Einleitung
Die meisten Koliken sind auf Störungen im Verdauungstrakt zurück zu führen und hier hat die Fütterung einen wesentlichen Einfluss. Natürlich kann eine Kolik grundsätzlich jedes Pferd treffen.
Insbesondere eine Lageveränderung von Darmteilen, wenn beispielsweise eine Dünndarmschlinge über das Nieren-Milz-Band rutscht, kann keiner voraussehen. Sehr häufig haben wir es aber mit Koliken zu tun, die auf Verstopfung, Aufgasung, Sandablagerungen, Parasitenbefall oder Entzündungen der Schleimhäute zurückzuführen sind. Und hier kann man sowohl präventiv schon eine Menge tun als auch nach überstandener Kolik, um ein Wiederauftreten zu vermeiden.
Während einer Kolik auf keinen Fall füttern
Während einer Kolik sollte jedes Futterangebot unbedingt vermieden werden. Erst, wenn der Tierarzt das ok gibt, darf das Pferd wieder Futter bekommen. Am besten startet man dann mit Heu. Es sorgt dafür, dass die Pferde gründlich kauen und damit ihren durch die lange Fresspause übersäuerten Magen wieder abpuffern. Außerdem wird es in optimaler Geschwindigkeit durch den Verdauungstrakt transportiert, sodass sich die Peristaltik schneller wieder normalisieren kann. Und es liefert alle wichtigen Nährstoffe, die das Pferd braucht, in optimal verdaulicher Form. Bei alten Pferden mit Zahnproblemen oder solchen mit starken Magengeschwüren, die sich schwer damit tun, Heu zu fressen, kann man nach überstandener Kolik auch eingeweichte, lauwarme Heucobs anbieten.
Mash-Fütterung
Von der generellen Mash-Fütterung nach Koliken oder auch zur Vorbeugung (beispielsweise bei anstehenden Wetterwechseln), wird mittlerweile von Fachleuten abgeraten. Es stellt einen abrupten Futterwechsel dar und Studien zeigen, dass solche schnellen Veränderungen in der Fütterung das Risiko für Koliken steigern können. Außerdem wird Mash vor allem im Dünndarm verdaut und liefert in hohem Maß leichtverdauliche Nährstoffe, welche den Körper in dem Moment überlasten können.
Insbesondere bei Pferden mit Neigung zu Hufrehe kann die Fütterung von klassischem Mash, welches ausschließlich aus Weizenkleie, Quetschhafer, Leinsamen und Salz besteht, im schlimmsten Fall eine Hufrehe auslösen (aufgrund des enthaltenen Getreides).
Kommerzielle Mashs haben mit dem klassischen Mash oft nicht mehr viel gemeinsam. In vielen Fällen sind es eher Müslis, die mit Wasser aufgegossen werden sollen.
Von Melasse über ätherische Öle bis zu Strukturhäckseln werden Bestandteile verwendet, die insbesondere nach einer Kolik absolut nicht gefüttert werden sollten. Getreidefreie Mashs sind häufig mit Gemüsestücken (z.B. Karotten) oder Obstabfällen (z.B. Apfeltrester) angereichert, welche den Darm ansäuern können und damit die oft bereits entzündeten Schleimhäute weiter reizen können. Daher sollte auf die Gabe von Mash nach Möglichkeit ganz verzichtet werden.
Heucops
Eingeweichte Heucobs sind hingegen „vorgekautes Heu“, stellen also so gesehen keinen Bruch im Fütterungsmanagement dar. Mit viel Wasser eingeweicht, liefern sie auch ausreichend Flüssigkeit (insbesondere nach Verstopfungskoliken). Man kann zwei bis drei Esslöffel gequollene Leinsamen untermischen (normalen braunen Leinsamen mit heißem Wasser übergießen, 15 min quellen lassen, untermischen). Leinsamen liefern hochwertige Schleimstoffe, welche beruhigend auf die Magen-Darmschleimhäute wirken.
Als ganze Leinsamen beigefügt (nicht geschrotet) sind sie auch nicht so hoch verdaulich, sodass der Körper nicht mit Eiweiß und Fett überlastet wird. Nach einer Verstopfungskolik kann man auch einen Esslöffel Salz (normales Haushalts-Salz, ohne Fluor- oder Jodzusatz) untermischen, um den Salz-/Wasser-Haushalt wieder zu normalisieren. So bald wie mögliche sollte dann auch wieder normales Heu zur freien Verfügung angeboten werden, sodass das Pferd sein Fressverhalten normalisieren und die Folgen der Kolik damit schneller regenerieren kann.
Sandkoliken
Sandkoliken entstehen bei übermäßiger Aufnahme von Sand / Erde. Wenn ein Pferd mal ein paar Heuhalme vom Auslauf aufklaubt, entsteht nicht gleich eine Sandkolik, hier geht es um größere Mengen. Diese werden vor allem aufgenommen, wenn die Pferde nicht durchgehend Heu zur Verfügung haben. Aus Hunger sammeln sie dann auch verschmutzte Heuhalme ein oder fangen direkt an, den Auslaufboden zu fressen. Dasselbe gilt für abgefressene Weiden: Wenn dort kein Futter mehr zur Verfügung steht, fangen viele Pferde an, die Pflanzen mitsamt Wurzeln auszureißen und zu fressen.
