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Die Hirschlausfliege wird Volksmund fälschlicher Weise oft als „fliegende Zecke“ betitelt. Wer mit seinem Pferd im Sommer bis in den Frühherbst in Waldgebieten unterwegs ist, kann von ausschwärmenden Hirschlausfliegen regelrecht verfolgt und angefallen werden. Mancherorts ist dieser Parasit so stark verbreitet, dass zu Hochzeiten des Insektenflugs Ausritte in Waldnähe sogar teilweise gefährlich werden können. Einige Menschen berichten von regelrechter Panik ihres Pferdes, unter den Attacken der Hirschlausfliege. Aber nicht in allen Teilen Deutschlands ist die Hirschlausfliege so bekannt und stark verbreitet. Aufgrund des Klimawandels und der milderen Winter ist sie aber auf dem Vormarsch.

Vorkommen des Parasiten

Die Hirschlausfliege (Lipoptena cervi) ist eine Fliege aus der Familie der Lausfliegen (Hippoboscidea). Im Gegensatz zur Zecke, die auf Büschen und hohen Gräsern sitzt und auf vorbeilaufende Tiere oder Menschen wartet, greift dieser Parasit seinen Wirt aus der Luft an. Lausfliegen sind eine eigenständige Familie blutsaugender Fliegen. Es gibt viele verschiedene Arten dieser Gattung, unter anderem auch die Pferdelausfliege (Hippobosca equina), die sich nur in wenigen Eigenschaften von der Hirschlausfliege unterscheidet. Beide befallen jeweils nicht nur ihren Namensgeber, sondern auch ähnliche, eher große Tiere wie eben Rinder, Pferde, Hirsche, Rehe, teilweise aber auch Hunde oder Menschen.

Mit ungefähr 6mm Körpergröße erinnern die Lausfliegen ein wenig an eine dicke Stubenfliege. Sie haben einen gedrungenen, braunen bis schwarzen Körper mit 6 sehr kräftigen Beinen, welche mit großen Haken an den Enden ausgestattet sind, um sich gut am Tier festzuhalten. Nach Erreichen ihres Wirtes werfen die Weibchen der Hirschlausfliege ihre Flügel ab und leben ab diesem Zeitpunkt als Laus auf dem Wirtskörper weiter. Von der Pferdelausfliege wird angenommen, dass sie ihre Flügel auch behalten und ihren Wirt somit wieder wechseln kann.

Die Weibchen der Hirschlausfliege legen ihre Larven auf dem Boden ab, dort überwintern sie dann, schlüpfen im folgenden Jahr und entwickeln sich im Herbst zum erwachsenen, parasitären Stadium. Die Larven sind relativ frostempfindlich, in sehr frostig kalten Wintern überleben nur wenige, nach milden Wintern dagegen sind im nächsten Jahr äußerst viele neue Lausfliegen unterwegs. Deshalb kann sich die Hirschlausfliege im Zuge der Klimaveränderungen auch bei uns immer weiter verbreiten, da die milden Winter häufiger und lange Frostperioden seltener werden.

Die Stiche der Hirschlausfliege sind schmerzhaft

Äußerst flink kriechen sie nach dem Erreichen des Wirts durch das Fell, um sich dann an geeigneter Stelle festzuhaken und zu stechen. Sie leben ab jetzt auf der Haut des Wirtes und ernähren sich durch wiederholtes Stechen von dessen Blut. Für das Tier ist der Befall mit Hirschlausfliegen meistens sehr unangenehm, die Reaktionen fallen aber bei den Pferden individuell sehr unterschiedlich aus. Der Stich ist äußerst schmerzhaft, vor allem sensible Pferde reagieren daher oft mit starker Unruhe, schauen um sich und zeigen teilweise heftige, panische Schmerz-Reaktionen. Vor allem, wenn die Pferde schon einmal von Hirschlausfliegen befallen waren, können sie beim Anflug regelrechte Panikattacken bekommen, was für den Reiter äußerst gefährlich enden kann. Oft bleiben die Pferde auch nach dem Ausritt oder Waldspaziergang dauerhaft nervös, kratzen und beißen sich an der Einstichstelle. Auf den Schmerz kann starker Juckreiz folgen, Quaddelbildungen, Schwellungen und Entzündungen sind möglich.

