Ausreichend Schlaf ist für die Gesundheit ausgesprochen wichtig. Das weiß jeder, der schon mal phasenweise oder dauerhaft unter Schafmangel gelitten hat. Man fühlt sich nicht mehr leistungsfähig, ist genervt, kann sich schlechter konzentrieren und wird krankheitsanfälliger. Für den Menschen ist das per se nichts Neues. Wir haben es ein Stück weit selbst in der Hand, ob wir unsere Umstände verbessern oder weiterhin die Müdigkeit mit Kaffee kompensieren.
Doch wie sieht das eigentlich mit dem Schlaf unserer Pferde aus?
Das Thema Schlaf wird häufig eher stiefmütterlich behandelt. Während Trainings- und Ausbildungskonzepte, Verhalten, Fütterung und Ausrüstung schon eher im Fokus der Pferdebesitzer stehen, bekommt man in der Regel von dem Schlafverhalten seines Pferdes eher weniger mit. Das mag daran liegen, dass wir üblicherweise nur für einen Zeitraum von wenigen Stunden im Stall sein können und alles, was davor und danach geschieht, sich unserer Kenntnis weitestgehend entzieht.
Die Forschung hat sich bisher auch noch nicht ausgiebig mit dem Schlaf des Pferdes befasst. Es gibt nur wenige Studien und dazu recht unterschiedliche Angaben über das Schlafbedürfnis und die Gesamtruhezeiten des Pferdes. Dies liegt vor allem daran, dass die früheren Studien hauptsächlich auf Beobachtungen basierten. Hierdurch ließ sich, vor allem am stehenden Pferd, jedoch nicht valide unterscheiden, wann das Pferd lediglich ruht und wann es tatsächlich schläft. Neuere Studien zum Schlafverhalten konnten das aufgrund mobiler Forschungsgeräte zwar genauer herausfinden (Kalus 2014 + Fuchs 2017), legten ihren Fokus aber lediglich auf die Nachtruhezeiten.
Pferde brauchen weniger Schlaf als Menschen
Den Ergebnissen ist gemein, dass das Pferd im Vergleich zu uns Menschen und anderen Säugetieren deutlicher weniger schläft. Die geschätzte Gesamtruhezeit pro Tag beträgt 5 – 9 Stunden. Diese Zeitspanne schläft das Pferd jedoch nicht in einem durchgehenden Block durch, sondern zeigt ein polyphasisches Schlafmuster. Das bedeutet, dass sich über 24 Stunden mehrere Wach- und Schlafphasen abwechseln. Zudem muss über die Gesamtdauer auch betrachtet werden, dass das Pferd überwiegend über kürzere Zeiträume im Stehen döst und im Vergleich dazu nur wenige Stunden im Liegen tief schläft oder sich in der REM-Schlafphase befindet.
Die Dauer der einzelnen Schlafphasen variiert dabei teilweise erheblich. Zieht man aus den Ergebnissen der Studien einen Durchschnitt, kann man die am häufigsten dokumentierte Dauer einer „Schlafeinheit“ zwischen 30 und 40 Minuten mitteln. Zusammenhängende Schlafphasen im Liegen über 60 Minuten sind beim adulten Pferd wesentlich seltener beobachtet worden.
Schlaf ist nicht gleich Schlaf
Während einer Schlafphase finden verschiedene Schlafarten statt, die sich vereinfacht in drei verschiedene Typen aufgliedern lassen:
- Dösen/ Leichtschlaf
- Tiefschlaf (auch als „slow wave sleep“ oder „SWS-Schlaf“ bezeichnet)
- REM-Schlaf
Im Stall findet man sein Pferd tagsüber recht häufig dösend vor, insbesondere zu den Zeiten, wo wenig los ist, beispielsweise während der Mittagshitze. Dabei belastet das Pferd einen Hinterhuf, während der andere abgewinkelt auf der Spitze ruht. Der Kopf wird ungefähr auf Widerristhöhe gehalten, es hat die Augen halb geschlossen und lässt meist auch noch die Unterlippe etwas hängen. Diese Art des Stehens ist für das Pferd ermüdungsfrei, da es durch eine spezielle Struktur in den Muskeln und Sehnen der Hinterbeine über einen passiven Stehapparat verfügt – die sogenannte Spannsägenkonstruktion. Für das Fluchttier Pferd ist das eine wichtige Eigenschaft, da es durch das Ruhen im Stehen sich erholen kann, aber dennoch schnellstmöglich vor Fressfeinden flüchten kann, sollte es aufgeschreckt werden.
