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Ursachen verstehen, Symptome erkennen und Risikofaktoren reduzieren

Typisch Rennpferd?

Lange galten Magengeschwüre als „Galopperkrankheit“. Es war bekannt, dass 80 –100 % der untersuchten Rennpferde unter Magengeschwüren litten. Man vermutete einen Gendefekt als Ursache der hohen Erkrankungsrate. Heute wissen wir es besser.

Vor einigen Jahren fanden Untersuchungen an klinisch gesunden Sportpferden statt und es wurde herausgefunden, dass etwa 80 – 90 % von ihnen ebenfalls Magengeschwüre hatten.

Mittlerweile wurden diese Untersuchungen auch an Freizeitpferden durchgeführt; von ihnen leidet jedes zweite – symptomatisch wohlgemerkt unauffällige! – Pferd unter Läsionen der Magenschleimhaut. Diese Untersuchungen führten dazu, dass sich Forscher eingehender mit dem Magen des Pferdes und den möglichen Ursachen für Gastritis (Magenschleimhautentzündung) und Ulzera (Magengeschwüre) auseinandersetzen.

Englisches Vollblut im Galopp auf der Koppel
© Condor 36/Adobe Stock

Wie arbeitet der Pferdemagen?

Pferde haben einen einhöhligen Magen; ihr Futter gelangt von der Speiseröhre hinein, wandert im Verlauf von üblicherweise etwa zwei Stunden hindurch und wird dann weiter in den Dünndarm transportiert.

Vorderer Magenbereich

Der Magen unterteilt sich in unterschiedliche Zonen, die das Futter nacheinander passiert. Im vorderen Bereich befindet sich eine Magenschleimhaut mit sehr dünner Schleim-Schutzschicht und weitgehend ohne eingelagerte Drüsen. Hier siedeln beim Pferd Milchsäurebakterien, die helfen, die Stärke im Nahrungsbrei „vorzuverdauen“; sie produzieren dazu Milchsäure, die den Nahrungsbrei auf einen pH-Wert von etwa 5–6 ansäuert. Darüber hinaus entstehen bei diesem Prozess in geringem Maß so genannte „flüchtige Fettsäuren“. Dazu gehören insbesondere Propionsäure, Essigsäure und Buttersäure. Im weiteren Verlauf, dem Fundus des Magens, sind spezielle Drüsen in der Magenschleimhaut eingelagert, die dem Nahrungsbrei vor allem ein Verdauungsenzym namens Pepsinogen zusetzen. Dieses wird im Kontakt mit den Säuren im weiteren Verlauf zu Pepsin aktiviert und beginnt im hinteren Magenanteil Eiweiße „vorzuverdauen“.

Hinterer Magenbereich

Im hinteren Magenbereich wird es richtig sauer. Hier geben Drüsen aus der Magenschleimhaut Salzsäure ab, die den Nahrungsbrei auf einen pH-Wert von ungefähr 3 weiter ansäuert. Die Magenschleimhaut ist durch eine dicke Schleimschutzschicht vor den Säuren geschützt. Die pH-Werte werden im Verlauf des Magens durch Puffersubstanzen stabilisiert, die im Speichel enthalten sind. So wird der Magen – trotz aller produzierten Säuren – im Normalfall nicht zu sauer. Die pH-Werte um 3 im hinteren Magenbereich sind notwendig, um das Pepsin zu aktivieren und stellen außerdem eine „Keimbarriere“ dar, damit nicht zu viele unerwünschte Mikroorganismen in den Darm eingetragen werden können.

Pferde sind Dauerfresser

Im natürlichen Zustand ist der Magen eines Pferdes nie leer. Das Pferd ist von der Natur als Dauerfresser von magerem Raufutter konzipiert, sodass ständig Futter aufgenommen wird und in den Magen gelangt. Bietet man Pferden Raufutter zur ständig freien Verfügung, stellt man fest, dass die vom Pferd selbst gewählten Fresspausen selten länger als zwei bis drei Stunden dauern. Selbst nachts fressen Pferde die meiste Zeit und schlafen nur in kurzen Sequenzen. Durch das ständige Kauen produzieren Pferde permanent Speichel, der die Magensäuren abpuffert. Kontinuierlich wird Futter durch den Magen transportiert – vom hohen pH-Wert am Mageneingang bis zum niedrigen pH-Wert am Magenausgang.

