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Wir alle kennen die Problematik von zu viel Zucker beim Weidegang. Außerdem gibt es da noch Fruktan, ein Kurzzeit- Speicherzucker, den die Pflanze bildet, um den Zucker zu bevorraten, wenn sie gerade mehr bilden kann als sie verbraucht.

Zucker ist der Treibstoff für das Pflanzenwachstum und bildet den Hauptenergieträger für unsere Pferde: Zellulose. Zellulose besteht aus komplex miteinander verketteten Zuckermolekülen. Sie gibt der Pflanze den Halt, um hoch aufzuwachsen und ihre Blätter dem Sonnenlicht entgegen zu recken, sowie die Blüte für bestäubende Insekten weithin sichtbar zu machen.

Drei Faktoren entscheiden im Wesentlichen über den Gesamtzuckergehalt des Grases: das Wetter, die Nährstoffversorgung der Pflanzen und die Zusammensetzung der Grasnarbe.

Das Wetter

Damit die Pflanzen Zucker mit Hilfe der Photosynthese produzieren können, braucht es genügend Wärme und Sonnenlicht, dazu noch Wasser, Kohlendioxid und einige mineralische Nährstoffe.

Das Wetter sorgt für warme Temperaturen und Sonnenschein, oder auch nicht.

Temperaturen von unter 5-8 C° oder über 25-30 C° lassen die Photosynthese- Rate und Wachstum stark abfallen. Ist es zu kalt, laufen die biochemischen Reaktionen zu langsam ab, sodass das Wachstum eingestellt und der Zucker als Fruktan eingelagert wird. Ist es zu heiß, dann muss die Pflanze die kleinen Spaltöffnungen ihrer Blätter schließen. Durch sie verdunstet normalerweise stetig etwas Wasser und zieht so über den Kapillareffekt neues Wasser aus dem Erdreich in die Blätter. Ist es zu heiß, verliert die Pflanze aber zu viel Feuchtigkeit, daher werden die Spaltöffnungen geschlossen und die biochemischen Abläufe in den Zellen in den „Mittagsschlaf“ versetzt. Auch hierbei können hohe Fruktanwerte entstehen, um den Zucker für späteres Wachstum einzulagern.

Wichtig ist dabei zu wissen: Gras wächst auch, wenn die Sonne nicht scheint. Vorausgesetzt es ist genug Zucker vorrätig und die Temperatur stimmt.

So kann in einer warmen Nacht eine Menge des am heißen Tag eingelagerten Fruktans in Zellulose, Hemizellulose, Pektin und andere Strukturkohlenhydrate umgebaut werden. Deshalb ist der Fruktangehalt am nächsten Morgen nach einer warmen Nacht signifikant niedriger als am Abend zuvor.

War die Nacht kühl, ist beispielsweise am Morgen Reif auf dem Gras, dürfen wir davon ausgehen, dass der Zucker- bzw. Fruktangehalt gleichgeblieben. Denn kalte Temperaturen bremsen die Umwandlung von Zucker bzw. Fruktan in Strukturkohlenhydrate und damit das Wachstum. Ist der auf die kalte Nacht folgende Tag sonnig und bei angenehmen Temperaturen, wird der Fruktangehalt weiter ansteigen, weil die Photosynthese mehr Zucker produziert, als die Pflanze gleichzeitig wachsen kann.

Bei hochsommerlichen Temperaturen von 30 C° und mehr kommt die Photosynthese zum Erliegen. Sinken die Temperaturen dann nachts unter 25 C° nutzen die Gräser die noch vorhandenen Zucker- und Fruktanvorräte für Wachstum. Der Gesamtzucker- und Fruktangehalt in den Pflanzen sinkt, vorausgesetzt es ist genug Wasser vorhanden. Ist kein Wasser mehr verfügbar, beispielsweise in sehr trockenen Sommerwochen, wird das Wachstum ebenfalls eingestellt, die Zucker- und Fruktangehalte bleiben stabil.

In der nachfolgenden Tabelle sollen die verschiedenen Effekte anschaulich machen.