Das zerstört nicht nur die wertvolle Grasnarbe der Weide, sondern trägt auch übermäßig viel Sand in den Verdauungstrakt ein. Dieser lagert sich dann meist im Bereich des rechten dorsalen Colons unterhalb der rechten Niere ab und sorgt dann irgendwann für eine Sandkolik, die leider in vielen Fällen nur noch durch eine Operation zu beheben ist, wenn das Pferd diese Kolik überhaupt überlebt.
Das Wichtigste ist und bleibt die Prophylaxe:
Es ist daher essenziell, dass Pferde ständig Zugang zu Raufutter haben und zwar zu qualitativ einwandfreiem Heu. Heulage ist nicht als Pferdefutter geeignet, da sie den Dickdarm ansäuert.
Stroh
Stroh ist kein adäquater Ersatz für Heu, da es bei übermäßiger Aufnahme zu Verstopfungskolik („Strohkolik“) führen kann. Hat man unbefestigte Sandausläufe oder Sandböden unter der Grasnarbe der Weide, ist es außerdem sinnvoll, zweimal im Jahr eine Kur mit Flohsamen oder Flohsamenschalen zu machen. Sie können Sand wieder austragen aus dem Verdauungstrakt und so Ablagerungen vorbeugen. Allerdings nicht in dem Maß, dass ein Pferd, das ein halbes Jahr lang Sand auf dem Auslauf gefressen hat vor lauter Hunger, dann wieder völlig fit ist. Bei Risiko für Sandkoliken ist der ständige Zugang zu ordentlichem Heu aus einer Raufe oder Heukiste ggf. mit Heunetz essenziell.
Verstopfungskoliken
Verstopfungskoliken können unterschiedliche Gründe haben. Eine wichtige Rolle spielt hier immer die Bewegung, denn sie unterstützt die peristaltische Welle des Verdauungstrakts. Ein Pferd, das auf einem Paddock Trail mit viel Bewegungsanreiz gehalten wird und sich 24 Stunden täglich mehr oder weniger bewegt, hat tendenziell ein geringeres Risiko für eine Verstopfungskolik als eines, dass gerade im Winter den größten Teil des Tages in der Box oder auf einem Schlammauslauf ohne Futter herumsteht. Futter ist ein großer Motivator für Pferde, daher kann man auch auf normalen Paddocks durch das verteilte Aufhängen mehrerer Heunetze die Pferde dazu animieren, sich etwas mehr zu bewegen als, wenn sie sich den ganzen Tag an der Raufe parken.
Im Dickdarm wird über den gesamten Verlauf dem anfangs flüssigen Nahrungsbrei langsam Feuchtigkeit entzogen, sodass letztlich fester Kot ausgeschieden wird. Läuft die Peristaltik zu langsam, kann es dazu kommen, dass die Flüssigkeit zu früh entzogen wird, sodass der Kot zu stark eindickt und dann nicht mehr vorwärts transportiert werden kann. Da jedoch weiterhin Flüssigkeit entzogen wird, verfestigt sich der Kot immer weiter, bis eine Verstopfungskolik entsteht.
Das passiert häufig, wenn die Pferde übermäßig viel Stroh aufnehmen, also beispielsweise ihre Stroh-Einstreu über Nacht auffressen. Dieses übermäßige Strohfressen beobachtet man in der Regel aber nur, wenn die Pferde kein Heu zur Verfügung haben. Zwar fressen die meisten Pferde auch gerne hier und da etwas Stroh, aber in der Regel nicht mehr als 2-3kg pro Tag (für ein ausgewachsenes Pferd) und das dann verteilt über 24 Stunden. Vermehrtes Strohfressen sieht man vor allem zu Beginn der Weidezeit, da frisches Weidegras die Peristaltik beschleunigt und die Pferde über die Aufnahme von Stroh wieder die richtige Geschwindigkeit für den Verdauungstrakt einstellen. Wird Stroh aber aus der Not heraus gefressen, weil das Pferd kein Heu zur Verfügung hat und Magenschmerzen hat, dann besteht immer das Risiko einer Verstopfungskolik.
Auch mangelnde Wasseraufnahme kann eine Verstopfungskolik auslösen, vor allem im Winter. Gras enthält von Hause aus mehr Feuchtigkeit, sodass die Pferde weniger trinken müssen, um den Nahrungsbrei ausreichend zu verflüssigen. Im Winter bei Heufütterung ist es aber notwendig, dass die Pferde auch ständig Wasser aufnehmen können. Sind die Tränken eingefroren, kann es vorkommen, dass Pferde zu wenig Wasser bekommen und dadurch eine Verstopfungskolik ausgelöst wird.
