Alle Jahre wieder im Frühling, sobald die Tage merklich länger und die Temperaturen freundlicher werden, graut es manchem Pferdebesitzer schon, denn die Stuten werden nach der Winterpause wieder rossig. Die Zunahme der Tageslichtlänge nimmt Einfluss auf den Zyklus. Und während die eine Stute sich gar nichts von ihrer Rosse anmerken lässt, wird die nächste ganz anschmiegsam und sehr rittig und wieder andere werden sehr unleidig und eben „stutig“ – von Zicken bis zum Schmusepferd.
Stuten sind saisonal polyöstrisch
Stuten werden im Alter von zirka 18 Monaten geschlechtsreif, wobei der genaue Zeitpunkt unter anderem davon abhängt, wann im Jahr sie geboren wurden. Aber im Gegensatz zu anderen Tieren wie Schweinen oder Kühen sind sie nicht das ganze Jahr im Zyklus, sondern nur mehrmals (polyöstrisch) in den Hauptmonaten von April bis Oktober (saisonal), danach folgt eine Winter- oder Zyklusruhe. Während dieser Zyklusruhe zeigen gesunde Stuten keine Rossesymptome, auch wenn es bei manchen Stuten trotzdem zu einem Eisprung kommen kann. Bei Ponys ist diese Zyklusruhe oft noch deutlicher ausgeprägt als bei Pferden. Das hat die Natur so eingerichtet, damit die Fohlen bei wildlebenden Pferden nicht mitten im Winter, sondern zu Beginn der Vegetationsphase zur Welt kommen und somit genügend Nahrung für die Stuten zur Verfügung steht.
Östrus und Diöstrus
Der Zyklus der Stute wird hormonell gesteuert. Er dauert ungefähr 21-22 Tage und gliedert sich in 2 Phasen: Den Östrus, die eigentliche für uns sichtbare (Haupt-)Rosse, die ungefähr sieben Tage dauert und den Diöstrus, die sogenannte Zwischenrosse, die ungefähr 14 Tage lang ist. Der Eisprung findet meist am vorletzten Tag der fünftägigen Hauptrosse statt. Nur während dieser Zeit ist die Stute empfängnis- und paarungsbereit.
Hormone, Hormone…
In der Zwischenrosse (Diöstrus) bilden sich im Eierstock mehrere Follikel. Während der Rosse reift dann aber nur einer heran und schüttet dabei Östrogen aus. Dieses Östrogen lässt das luteinisierende Hormon ansteigen und es kommt zum Eisprung. Das ist der optimale Zeitpunkt, um die Stute zu decken.
Wird das Ei befruchtet nistet es sich in der Gebärmutter ein, was durch das Gelbkörperhormon Progesteron vorbereitet wird, welches gleichzeitig eine weiter Reifung von Eizellen unterdrückt, damit es nicht zu Zwillings-Trächtigkeiten kommt.
Kommt es in dieser Zeit nicht zur Befruchtung und damit zu keiner Einnistung eines Embryos, wird der Gelbkörper 14 Tage nach dem Eisprung durch das Hormon Prostaglandin aufgelöst.
Rossephase = Geduldsphase
Genau diese fünf Tage der Hauptrosse sind für manche Stutenbesitzer eine echte Geduldsprobe: während dieser Zeit, auch Duldungsphase genannt, signalisieren die Hormone der Stute, dass es dringend Zeit wäre, sich mit einem Hengst zusammenzutun. Entsprechend werden von manchen Stuten alle männlichen Pferde, egal ob Wallach oder Hengst, aktiv bedrängt: Sie stellen die Hinterbeine breit, nehmen den Schweif zur Seite, sondern kleine Mengen Urin und Schleim ab und zeigen ihre Klitoris, was auch Blitzen genannt wird. Da kann so ein Gang durch die Stallgasse schon mal etwas länger dauern.
Gerade in gemischten Offenstallgruppen kann diese Zeit auch für die Wallache sehr anstrengend sein, da sie von den Stuten teilweise regelrecht zum Aufspringen genötigt werden. Das hat oft unschöne Folgen, nicht nur für den Rücken der Stute, sondern auch für das Stresslevel des Wallachs. Auch Reiten ist bei manchen Stuten in diese Zeit nicht möglich, da sie klemmig laufen, garstig beim Satteln reagieren oder sich komplett dem Reiter verweigern können. Bei solchen Stuten hilft nur abwarten, bis die Rosse vorbei ist.
