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Die Heuernte 2022 war schlicht gesagt eine Katastrophe. Der erste Schnitt ist in den meisten Regionen bereits viel zu gering ausgefallen und ist größtenteils sehr nährstoffarm. Die magere Qualität ist zwar gut für die Besitzer leichtfuttriger Ponys, wer aber einen schwerfuttrigen Vollblüter im Stall hat oder einen Senioren mit Zahnproblemen, der würde sich eine deutlich reichhaltigere Qualität wünschen. Der zweite Schnitt ist in den meisten Regionen komplett ausgefallen, weil durch die lange Trockenheit schlicht nichts gewachsen ist. Wurde jetzt doch noch ein zweiter Schnitt gemacht, dann ist das oft schnell geschossenes, blattreiches „Kuhheu», das für Pferdefütterung nicht geeignet ist, da der hohe Pektingehalt den Dickdarm übersäuert. Auch wenn die Heupreise jetzt schon durch die Decke gehen: billiger wird es nicht. Auch werden einige Stallbetreiber und Pferdebesitzer im Lauf des Winters genötigt sein, auch minderwertige Qualität zu verfüttern, da es einfach keine Alternativen geben wird.

Heu kann nicht ersetzt werden, aber ergänzt

Leider kann man Heu auch tatsächlich mit nichts ersetzen in der Pferdefütterung. Stroh kann zusätzlich angeboten werden, aber da es hauptsächlich aus Lignin („Holzfaser») besteht, könne Pferde es nicht verwerten. Es füllt den Bauch, liefert aber keine Energie. Man kann natürlich zusätzlich Äste, Zweige und Laub von ungiftigen Bäumen und Büschen anbieten. Hier eignen sich die ganzen Obstbaumsorten, Birke, Weide, Haselnuss etc., aber durchaus auch Hartholz wie Buche wird gerne mal genommen. Nadelholz bitte immer nur sehr sparsam anbieten aufgrund der enthaltenen Harze. Laub liefert auch einen Anteil Cellulose und kann damit in geringem Umfang Heu ersetzen. Rinde und Holz sind außerdem gerne genommener Knabberspaß, um die in den meisten Ställen durch Heumangel entstehenden Zwangspausen wenigstens mit Beschäftigung zu überbrücken.

Schimmel sitzt im Ahornlaubhaufen
Äste und Laub können zusätzlich zu Heu angeboten werden. © Rita Kochmarjova / AdobeStock

Rechtzeitig zufüttern

Wer einen Senior im Stall hat, sollte jetzt rechtzeitig anfangen, Heucobs zuzufüttern, um das Pferd im Gewicht zu halten.

Wenn man erst wartet, bis sie dünn sind, dann ist es zu spät. Auch wer ein schwerfuttriges Pferd im Stall hat, das jetzt ohnehin schon deutlich zu dünn aus der Weidesaison gekommen ist, tut gut daran, einen Teil der Heuration mit eingeweichten Heucobs zu ergänzen. Das ist zwar (derzeit noch) teurer als Heu, aber liefert ausreichend Faser, um den Dickdarm zu beschäftigen und Energie zu gewinnen. Heucobs bitte vor dem Füttern immer Einweichen, um Schlundverstopfungen und Blockierungen des Kiefergelenks zu vermeiden.

Mit hochwertigem Eiweiß die Heuration aufwerten

Außerdem kann man die Heuration aufwerten, indem faserbasiertes Eiweiß zugefüttert wird.

Hierzu gehören ganz klassisch Luzernepellets, aber auch die „kleine Schwester» der Luzerne, die Esparsette, hat sich seit Jahrhunderten in der Pferdefütterung bewährt. Ihr sehr gutes Eiweißmuster hilft den Pferden, Muskelabbau vorzubeugen und die Gerbstoffe (kondensierte Tannine) sorgen dafür, dass die Gesamtration besser verwertet werden kann. Sowohl Luzerne als auch Esparsette sollten nur in pelletierter Form gefüttert werden, da hier der höchste Nährwert besteht und die beste Verdaulichkeit. OKAPI hat jetzt mit der Esparsette fix & fertig endlich auch eine pelletierte Version der Esparsette im Programm, die man ohne Einweichen verfüttern kann, was die Organisation der Fütterung in vielen Fällen deutlich vereinfacht.

Bei gehäckselten Versionen von Esparsette oder Luzerne wird die Peristaltik im Dickdarm gestört und es können Fehlgärungen entstehen, die unter anderem dafür sorgen können, dass die Heu-Verwertung herabgesetzt wird – also genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will. Füttert man die ganze Pflanze, so ist das häufig mit einem erheblichen Nährstoffverlust im Vergleich zum Pellet verbunden. In dem Fall, dass man Luzerne-Ballen bekommt (zugreifen, wenn man schwerfuttrige Kandidaten im Stall hat!), sollte man die ganzen Ballen in eine Raufe stellen, sodass die Pferde auch die Bröckelverluste am Ende vom Boden aufnehmen können, da hier der größte Nährwert drin steckt. Die Stängel liefern jede Menge Cellulose und werden meist lange und gründlich gekaut, sodass hier ein Teil der Heuration durchaus mit Ballen-Luzerne ersetzt werden kann. Der Nährwert von Luzerne und Esparsette ist natürlich immer höher als der von Heu, daher ist Ballenluzerne als teilweiser Heu-Ersatz eher für schwerfuttrige Blüter-Typen geeignet und nicht so für die „Moppelpony-Fraktion».

Erhöhte Kraftfuttergaben vermeiden

Vermeiden sollte man trotz der prekären Heu-Situation, die uns diesen Winter bevorsteht, das fehlende Raufutter mit erhöhten Kraftfuttergaben ersetzen zu wollen.

