Füttert man seinem Pferd im Winter regelmäßig Karotten, Äpfel oder Rübenschnitzel (auch entmelassierte), dann sorgt man dafür, dass über die Wintermonate langsam aber sicher eine Population von Mikroorganismen im Dickdarm heranwächst, die die enthaltenen Pektine (Pflanzenbaustoff von Obst, Gemüse und jungem Gras / Blättern) verwerten.
Das klingt zunächst nicht problematisch, ist das Pferd doch auf ein funktionierendes Mikrobiom im Dickdarm angewiesen, um Energie aus Pflanzenfasern zu gewinnen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass in der natürlichen Ernährung des Steppentiers Pferd Pektine nur in einer sehr kurzen Wachstumsperiode (nämlich nach den Regenfällen des Winters) und auch nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen. Sie Hauptnahrungsquelle für Pferde waren in der Evolution schon immer andere Pflanzenfasern, im Wesentlichen Cellulose und Hemicellulose.
Die Pektin-abbauenden Mikroorganismen sind daher eigentlich immer im Dickdarm des Pferdes vorhanden, aber nur in sehr geringen Mengen. Und das ist gut so, denn sie bevorzugen ein saures Milieu und stellen um sicher herum üblicherweise pH-Werte um 5 herum ein. Die Cellulose-abbauenden Mikroorganismen, also das eigentliche Mikrobiom des Pferdes, benötigt aber pH-Werte im neutralen Bereich um 7.
Bei Wildpferden kann sich die Pektin-abbauende Fraktion also nur einen kurzen Moment lang vermehren, nämlich wenn die Steppe nach Regenfällen für wenige Wochen grün wird.
Dann verdorren die Pflanzen aufgrund von Wassermangel und für die nächsten 9-10 Monate gibt es wieder nur Cellulose, sodass diese Fraktion zurück geht und wieder von den Cellulose-abbauenden Mikroorganismen verdrängt wird. Füttert man nun aber den ganzen Winter über fleißig pektinhaltige Futtermittel, dann füttert man gezielt diese Fraktion heran.
Sobald ein solches Pferd auf das Weidegras kommt, gelangt in sehr kurzer Zeit sehr viel Pektin über das junge Frühlingsgras in den Dickdarm. Die gut vorbereitete Pektin-abbauende Fraktion kann sich also schlagartig vermehren, was zu einer schnellen Absenkung des pH-Werts und damit einem Massensterben von Mikroorganismen im Dickdarm führt, die mit den sauren pH-Werten nicht zurechtkommen. Sie lösen sich im Darmverlauf auf und geben ihre Inhaltsstoffe frei, die so genannten Endotoxine, die über die Darmwand aufgenommen werden können. Gelangen Endotoxine in größeren Mengen in die Blutbahn, können sie eine Hufrehe auslösen.
Über einen ähnlichen Mechanismus kann Fruktan Hufrehe auslösen, jedoch sind hier andere Mikroorganismen beteiligt, maßgeblich Milchsäurebakterien, wie sie z.B. über die regelmäßige Fütterung von Heulage, Bierhefe oder Produkten mit Milchsäurebakterien in den Dickdarm gelangen.
Nimmt das Pferd in dem Fall größere Mengen Fruktan auf (z.B. im Frühling bei warmen, sonnigen Tagen und kalten Nächten), gelangt das Fruktan in den Dickdarm und hier können sich die Milchsäurebakterien übermäßig stark vermehren.
Die von ihnen produzierte Milchsäure säuert das Darmmilieu sehr schnell an, sodass es ebenfalls zu einer Endotoxin-Rehe kommen kann. Dabei spielt es natürlich auch immer eine Rolle, welche Pflanzenzusammensetzung die Weide hat. Auf eine Magerrasenfläche, die im Bewuchs einer Steppe gleicht, kann ich auch solche Pferde mit Dysbiosen (Fehlgärungen, Verschiebungen im Mikromilieu des Dickdarms) relativ entspannt anweiden, da hier überwiegend krautige Pflanzen und Magergräser stehen, die nur geringe Pektingehalte haben.
Ist aber meine Weide eine schöne, blattreiche, grüne Wiese, dann sollte ich eher vorsichtig sein, denn hier ist viel Pektin in den Blättern und auf den meisten Weiden haben wir mittlerweile einen hohen Besatz an Leistungsgräsern, die wesentlich höhere Fruktangehalte bilden als Magergräser.
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