Was begünstigt Magengeschwüre?

Lange Fresspausen

Lange Fresspausen Ganz anders stellt es sich dar, wenn ein Pferd in „Mahlzeiten“ gefüttert wird, wie es in Ställen heute vielfach üblich ist. Dort kommt es, vor allem nachts, aber auch tagsüber auf dem Auslauf, zu langen Raufutterpausen. Fresspausen von deutlich mehr als vier Stunden sind keine Seltenheit. Etwa nach dieser Zeit aber wird das letzte Futter aus dem Magen in den Dünndarm weiter transportiert und der Magen des Pferdes läuft weitgehend „leer“. Auf diesen Zustand ist er nicht eingestellt. Die Drüsen produzieren ständig weiter Salzsäure, die das Milieu weiter ansäuert – bis hinab zu pH-Werten um 1,3. Wenn ein Pferd nicht frisst, steht außerdem kein Speichel zur Verfügung, um die entstehende Magensäure abzupuffern. Und es rückt kein Nahrungsbrei nach, der die Säuren aufsaugt und damit bindet. Die Säuren können vielmehr frei im Magen „herum schwappen“ und gelangen damit auch in den vorderen Magenbereich. Dieser Vorgang ist von der Natur nicht vorgesehen und entsprechend ist die Schleimhaut dort vor den Magensäure verätzt die Schleimhaut und verursacht Entzündungsreaktionen („Gastritis“) und langfristig Magengeschwüre.

Zu wenig Heu

Etwa 80 % der Magengeschwüre befinden sich im vorderen Magenbereich. Sie sind praktisch immer fütterungsbedingt und entstehen durch zu lange Raufutterpausen, insbesondere kombiniert mit insgesamt zu geringer Raufuttermenge. Je weniger Raufutter gefressen wird, desto weniger Speichel wird produziert. Pferde fressen deutlich hastiger, wenn sie in Mahlzeiten und nicht durchgehend gefüttert werden, und sie kauen dann insgesamt zu wenig; das macht nicht nur dem Magen, sondern auch im weiteren Verlauf dem Dickdarm Probleme. Heufütterung lässt sich nicht durch die Fütterung von Stroh ersetzen; die Gräser im Heu enthalten zusätzliche Substanzen, um den Magen abzupuffern, die im Stroh fehlen. Das Pferd kaut zwar und kann sich den Magen füllen, aber wenn es über Nacht so viel Stroh frisst, wie es Heu aufnehmen würde, um seinen Magen zu puffern, dann besteht das große Risiko einer Verstopfungskolik („Strohkolik“).

Stress

Zur Problematik durch unsachgemäße Fütterung kommt der Faktor Stress: Untersuchungen haben gezeigt, dass Stress einen erheblichen Anteil an der Entstehung und vor allem der Erhaltung von Magengeschwüren hat. Stressbedingte Magengeschwüre findet man vor allem im hinteren Magenbereich, obwohl der ja eigentlich gut vor den Säuren geschützt sein sollte. Der Grund hierfür ist, dass die Magenschleimhaut bei Stress deutlich schlechter als im Normalfall durchblutet ist. Bei kurzzeitigem Stress entstehen dadurch keine Probleme, wohl aber bei permanentem. Oft verursachen die Haltungsbedingungen den Dauerstress vieler Pferde (und der ist ihnen leider nicht unbedingt anzusehen). Ist die Magenschleimhaut für längere Zeit schlecht durchblutet, produziert sie zu wenig SchutzSchleimschicht. Die Säuren können dann diese ausgedünnte Schutzschicht infiltrieren und die Magenschleimhaut anätzen. Ist eine Stelle erst mal entzündet, wird dort noch weniger Schleim gebildet, sodass der Prozess – einmal begonnen – sich selbst verstärkt. Magengeschwüre sind sehr schmerzhaft. Schmerz erzeugt wieder Stress; damit entsteht ein Teufelskreis, aus dem ein Pferd ohne Hilfe häufig nicht heraus gelangt. Vor allem wenn beide Faktoren zusammen kommen – zu lange Raufutterpausen verbunden mit Dauerstress, womöglich kombiniert mit großzügigen Kraftfuttergaben – sind Magengeschwüre vorprogrammiert. Kraftfutter sorgt für einen starken Fermentationsprozess im vorderen Magenanteil, bei dem vermehrt flüchtige Fettsäuren entstehen. Diese sehr aggressiven Säuren können eine angegriffene Magenschleimhaut weiter schädigen.