An den oft starken Entzündungen rund um die Einstichstelle, die sich zu einer großflächigen Dermatitis ausbreiten können, ist vermutlich das Bakterium Bartonella schoenbuchensis Schuld, das viele der Lausfliegen in sich tragen. Die Zentrale Kommission für biologische Sicherheit (ZKBS) klassifiziert B. schoenbuchensis als zoonotischen Erreger. So werden Erreger bezeichnet, die von Tier zu Mensch, aber auch andersherum, übertragen werden können.

Auf den Pferden versteckt sich die Lausfliege meist unter der Mähne oder am Schweifansatz. Die Stiche können aber auch im Ellenbogenbereich erfolgen oder zwischen den Hinterbeinen. Schlägt das Pferd nach deinem Waldspaziergang heftig mit dem Schweif oder schüttelt immer wieder den Kopf, dann sollte man unter der Mähne bzw. Schweifrübe nachsehen. Allerdings braucht man ein schnelles Auge, denn sobald Licht auf die Hirschlausfliege fällt, kriecht sie schnell davon, um wieder Deckung zu finden.

braunes Pferd rennt über Wiese und schlägt mit dem Kopf

Der Stich der Hischlausfliege ist äußerst schmerzhaft, weshalb Pferde oft starke Unruhe und teilweise heftige, panische Schmerz-Reaktionen zeigen © AdobeStock / Grubärin

Kann man Hirschlausfliegen abwehren?

Bisher gibt es leider keine wirkungsvolle Prophylaxe. Die im Handel angebotenen Abwehrsprays gegen Zecken, Mücken, Bremsen und Co zeigen leider in Bezug auf die Lausfliegen nur wenig Wirksamkeit. Auch Fliegendecken schützen nicht sicher vor einem Befall: Die Laus ist in der Lage, einfach darunter zu kriechen.

Einzig Permethrin (bei uns im Handel z.B. als Wellcare Emulsion für Pferde) scheint eine gewisse Wirkung zu haben und wird häufig im New Forest im Südwesten Englands eingesetzt, da die dort extrem verbreitete Pferdelausfliege (Hippobosca equina, dort auch „Crab Fly“ genannt) das Reiten im Sommer und Herbst praktisch unmöglich macht. Da Permethrin ein starkes Insektengift ist, sollte der Einsatz aber sehr gut überlegt sein, zumal es bei uns meist nur ein kurzer Zeitraum im Spätsommer bzw. Herbst ist, in welchem die Pferde von der Hischlausfliege beim Waldausritt geplagt werden.

Fazit:

Da es keine zuverlässige Abwehr gibt, kommt der Vor- und Nachsorge umso größere Bedeutung zu. So sollte man zur Flugzeit der Hirschlausfliege Waldgebiete großräumig meiden. Die Hirschlausfliegen mögen kein offenes Gelände, sodass man auf dem Reitplatz oder offenen Wiesen und Feldern – fernab des Waldes – meist nicht attackiert wird. Ist man in der Nähe von Waldgebieten unterwegs, in denen die Lausfliege als verbreitet gilt, sollte man bei Anzeichen von Unruhe schon während des Ausrittes frühzeitig absteigen und sein Tier gründlich untersuchen. Auch auf dem Paddock oder der Wiese sollten Tiere gründlich untersucht werden, die scheinbar grundlos nervös und unruhig sind. Etwas Vorsicht ist dabei jedoch geboten, einige Pferde können bei einem Stich auch plötzlich austreten oder sich umwenden und zubeißen.

Ohne Flügel sind die Hirschlausfliegen sehr flink und lassen sich nur noch schwer mit den Fingern fassen. Man muss längeres Fell ordentlich scheiteln und wirklich genau absuchen, denn oft verstecken sie sich sehr gut. Manchmal hilft nur noch komplettes Duschen oder abspritzen mit einem harten Wasserstrahl. Findet man eine Hirschlausfliege, dann sind sie ebenso schwer umzubringen wie Zecken. Im Stall kann man ein Schraubdeckelglas mit etwas Spiritus verwenden, um die Parasiten darin zu versenken. Findet man beim Ausritt einen solchen Lästling auf seinem Pferd, dann muss man ihn zwischen zwei Steinen oder mit dem Fingernagel zerquetschen. Nur draufschlagen – was bei einer Fliege prima funktioniert – reicht bei diesen hartnäckigen Plagegeistern nicht aus.

Tipp: die Lausfliege bei Sichtung schnell mit einem breiten Klebeband fixieren und dann entfernen.

Einstichstellen sollten danach sicherheitshalber desinfiziert und weiterhin gut beobachtet werden. Sollte eine ausgeprägte Entzündung entstehen, sollte man vorsichtshalber einen Tierarzt kontaktieren.