Alle Futtermittel mit einem hohen Anteil an Stärke, Fett und Eiweiß (also der ganze Bereich „Kraftfutter»), ist problematisch da der Stoffwechsel der Pferde nicht auf große Mengen dieser Nährstoffe ausgelegt ist. Stärke sorgt vor allem für ein Aufschwemmen (Lympheinlagerungen) oder Verfettung der Pferde, ohne dass Muskelmasse aufgebaut wird. In beiden Fällen sieht das Pferd zwar rund aus, aber es ist kein gesundes Gewicht, sondern ein Gesundheitsproblem. Fette und minderwertige Eiweiße belasten Leber und Nieren, die beim Pferd nicht auf eine solche Ernährung ausgelegt sind – Pferde sind schließlich keine Fleischfresser.

Pferde sind Cellulose-Verdauer und damit kommt man immer wieder zurück aufs Heu. Viele Hersteller preisen auch Rübenschnitzel (normal oder entmelassiert) als Alternative für Pflanzenfaser-Futter an. Leider besteht die Zuckerrübe aber im Gegensatz zu Heu nicht größtenteils aus der für Pferde wertvollen aus Cellulose, sondern im Wesentlichen aus Pektin, und das macht den Dickdarm des Pferdes sauer. Damit sinkt die Cellulose-Verwertung, was zu den bekannten Problemen wie Dysbiosen (Fehlgärungen) bis hin zu Entgiftungsstörungen im Sinne einer Kryptopyrrolurie (KPU) führen kann. Daher sollte auf solche Futtermittel konsequent verzichtet werden. Auch Maiswürfel/-pellets sind nicht geeignet, die Pferde neigen dadurch zu Lympheinlagerungen, viele reagieren auch mit angelaufenen Beinen oder Verhaltensauffälligkeiten. Nicht ohne Grund sagen die alten Bauern „Mais macht Pferde heiß».

Schimmliges Heu

Wird im Lauf des Winters hie und da mal ein nicht ganz hygienisch einwandfreier Ballen gefüttert, so werden es sich die meisten Stallbetreiber kaum finanziell erlauben können, diesen auszusortieren, da das Heu dann überhaupt nicht über den Winter reicht.

Die Belastung der Atemwege durch Schimmelsporen kann man meist schon dadurch gut reduzieren, dass man solches Heu mit einer Gießkanne nass macht.

In Fällen von bekannten Allergien gegen Schimmelsporen sollte das Bedampfen des Heus in Betracht gezogen werden. Einen solchen Bedampfer kann man sich mit etwas handwerklichem Geschick selber bauen, hier dauert die „Garzeit» aber etwas länger als mit einem Profi-Gerät. Mit einer Zeitschaltuhr ist das aber gut zu managen. Bauanleitungen für Heubedampfer findet man im Internet. Gegen die Mykotoxine, die in schimmeligem Heu immer ebenfalls enthalten sind, kann man so genannte Mykotoxinbinder füttern, beispielsweise das EndoProtect oder MykoProtekt. Diese Produkte stammen alle aus der Nutztierfütterung und beruhen darauf, dass die Mykotoxine im Darm abgebunden und dann mit dem Kot ausgeschieden werden. So wird der Entgiftungsstoffwechsel entlastet.

Das ist natürlich kein Freibrief, den ganzen Winter über schimmeliges Heu zu füttern, da die Mykotoxine nie 100%ig gebunden werden und daneben von den Schimmelpilzen auch viele andere Stoffe, unter anderem antibiotisch wirkende Substanzen, gebildet werden, welche die Verdauung und den Stoffwechsel des Pferdes belasten. Aber den einen oder anderen nicht ganz einwandfreien Ballen kann man damit zumindest überbrücken.

Die Heupreise steigen

Viele Stallbetreiber werden kaum in der Lage sein, mit ihren Einstellpreisen den gesamten Winter über alle Pferde ausreichend zu versorgen. Selbst Landwirte, die in normalen Jahren ausreichend Heu für ihren Eigenbedarf produzieren, müssen dieses Jahr oft erhebliche Mengen zukaufen. In den meisten Regionen haben sich die Heupreise jetzt schon verdoppelt, teilweise verdreifacht und ein Ende der Preissteigerung ist nicht in Sicht. Es wird jetzt schon von Experten vorhergesagt, dass die Preise vermutlich demnächst bei 120 Euro für einen 250kg Rundballen landen werden. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass ein Pferd im Schnitt 15-20kg Heu pro Tag frisst, dann reicht ein Ballen pro Pferd rund zwei Wochen. Das sind also 240 Euro pro Pferd und Monat allein für Heu – und das, wenn es gut läuft. Da ist noch keine Einstreu, kein Ausmisten, kein Wasser, kein Strom oder sonstiges bezahlt.

Wem die Gesundheit seines Pferdes am Herzen liegt, sollte jetzt das Gespräch mit den anderen Einstellern und dem Stallbetreiber suchen. Viele Stallbetreiber sind froh und dankbar für die Unterstützung durch ihre Einsteller, da die meisten in der Vergangenheit knapp kalkuliert haben und jetzt die eigenen Existenz auf dem Spiel steht. Daher der dringende Rat an alle Pferdebesitzer: lieber jetzt eine „Heu-Umlage» im Stall machen und 50-100 Euro pro Monat mehr für die Stallmiete (also für Heueinkauf) ausgeben. Das klingt zwar wahnsinnig viel, aber eine Kolik-OP aufgrund einer katastrophalen Raufuttersituation ist am Ende deutlich teurer.

Mehr dazu Factsheet Raufutter: Heu oder Geballtes Wissen #25 Habe ich «gutes» Heu?