Pferde brauchen und genießen den Kontakt zu Artgenossen. Manchmal entstehen jedoch Konflikte, die (dauerhaften) Stress verursachen können.

Woran erkennt man, dass das Pferd Magengeschwüre hat?

Was tun bei Magengeschwüren?

Besteht ein Verdacht auf Magengeschwüre, sollten zuerst die Haltungs- und Fütterungsbedingungen unter die Lupe genommen werden, und zwar auch dann, wenn sie einem gut, professionell und sachkundig erscheinen.

Ursachen ermitteln

Es empfiehlt sich sehr, aus der eigenen Perspektive kurz zurückzutreten und die Umgebung, in der man sein Pferd untergebracht hat, unter nüchternen und sachlichen Kriterien zu beurteilen. Manchmal fallen einem auf diese Weise Dinge auf, die man bislang nicht gesehen oder bewertet hat, weil sie einem sehr normal und gewohnt waren, die die Entstehung von Magengeschwüren aber trotzdem bedingen können. Sollte einem die Distanzierung schwer fallen oder man selbst keine Mängel entdecken, dann kann es helfen, eine nahestehende Person (möglichst unvoreingenommen hoffremd und nicht notwendig pferdefachkundig) mitzunehmen und „neutral“ nach vereinbarten sachlichen Kriterien beurteilen zu lassen:

• Hat das Pferd ständigen Zugang zu ausreichend Heu?
• Zeigt es eine oder mehrere der oben genannten Auffälligkeiten?
• Wirkt das Pferd zufrieden und ausgeglichen und ist gerne in seiner Gruppe?

Tagesablauf überprüfen

Gibt es Situationen in denen Aufregung, Unruhe, Hektik herrscht (sowohl unter den Tieren als auch mit Menschen, also Miteinstellern, Personal, Ausbildern, die im alltäglichen Ablauf vorkommen); zeigt sich das Pferd in bestimmten Situationen besonders aufgeregt, gestresst, zappelig, unnachvollziehbar (!) „zickig“ und angespannt?

Stressfaktoren abschalten

Es gibt sehr viele und unterschiedliche Umstände, die Dauerstress verursachen können. Kontaktieren Sie uns, wir helfen Ihnen gerne, mögliche Stressfaktoren herauszufinden. Sie müssen abgestellt werden, wenn einem Pferd nachhaltig geholfen werden soll.

Fütterung umstellen

Besteht der Verdacht auf Magengeschwüre muss Heu als Raufutter unbedingt permanent zur Verfügung gestellt werden, ggf. in engmaschigen Heunetzen – das gilt auch für nachts! Kraftfutter und jegliche Art von stärke- oder zuckerhaltigem Futter sollte zunächst vom Speiseplan gestrichen werden. Die Umstellung der Fütterung (falls bislang viel Kraftfutter und wenig Heu gefüttert wurde) muss langsam über etwa vier Wochen erfolgen, um weiteren Gesundheitsproblemen vorzubeugen. Sind die möglichen Ursachen abgestellt, ist es in den meisten Fällen dringend angeraten, das Pferd therapeutisch zu unterstützen. Bei Magengeschwüren eignet sich OKAPI GasterCare und über einen begrenzten Zeitraum die Gabe von OKAPI Süßholzextrakt oder, alternativ zum Süßholzextrakt, Lapachotee, wenn beispielsweise ein Verdacht auf Insulinresistenz oder Cushing besteht. Welche Therapie für Ihr Pferd geeignet ist, hängt von der Stärke der Symptome, deren Begleiterkrankungen und davon ab, wie lange die Magengeschwüre bereits bestehen (das kann man als Pferdebesitzer natürlich oft nur schätzen).

Wenn Sie Magengeschwüre oder Magenschleimhautentzündung bei Ihrem Pferd vermuten, sprechen Sie uns gerne für eine individuelle Beratung an.