmen.

Ein gestresstes Pferd speichert negative Erfahrungen besonders intensiv. Eine einzelne überfordernde Trainingssituation kann das Vertrauen nachhaltig erschüttern und zukünftiges Lernen erschweren. Der Aufwand, solche negativen Erfahrungen wieder „auszugleichen“, ist um ein Vielfaches höher als der Nutzen, den man sich von der Überforderungssituation versprochen hat.

Der Weg zum erfolgreichen Lernen

Für nachhaltigen Trainingserfolg müssen wir zunächst die Basis schaffen:

  • Artgerechte Haltung mit ausreichend Bewegung und Sozialkontakten
  • Ausgewogene, bedarfsgerechte Fütterung
  • Respekt vor den emotionalen Bedürfnissen des Pferdes
  • Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung
  • Realistische Einschätzung des individuellen Leistungsvermögens

Erst wenn diese Grundlagen geschaffen sind, können wir uns an komplexere Lernaufgaben wagen. Dabei gilt: Lieber in kleinen Schritten vorgehen und Erfolge feiern, als durch zu hohe Anforderungen Rückschläge zu riskieren.

Investition in die Zukunft

Die Zeit und Mühe, die wir in die Schaffung optimaler Lernvoraussetzungen investieren, zahlt sich mehrfach aus. Ein Pferd, das physisch und emotional ausgeglichen ist, wird nicht nur schneller und nachhaltiger lernen, sondern auch ein verlässlicher und freudiger Partner sein. Dies ist letztlich das Ziel jeder Ausbildung: Eine harmonische Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd, die beiden Seiten Freude bereitet.

Mehr Informationen zum Thema Lernverhalten gibt es auf unserer Themenseite: Verhalten & Verhaltensauffälligkeiten

Team Sanoanimal