WitterungsbedingungenFruktangehalt
Tagsüber Sonnenschein, nachts kaltSehr hoch
Tagsüber Sonnenschein, nachts warmMittel
Tagsüber bewölkt oder Regen, nachts warmNiedrig
Tagsüber bewölkt oder Regen, nachts kaltMittel
Andauernde TrockenheitHoch
Witterungsbedingungen haben Einfluss auf den Fruktangehalt.

Im Schatten von Bäumen ist der Fruktangehalt jeweils signifikant niedriger als auf unbeschatteten Weiden, da unter Bäumen die Kraft der Sonne reduziert wird (das kennt jeder der eine PV Anlage auf seinem Hausdach hat). Meist wächst das Gras in Trockenphasen durch die Beschattung länger, weil sich die Bodenfeuchtigkeit länger hält.

Nährstoffversorgung der Pflanzen

Die richtige und ausgewogene Nährstoffversorgung von Pflanzen ist eine komplizierte Angelegenheit. Wer schonmal ein Haus gebaut hat, der kennt das fein balancierte Zusammenspiel der verschiedenen Teilaspekte. Da steht der Elektriker und würde gerne weitermachen, aber er muss auf den Maurer warten, der die letzte Zwischenwand noch nicht eingezogen hat. Sein Material lässt der Elektriker schon einmal auf der Baustelle liegen, um gleich loslegen zu können, sobald die Wand steht. Es braucht viele Handwerker mit unterschiedlichen Fähigkeiten, damit das Haus am Ende steht und bewohnbar ist.

Setzen wir jetzt die Handwerker mit den Nährstoffen gleich, dann erkennen wir sofort: So, wie wir all die unterschiedlichen Handwerker brauchen, um im Haus weiterzukommen, brauchen die Pflanzen auch all die unterschiedlichen Nährstoffe in ausreichender Menge, um wachsen zu können. So wie die Handwerker ihr Baumaterial liegen lassen, damit sie es zur Hand haben, wenn sie endlich weitermachen können, lagern die Pflanzen überschüssig produzierten Zucker schonmal in Form des Kurzzeitspeichers Fruktan ein. Fehlt ein Nährstoff, können die Stoffwechselprozesse in der Pflanze nicht ablaufen, die sie für ihr Wachstum braucht. Fehlt der Maurer, wird kein Haus entstehen, auch wenn noch so viele Elektriker und Heizungsmonteure auf der Baustelle herumstehen.

Die Grundlage eines gelingenden Weidemanagements ist daher immer eine Grund-Bodenanalyse, um die Nährstoffversorgung der Pflanzen auszubalancieren. Denn sowohl ein zu viel des einen als auch ein zu wenig des anderen Nährstoffs kann fatale Folgen haben.

An Hand der Bodendaten kann dann ein individuell auf die Fläche angepasster Düngerplan erstellt werden, der die Wachstumsbedingungen für die Gräser herstellt, die wir auf unseren Pferdeweiden haben wollen – und es nach Möglichkeit denen ungemütlich macht, die wir dort nicht sehen wollen.

Jede Pflanzenart hat dabei ihre eigenen Ansprüche, Stärken und Schwächen.

Die Nährstoffbedarfe sind entsprechend vom Bewuchs der Fläche abhängig, aber auch von der Bodenart, vom Mikroklima, aber auch von Nährstoff zu Nährstoff unterschiedlich. So benötigen Leguminosen wie die Luzerne praktisch keinen Stickstoff im Boden für ihr Wachstum, da spezielle, rund um ihre Wurzeln angesiedelte Bakterien, den Luftstickstoff binden und für die Leguminose verfügbar machen. Ganz anders das Deutsche Weidelgras, das bei zu wenig Stickstoff im Boden erheblich unter Stress gerät, im Wachstum zurückbleibt, dafür aber extrem hohe Zuckerwerte bei niedrigen Eiweißwerten bildet.

Welchen Unterschied machen die Grasarten?

In einer US Studie aus dem Jahr 2018 in den Bundesstaaten Utah und Colorado wurden an 24 verschiedene Grasarten über zwei Jahre die Gesamtzuckerwerte gemessen. Dabei stellte sich eine relativ zuverlässige Rangordnung der zuckerreichsten Grasarten heraus.