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Zum Tiefschlaf müssen Pferde liegen
Der Tiefschlaf findet bevorzugt im Liegen statt, soll aber in geringen Teilen auch im Stehen möglich sein.
Meist liegt das Pferd hierfür in Brustlage. Der Kopf kann getragen werden oder auf oder bis kurz vor dem Boden abgesenkt sein. Der Tiefschlaf stellt die intensivste Form des Ausruhens dar. Die Pferde nehmen hierbei kaum noch Umwelteinflüsse war. Wichtige Stoffwechselprozesse, wie die Proteinsyntheserate, sind in diesem Zustand am höchsten. Diese Schlafphase ist für die Reparaturvorgänge im Körper von großer Bedeutung.
Der REM-Schlaf findet ausschließlich im Liegen statt. Üblicherweise liegt das Pferd hierbei flach auf der Seite, da es während dieser Schlafphase zu einer kompletten Muskelrelaxation kommt. REM ist die Abkürzung für Rapid-Eye-Movement, da es hierbei zu schnellen und gegenläufigen Augenbewegungen kommt. Zudem kommt es zu vermehrter Gehirnaktivtät.
Der REM-Schlaf ist ein äußerst wichtiger Bestandteil des Pferdeschlafs. Man geht derzeit davon aus, dass das Pferd innerhalb von 24h insgesamt ca. 30min im REM-Schlaf verbringt, sofern es sich sicher genug fühlt, um sich für das Schlafen hinzulegen.
Hauptruhezeiten
Meist legen sich die Pferde dann ab, wenn im Stall Ruhe herrscht. Gegen Mittag oder auch von Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden sind recht typische Zeiten, in denen sich die Pferde zum Schlafen ablegen, wobei meist ein oder wenige Pferde als Wächter im Stehen dösen. Nach einiger Zeit wird getauscht und die Wächter legen sich zum Schlafen ab, während „ausgeschlafene“ Herdenmitglieder die Wache übernehmen.
Gerade in der Zeit zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens legen sich die Pferde bis zu 5 Mal ab. Insgesamt wurden durchschnittliche Liegezeiten von 2-3,5 Stunden beobachtet. Ca. 65% dieser Zeit werden im Tiefschlaf verbracht und ca. 15% in der REM-Schlafphase. Die restlichen 20% nimmt der Leichtschlaf ein.
Pferde haben ein gutes Zeitgefühl und richten sich mit Ihren Schlafenszeiten nach möglichen Störungen wie Stallarbeiten oder Trainingszeiten. Demnach tut man den Pferden mit zeitlichen Routinen im Stallalltag durchaus einen Gefallen, da sie ihre Schlaf- und Ruhezeiten auf die Aktivitäten der Menschen abstellen.
Meist bleibt es lange verborgen, wenn ein Pferd unter Schlafmangel leidet
Der Mangel an Tief- und REM-Schlaf kann für ungefähr ein bis maximal zwei Wochen einigermaßen kompensiert werden. Hat das Pferd über diesen Zeitraum hinaus nicht die Möglichkeit, mindestens 1,5 – 2 Stunden am Tag im Tiefschlaf zu verbringen, spricht man bereits von einem Schlafmangel, der sich negativ auf die Gesundheit des Pferdes auswirkt.
Leistungsabfall und Müdigkeit können auf vielerlei Thematiken zurückzuführen sein. Man sollte jedoch spätestens dann aufmerksam werden, wenn das Pferd Verletzungen an der Vorderseite der Fessel- und/oder Karpalgelenke der Vorderbeine aufweist, die immer wieder auftreten oder auch gar nicht mehr richtig verheilen wollen. Die Wunden entstehen, wenn Pferde so müde sind, dass aus Dösen Tiefschlaf wird und sie zusammenbrechen und mit den Gelenken auf dem Boden aufschlagen.
