Genetik
Immer mehr Pferde werden mit dem PSSM Gen diagnostiziert, vor allem unter den Westernpferden, da hier das Testen auf Gene wesentlich häufiger veranlasst wird als in anderen Rassen. Dabei ist sowohl aus systematischen Untersuchungen als auch aus der Praxiserfahrung heraus mittlerweile bekannt, dass PSSM genetisch bei fast allen Rassen auftritt, nur in unterschiedlicher Häufigkeit.
Auch gibt es eine große Anzahl von Fällen mit klinisch manifestem PSSM, die aber genetisch negativ sind. Fakt ist jedoch, dass für den Züchter die Diagnose „PSSM positiv“ für seinen Nachwuchs oft weitgehend fatal ist, weil für ein solches Pferd längst nicht so viel Geld ausgegeben wird, wie für ein „gesundes“.
Aber wird das Pferd krank?
Dabei wird immer wieder vergessen, dass das Vorhandensein einer genetischen Variation noch lange nicht bedeuten muss, dass ein Tier krank ist. Gerade im Fall von PSSM ist das Auftreten des Gens nur der Hinweis auf eine Prädisposition, also eine Veranlagung. Ob PSSM sich dann als Erkrankung manifestiert oder nicht, das hängt einzig und allein von den Lebensumständen ab, nämlich von Haltung, Bewegung und Fütterung.
Insofern ist PSSM eigentlich die ultimative Zivilisationerkrankung, denn sie bricht nur aus, wenn die Pferde sich zu wenig bewegen und gleichzeitig zu reichhaltig gefüttert werden.
Der Trend in unseren Breitengraden, die Pferde nicht mehr als Arbeits- oder Sporttiere einzusetzen, sondern die meisten Zeit herumstehen zu lassen, kombiniert mit dem heute viel nahrhafteren Heu und oft großzügiger Fütterung von Müslis, Karotten und diversen Leckerchen, ist das eigentliche Problem.
Denn PSSM bedeutet eigentlich das Gegenteil von Insulinresistenz (Diabetes). Bei der Insulinresistenz nimmt die Muskelzelle nicht mehr in ausreichendem Maß Zucker auf.
Beim PSSM genau das Gegenteil, schon geringste Anstiege im Insulinspiegel sorgen dafür, dass die Muskelzellen in hohem Maß Zucker aufnehmen. Für Wildpferde, die in Steppen, Halbwüsten oder kargen Tundra-Landschaften leben, also ein genialer Überlebenshelfer: schon die geringesten Energiemengen reichen aus, damit die Muskeln viel Energie für ihre Arbeit, also die Fortbewegung haben. Fatal aber, wenn man energiereiches Futter gibt und das Pferd nur im Offenstall herumsteht.
Die Fütterung
Der Trend, solchen Pferden dann eine Fütterung aus Fett und Eiweiß zu geben, damit sie genügend Energie bekommen, geht komplett an den Bedürfnissen des Organismus’ vorbei. Statt dessen muss man solche Pferde füttern und halten, wie die Wildpferde es vormachen: karge Kost und viel Bewegung. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass man auf diesem Weg nicht nur PSSM-Ausbruch vermeiden kann, sondern dass etwa 75% der klinisch erkrankten Pferde auf diese Weise auch wieder gesund werden.
Für die Praxis heißt das: Heuproben einschicken und Nährwerte kontrollieren. Zuckerwerte sollten unbedingt <10% sein, besser <6%. Eiweiß und Fett darf ruhig etwas höher sein. Solch zuckerarmes Heu darf und muss dann auch über 24 Stunden immer zur Verfügung stehen, denn auch Pferde mit PSSM sind Dauerfresser und Futterpausen sind fatal für ihre Gesundheit.
Finger weg von allem, was man sonst so in den Trog schüttet – auch getreidefreie oder fett- und eiweißreiche Müslis sind hier tabu! Die Pferde bekommen schon aus ihrem mageren Heu reichlich Energie, da muss nichts zugefüttert werden. Hat man eiweißarmes Heu, dann darf Eiweiß ergänzt werden, aber bitte faserbasiert, also als Esparsette, Vitalcobs oder Luzerne. Dazu ein ordentliches (zucker- und stärkearmes!) Mineralfutter, ein Salzleckstein und reichlich frisches Wasser.
Bewegung!
Den Rest kann und muss man über Bewegung managen. Pferde mit einer Veranlagung zu PSSM müssen jeden Tag gezielt bewegt werden, hier reichen der Offenstall und selbst der Paddock Trail nicht aus. Einmal am Tag „wet blanket riding“ ist Pflicht, also so reiten, dass die Satteldecke mal gut nassgeschwitzt ist.
Das leert die Energiespeicher in den Muskeln und hilft dabei, dass PSSM sich nicht als Krankheit manifestiert. So ist ein Pferd mit PSSM Veranlagung sehr günstig im Unterhalt, denn man spart viel Geld für Kraftfutter und hat trotzdem jeden Tag ein leistungswilliges Pferd unter dem Sattel.
Sollte bei einem Pferd PSSM schon klinisch manifestiert sein, dann bitte nur unter therapeutischer Begleitung füttern und arbeiten. Solche Pferde können mit dem richtigen Management wieder gesund werden und dann auch bleiben, aber man sollte für diesen Weg jemanden fragen, der sich damit auskennt.
Mehr dazu: Geballtes Wissen #23 PSSM2 Modediagnose oder genetische Krankheit? oder Verdacht auf PSSM- Was tun?
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