Hier nun die Hit-Liste (nur die bei uns etablierten Arten) mit den höchsten Zuckerwerten zuerst:

Absoluter Champion ist das Deutsche Weidelgras (das im Übrigen in den USA als Giftpflanze gilt, weil seine hohen Endophytengehalte auch Hufrehe sowie Aborte bei Zuchtstuten auslösen können). Es wird dicht gefolgt vom Rohrschwingel, mit etwas Abstand kommen dann Wiesenlieschgras, Knäuelgras, Rotschwingel, Wiesenfuchsschwanz, Wiesenrispe und Trespengräser.

Mit Bedauern stellen wir immer wieder fest, dass in der überwiegenden Zahl der handelsüblichen Saatgutmischungen für Pferdeweiden in nicht unerheblichen Mengen auch Deutsches Weidelgras enthalten ist. Selbst in Mischungen, die als fruktanarm angeboten werden!

Nun kann es durchaus sein, dass der Hersteller solcher Saatgutmischungen aus der Vielzahl der Weidelgras-Sorten die ausgewählt hat, die im Verhältnis zu den anderen die geringsten Zucker- bzw. Fruktangehalte aufweisen. Da Deutsches Weidelgras jedoch im Verhältnis zu allen andere Gräserarten die mit Abstand höchsten Gesamtzuckergehalte zeigt (es wurden bis zu 36% gemessen!), ist es sehr empfehlenswert, auf Deutsches Weidelgras in Pferdeweide-Mischungen grundsätzlich zu verzichten.

Fazit

Gerade bei stoffwechselempfindlichen Kandidaten wie den geliebten Moppelchen, den Hufrehe-Kandidaten, Pferden mit Insulinresistenz (wozu auch viele mit Cushing-Symptomatik gehören!) und allen leichtfuttrigen Rassen immer bei der Beweidung auf das Wetter achten!

Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man für problematische Wetterkonstellationen (v.a. anhaltende Trockenheit sowie warme, sonnige Tage mit kalten Nächten) eine schattige Weide zur Verfügung stellen, da diese oft weniger Zucker / Fruktan enthalten als die Flächen, die in der prallen Sonne liegen. Außerdem sollte man die Pferde im Herbst rechtzeitig abweiden, sobald die Nachttemperaturen unter 8-10°C sinken.

Dazu sollte man im Sinne einer für Pferde gesunden und zuckerarmen Pflanzengesellschaft auf seiner Wiese immer für eine ausgeglichene und bedarfsgerechte Nährstoffversorgung sorgen. Eine Bodenanalyse ist dafür unabdingbar und kostet nicht viel – selbst inklusive einer professionellen Beratung zur Düngung kommt man damit meist günstiger als mit einer akuten Hufrehe oder Kolik durch falsches Weidemanagement!

Je empfindlicher die Pferde auf Zucker/Fruktan reagieren umso extensiver sollte die Grasnarbe sein. Powergräser wie das Deutsche Weidelgras sollten auf einer Pferdeweide nicht die Hauptbestandbildner sein und auf Weiden für stoffwechselsensible Kandidaten gar nicht auftreten.

Dabei gilt: nur weil die Weide runtergefressen ist bis auf den Boden, ist es keine Magerweide! Wie zuckerreich die Weide ist (und damit problematisch für Hufrehe-gefährdete Pferde und EMS-Kandidaten), hängt mehr von den Pflanzenarten, den Klimabedingungen und dem Stresslevel der Wiese ab als davon, wie hoch der Bewuchs auf der Fläche steht.

Mehr zum Thema: Schnelle und einfache Zuckerbestimmung im Heu

Quellen

Glucose and Insulin Response of Horses Grazing Alfalfa, Perennial Cool-Season Grass, and Teff Across Seasons (Sept. 2018)

How to Maximize Energy Content in Forage Grasses (Dr. S. Ray Smith and Kelly Prince, University of Kentucky Lexington, KY)

Seasonal and Diurnal Variation in Water-Soluble Carbohydrate Concentrations of Repeatedly Defoliated Red and White Clovers in Central Kentucky

Geschrieben durch Gastautor Helmut Muß, die gute Pferdeweide