„Narkolepsie“ nicht auf die leichte Schulter nehmen
Beobachtet man das Pferd dabei, wie es beim Dösen mit der Vorhand einknickt oder sogar zu Boden stürzt, ist dies ein klares Warnsignal, dass das Pferd schon lange unter Schlafmangel leidet, was häufig als „Narkolepsie“ bezeichnet wird, aber nichts mit der gleichnamigen Krankheit beim Menschen zu tun hat.
Ursächlich ist regelmäßig die Tatsache, dass sich das Pferd nicht mehr ausreichend hinlegt. Es kann somit die wichtigen Tiefschlaf- und vor allem die REM-Phasen nicht erreichen. Die REM-Schlafphase ist für die Pferde jedoch enorm wichtig. Man konnte inzwischen herausfinden, dass die Symptome für Narkolepsie beim Pferd nicht genetisch bedingt, sondern auf einen Mangel an REM-Schlaf zurückzuführen sind.
Es gilt also an dieser Stelle herauszufinden, warum sich das Pferd nicht mehr oder nicht mehr oft und lange genug zum Schlafen ablegt.
(Mehr Infomationen zum Thema Narkolepsie gibt es hier: https://wissen.sanoanimal.de/2023/03/08/geballtes-wissen-narkolepsie-wenn-pferde-beim-dosen-umfallen/)
Auch Pferde mögen weiche Betten
Eine wichtige Grundvorrausetzung dafür, dass das Pferd sich zum Schlafen hinlegt, ist nicht nur das Gefühl der Sicherheit, sondern vor allem auch eine geeignete Liegefläche. Diese sollte groß, rutschfest, überdacht, trocken, sauber und gut eingestreut sein. In der Box sollte das Pferd sich hinlegen können, ohne unter normalen Umständen Gefahr zu laufen, sich festzuliegen. Es konnte festgestellt werden, dass sich die Pferde bis zu 30% weniger hinlegen, wenn die Boxengröße im Verhältnis zu ihrer Körpergröße kleiner als gesetzlich vorgeschrieben ist.
Laut Tierschutzgesetz muss die Boxengröße mindestens 2x die Widerristhöhe zum Quadrat betragen. Nimmt man als Beispiel den 1,7m großen Standard-Warmblüter, beträgt die vorgeschriebene Boxengröße für dessen Körpergröße damit mindestens 11,56m², also fast 12m2, was einer 3x4m großen Box entspricht. Das ist wohlgemerkt die minimale Boxengröße! Hinsichtlich des Liegekomforts gilt: Je mehr Platz, desto besser.
Schlafmangel ist in Offenstallgruppen eher die Regel als die Ausnahme
Bei einer Gruppenhaltung sollte die überdachte Liegefläche so groß sein, sodass theoretisch alle Pferde der Gruppe gleichzeitig mit genügend Individualdistanz liegen können. Denn in der Gruppe wird gerne auch gemeinsam geruht. Einige Pferde bleiben stehen und dösen oder halten Wache, während die anderen sich sicher fühlen, hinlegen und schlafen können. Wer Wache hält und wer schläft, wechselt sich ab.
Ist die Gesamtliegefläche für die Gruppe zu klein, haben rangniedrige Pferde das Problem, dass sie zum Beispiel bei schlechtem Wetter keinen geeigneten Schlafplatz finden und sich nicht ablegen können. Ein Pferd würde sich üblicherweise nicht zum Schlafen in den Matsch legen, das passiert nur, wenn wie vor Müdigkeit zusammenbrechen. Diese Situation entsteht aus der Not heraus und ist ein dickes, rotes Alarmsignal!
Pferde bevorzugen im Liegebereich Stroh vor einer Späne Einstreu, Späne vor Gummimatten oder dem blanken Boden. Gummimatten sind zwar weicher als Stein- oder Holzboden und sicher eine angenehme Neuerung für den Stall im Bezug auf die Isolierung vor Bodenkälte. Allerdings müssen Gummimatten in Liegebereichen immer in Verbindung mit ausreichend sauberer und dicker Einstreu darüber verwendet werden, um für die Pferde wirklich komfortabel zu sein. Harte Oberflächen werden nachweislich zum Hinlegen gemieden, dazu gehören auch befestigte Ausläufe, geschotterte Trails oder betonierte Stallbereiche. Sand- oder Wiesenboden lädt hingegen zum Hinlegen ein, allerdings nur bei Trockenheit und nicht, wenn der Boden nass ist.