Dauerrosse und andere Auffälligkeiten
Deutliche Rosseanzeichen können bei manchen Stuten aber auch tatsächlich ohne Eisprung stattfinden. Wenn man also mit seiner Stute züchten will und sie nicht tragend wird, kann es eventuell daran liegen, dass der Eisprung gar nicht stattfindet. Hier kann der Tierarzt mit dem Hormon Choriogonadotropin den Eisprung herbeiführen.
Umgekehrt findet man vor allem im Sport oft Stuten, die gar keine Rossesymptome zeigen. Will man mit ihnen züchten, nehmen sie häufig nicht auf, was auf einen mit der fehlenden Rosse einhergehenden, nicht stattfindenden Eisprung hinweist. Erst wenn man diese Stuten aus dem Sport nimmt und auf die Weide stellt, reguliert sich der Zyklus, meist innerhalb eines Jahres, und sie können ihre zweite Karriere als Zuchtstute beginnen.
Zeigt eine Stute hingegen eher eine Dauerrosse, kann es auch an einem Eierstocktumor oder an Eierstockzysten liegen. Vor allem Eierstocktumore produzieren selbst Hormone, weshalb diese Stuten dann auch aggressiv werden können, da der Hormonhaushalt völlig aus dem Ruder läuft. Hier hilft, je nach Größe des Tumors, nur eine OP oder ein endoskopischer Eingriff, bei welchem der oder die Tumore entfernt werden.
Die Unterdrückung der Rosse ist möglich, aber nicht immer sinnvoll
Sind Stuten mit normalem Zyklus während der Rosse völlig unerträglich, kann die Rosse mit dem Medikament Regumate unterdrückt werden. Das ist allerdings nicht günstig und birgt das Risiko für Gebärmutterentzündungen. Darüber hinaus mutet man dem ohnehin schon hormongestörten Körper eine weitere Belastung zu. Ähnliches gilt für das Medikament Deslorelin, welches die Zyklusaktivität stoppt und als Implantat eingesetzt werden kann, sowie für die Verabreichung des Hormons Oxytozin, welches die Zwischenrosse bis zu drei Monate verlängern kann.
Einige Tierärzte bieten auch an, den Stuten eine Kunststoff- oder Glasmurmel in die Gebärmutter einzusetzen, was den Abbau des Gelbkörpers verlangsamt, da dem Körper eine Trächtigkeit vorgegaukelt wird. Der Vorteil hier ist, dass es sich um ein mechanisches Verfahren handelt, der Organismus als nicht mit zusätzlichen Hormonen belastet wird. Der Nachteil ist, dass die Kugel auch wieder entfernt werden muss und die Technik nicht bei allen Stuten Wirkung zeigt.
Extremes Rosseverhalten kann auch mit einem gestörten Stoffwechsel in Zusammenhang stehen
Vielfach sprechen stark rossige Stuten aber auch darauf an, wenn man ihre Fütterung auf eine artgerechte Ernährung umgestellt und der Stoffwechsel durch therapeutische Maßnahmen darin unterstützt wird, sich wieder zu normalisieren. Denn oft genug geht extremes Rosseverhalten auch mit einem gestörten Stoffwechsel einher und es scheint hier zu starken Wechselwirkungen zwischen Dysbiosen („Fehlgärungen“) im Dickdarm und dem Hormonsystem der Stute zu kommen. Aus Untersuchungen am Menschen und an verschiedenen Modellorganismen weiß man inzwischen, dass das Dickdarm-Mikrobiom ganz deutlich in den Hormonhaushalt seines Wirts eingreift. Leider sind diese Zusammenhänge beim Pferd jedoch noch nicht erforscht. Es ist aber einen Versuch wert, denn eine artgerechte Fütterung kommt jedem Pferd zugute und wenn dadurch das heftige Rosseverhalten abgemildert werden kann, ist das ein schöner Nebeneffekt.
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