Auch Selbsttränken, die zu langsam laufen, können zum Entstehen von Verstopfungskoliken beitragen oder wenn sich zwei Pferde eine Tränke zwischen den Boxen teilen und ein Pferd das andere immer wieder davon wegjagt. Dazu kommt, dass gesunde Pferde zwar problemlos eiskaltes Wasser trinken, nicht aber solche mit Magengeschwüren. Bietet man seinem Pferd lauwarmes Wasser an und es säuft mit großer Begeisterung 10-20 Liter weg, dann kann man davon ausgehen, dass es sonst nicht genug (kaltes) Wasser trinkt. Abhilfe schafft hier erstmal das Angebot von warmem Wasser zumindest morgens und abends oder ein beheizbarer Kübel, sodass das Wasser wenigstens nicht Gefrierpunkt-kalt ist. Mittelfristig sollte man dringend was Thema Magengeschwüre therapeutisch adressieren, um dem Pferd nachhaltig zu helfen.
Futter muss hochwertig und artgerecht sein
Schimmeliges Heu, Heulage und andere nicht artgerechte Futtermittel wie Sojaschrot, Strukturhäcksel oder größere Mengen Obst und Gemüse (Karotten, Apfeltrester, entmelassierte Rübenschnitzel etc.) können mit beitragen zu Veränderungen des natürlichen Dickdarm-Mikrobioms („Darmflora“). Solche Störungen der Darmflora werden auch als Dysbiosen bezeichnet und mittlerweile gibt es erste Forschungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass solche Dysbiosen unter anderem eine Ursache von verschiedenen Kolikformen sein können.
So können sich beispielsweise gasbildende Bakterien übermäßig vermehren und dadurch Aufblähungen des Darms und damit Gaskoliken auslösen. Aufgasungen stehen auch im Verdacht, an Koliken beteiligt zu sein, wo es zu Lageveränderungen kommt („Verschlingungskolik“). Nicht passende Futtermittel können auch zu Entzündungen der Darmschleimhaut beitragen, was Störungen der Peristaltik und folglich Verstopfungskoliken zur Folge haben kann.
Aus diesem Grund sollte bei Pferden grundsätzlich auf eine artgerechte Ernährung mit ständigem Zugang zu pferdegerechtem Heu (artenreich, spät geerntet und stängelig, hygienisch einwandfrei) geachtet werden. Weitere Futtermittel, insbesondere solche, die man in den Trog füllt oder aus der Hand füttert, sollten immer sehr kritisch auf ihre Eignung hinterfragt werden. Nur weil sie laut Futtermittelgesetz für die Fütterung an Pferde erlaubt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gesund oder geeignet sind.
Sonderfall Kreislaufkolik
Eine Sonderform stellen Pferde mit Kreislaufkoliken dar. Selbst bei bester, artgerechter Fütterung sind es oft Kandidaten, die – insbesondere bei Wetterwechseln oder bei schwül-heißem Wetter – mit Koliken reagieren. Hier kommt durch den schwachen Kreislauf die Peristaltik mehr oder weniger zum Erliegen, was sich dann in Koliksymptomen äußern kann. Das betrifft oft alte Pferde oder ehemalige Sportpferde, die unter einer linksseitigen Herzinsuffizienz leiden. Auch eine Überlastung der Nieren kann eine Rolle spielen.
Es gibt medizinisch nicht viele Möglichkeiten, das Herz und den Kreislauf bei Pferden gezielt zu unterstützen. Die Homöopathie bietet hier einige Mittel, mit denen man teilweise sehr gute Verbesserungen erreichen kann. Auch einige Kräuter oder Zusatzfuttermittel wie L-Carnitin können zu einer Besserung beitragen und sollten den Pferden prophylaktisch, kurweise gegeben werden. Akupunktur oder Akupressurmassage können sich ebenfalls positiv auswirken. Statt solchen Pferden immer vorbeugend Mash zu füttern, sobald ein Wetterwechsel ansteht, sollte man eher einen kompetenten Therapeuten hinzuziehen, der sich genau anschaut, warum das Pferd unter Kreislaufschwäche leidet und dann über eine entsprechende Therapie das Pferd nachhaltig unterstützt.
Artgerechte Fütterung minimiert das Risiko für Koliken erheblich
Auch die beste Fütterung kann leider nicht garantieren, dass ein Pferd nie eine Kolik hat. Es gibt noch viele weitere Auslöser für Koliken, von Schmerzen (z.B. bei akuter Hufrehe) über Probleme in anderen Organsystemen (z.B. gynäkologische Probleme bei Stuten), bis zu Stress (z.B. durch Probleme in der Haltung).
Aber eine artgerechte Fütterung mit ständigem Zugang zu pferdegerechtem Heu (auch in der Weidesaison, wenn da nichts mehr wächst!), ordentlichem Mineralfutter, Salzleckstein und ausreichend Wasser reduziert das Kolik-Risiko auf jeden Fall deutlich gegenüber einer nicht-artgerechten Ernährung.
Mehr zum Thema Kolik: Ringvorlesung Kolik – Hintergründe, Prophylaxe, Akutmaßnahmen
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