Welche Pferde sind prädestiniert für Schlafstörungen?
Durch Stressfaktoren wie z.B. einen Stallwechsel, Klinikaufenthalt, einen Wechsel des Boxennachbarn, neue Pferde in der Gruppe oder eine unruhige oder schlecht sozialisierte Gruppe kann das Schlafverhalten empfindlich gestört werden.
Gerade bei alten und/oder rangniedrigen Pferden sollte man dringend darauf achten, ob sich diese noch regelmäßig zum Schlafen hinlegen können oder sie in der derzeitigen Gruppenhaltung gestresst wirken.
Schlafmangel kommt im Offenstall weitaus häufiger vor als im Boxenstall!
Die Lösung kann hierbei für das eine oder andere rangniedrige oder alte Pferd sein, sie für die Nacht in eine gut eingestreute Box oder einen abgesonderten, eingestreuten Bereich zu stellen, wo sie in Ruhe fressen und schlafen können.
Manchmal ist die bestehende Gruppe für das individuelle Pferd auch einfach nicht passend. Wird es von den anderen immer wieder vom Futter und auch vom Liegeplatz verscheucht, findet selbst zum Dösen kaum eine ruhige Ecke oder ist es zwar ranghoch, nimmt seinen Job aber zu ernst und ist damit überfordert, sollte ein Wechsel der Gruppe oder der Haltungsform überdacht werden.
Ebenso können körperliche Schmerzen im Abliege- und/oder Aufstehprozess dafür verantwortlich sein, dass sich die Pferde nicht mehr oft ablegen wollen. Das ist vor allem bei älteren Pferden und solchen mit Arthrosen oft ein Grund für Schlafmangel. Hier sollte nach der Ursache geforscht und die Schmerzen therapeutisch adressiert werden.
Wie ist das also jetzt mit dem Schlaf bei meinem Pferd?
Schlaf ist ein wichtiger Faktor für die mentale und körperliche Gesundheit des Pferdes. Es ist wichtig, dass sich das Pferd zum Schlafen ablegen kann, um die erholsamen Tiefschlaf- und REM-Schlafphasen zu erreichen. Diese Schlafphasen sind auch essenziell für einen gut funktionierenden Stoffwechsel.
Deswegen sollten wir unser Augenmerk immer auch darauf richten, dass unsere Pferde in ihrer derzeitigen Haltungsform gute Voraussetzungen dafür haben, ihrem individuellen Schlafbedürfnis nachzukommen. Denn im Gegensatz zu uns Menschen können sich die Pferde in dieser Situation nicht selbst helfen, sondern brauchen das aufmerksame und lösungsorientierte Auge Ihres Besitzers.
Quellen:
Zeitler-Feicht, M.H. (2001): Durch Haltungssysteme Pferd. Pferdeland, Sonderausgabe bedingte Verhaltensstärungen beim (2. Pferdetag in Mecklenburg- Vorpommernl, 5-10
Zeitler-Feicht, M.H.; Muggenthaler, Haltung in Abhängigkeit K. (2013): Zum Liegeverhalten von Pferden in Gruppen von der Liegeplatzgestaltung Tierarzt 94(5) S. 420-428 und Rangord
Kalus, M. (2014): Schlafverhalten und Physiologie des Schlafes beim Pferd auf der Basis polysomnographischer Untersuchungen. Ludwigs-Maximilians-Universität München
Aleman, M.; Williams, D.C.; Holliday, T. (2008): Sleep and sleep disorders in horses. Paper presented at the Proceedings of the 54th annual convention of the AAEP, San Diego, USA
Fuchs, Christine (2017): Narkolepsie oder REM-Schlafmangel?: 24-Stunden-Überwachung und polysomnographische Messungen bei adulten „narkoleptischen“ Pferden. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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