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Hast du dich auch schon einmal gefragt, warum die eine Weide schon braun und scheinbar abgestorben ist und andere Weide noch grün? Nebeneinander, gleiches Klima, gleiches Wetter, der gleiche Boden – und dennoch so unterschiedlich. Woher kommt das?

Dichte und Höhe der Pflanzen

Natürlich spielen die Beweidungshäufigkeit und -intensität eine maßgebliche Rolle, also wie oft und wie lange ich meine Pferde auf die Weide lasse bzw. wie viel Erholungszeit ich ihr zwischendurch gebe. Und ganz wichtig: wie tief ich das Gras abfressen lasse!

Aber was passiert denn da auf der Weide?

Ist die Weide kurz abgefressen, dringen die Sonnenstrahlen bis zum Boden durch und der heizt sich auf. Jeder kennt das vom Besuch im Eiscafé: wir suchen uns da gerne ein schattiges Plätzchen. Der Unterschied zwischen einem Schattenplatz und einem Platz in der prallen Sonne ist so groß, dass er über die Qualität unseres Cafébesuchs entscheiden kann.

Auf der Weide kannst du das ganz einfach mal ausprobieren mit einem handelsüblichen Thermometer (da reicht sogar ein Fieberthermometer): Einfach mal auf einer abgefressenen Weide und einer hochstehenden Wiese auf den Boden legen und die Temperaturen messen.

Du wirst feststellen, dass der Boden in der prallen Sonne locker über 15°C wärmer ist als der Boden unter einem dichten Grasbestand. Bis zu 28°C Temperaturunterschied können an heißen Sommertagen hier gemessen werden (abhängig von Klima, Feuchtigkeit, Boden, Bewuchs etc.).

Je wärmer der Boden ist, umso schneller trocknet er aus. Da reden wir dann schnell von einem Unterschied von 3-4 Litern Wasser mehr, die da im Extremfall an einem Sonnentag aus einem Quadratmeter Boden gezogen werden. Umgerechnet also 40.000 Liter Wasser pro Hektar Weide, die durch Verdunstung verloren gehen. Das entspricht der Menge Wasser, die uns ein guter Landregen in 2 Stunden schenkt.

Die Verdunstung nimmt natürlich mit der Zeit deutlich ab, gemäß dem Motto „wo nix ist, kann man nix mehr holen.“ Die Erwärmung des Oberbodens wirkt jedoch, bei dauerhafter Bestrahlung durch die Sonne, bis tief in den Boden hinein und holt auch dort noch Wasser raus.

Die Pflanzen, vor allem zunächst die Gräser, verdursten hier regelrecht!

In Zeiten des Klimawandels werden aus heißen, trockenen „Ausreißer-Jahren“ zunehmend „Einreißer-Jahre“. Die „Jahrhundertsommer“ sind das neue Normal. Es ist illusorisch zu glauben, dass wir jetzt innerhalb weniger Jahre die Uhren zurückdrehen und den Klimawandel ungeschehen machen können. Stattdessen werden wir lernen müssen, mit den veränderten Bedingungen umzugehen.

Es ist also Zeit das Thema der Weidemanagement mit Blick auf den Klimawandel ganzheitlich anzugehen, damit wir auch in 10 Jahren noch Weiden und keine Steppen oder Halbwüsten haben.

Die Gute Pferdeweide“ startet deshalb jetzt das Projekt „Klimaweide“
Ziel: Anpassung bestehender Weiden an die Herausforderungen des Klimawandels und die Bedürfnisse der Pferde.

Schritt 1: Bestandaufnahme und Erfassen von bereits erfolgreichen Weidemaßnahmen, um die schon existierenden Erfahrungen zu nutzen.
Schritt 2: Entwicklung von Standards und Empfehlungen für praxisnahe, gleichermaßen klima- und pferdegerechte Weidemodelle.

Was können wir jetzt schon als Einflussfaktoren festhalten?

Schatten nimmt der Sonne die Kraft

Schatten für den Boden können wir bereitstellen, durch dichte artenreiche, an den Standort angepasste Grasnarben. Regelmäßiges Nach- oder Übersäen der Weiden sollte zur Notwendigkeit für jeden Pferdeweidebesitzer werden, um trockenheitsresistente Gräser und standortpassende Kräuter anzusiedeln und zu stärken.

Auch ungiftige Bäume und Sträucher bieten Schatten für Boden und Pferde. Früher stand vor jedem Bauernhaus entweder ein Nussbaum oder ein Kastanienbaum. Die schaffen ein wunderbares Mikroklima, das auch die Pferde gerne zum Dösen in der Mittagshitze genießen. Sie sind fliegenabweisend und sorgen für angenehme Luft unter ihrem dichten Blätterdach.

Um schnell Schatten zu erhalten, sind Birken, Weidenbäume oder Holundersträucher gut geeignet: anspruchslos und frohwüchsig. Auch Weißdornsträucher lassen sich mit ein bisschen Pflegeaufwand gut in eine Weidelandschaft integrieren. Bäume und Hecken brechen darüber hinaus den Wind, was ebenfalls für geringere Verdunstung sorgt, Bodenerosion vorbeugt und bei einem Sommersturm gerne von den Pferden als Schutz genutzt wird.

Hier ein paar Bespiele für Heckenpflanzungen für Pferdeweiden:

Kreuzstrauchgruppe:

Zeichnung Bäume

Die Pferde haben vier Richtungen in die Strauchgruppe hinein und drei wieder raus. Je nachdem, welche Richtung die Pferde präferieren, kann man die anderen Richtungen zuwachsen lassen.

Baum-und-Busch-Allee:  

Zeichnung Bäume

Hier gilt als Faustregel: Pflanzung quer zur Windrichtung bei stetem Wind (z.B. Küstenregionen), längs der Windrichtung, wenn es viele Stechinsekten gibt (z.B. Feuchtwiesen) und pro Baum zwei Büsche dazwischen.

Pferde-Karree:

Zeichnung Bäume

Bei dieser Pflanzung kann man die Pferde bestimmen lassen, wie sich die Strauchgruppe entwickelt. Das ermöglicht es ihnen, den für sie optimalen Schatten, Wind- und Ungezieferschutz zu formen.

Dichte Wälder und Baumgruppen werden von Pferden als Schattenspender oft nicht so gut angenommen. Da steht die Herde, trotz sengender Sonne, oft irgendwo am Zaun, anstatt im kühleren Wald. Pferde sind Fluchttiere und wollen den Horizont beobachten können. Locker auf der Weide verteilte Bäume sind hingegen erste Wahl.

Unterstände sind als Schattenspender für Pferde besser als direkte Sonneneinstrahlung. Aber jeder, der einmal von einem Unterstand in einen Wald oder zurück gewechselt hat, merkt sofort den Unterschied des Raumklimas. Wenn kein Wind durch einen an drei Seiten geschlossenen Unterstand geht, kann die Luft darin ganz schön stickig werden. Außerdem hält das Dach sowohl Sonne auch Regen ab, sodass zwar ein kleiner Teil des Bodens beschattet ist, aber hier dennoch nichts mehr wächst.

Fazit:

Wenn wir über unsere Pferdeweiden im Klimawandel nachdenken, geht es um zwei Gesichtspunkte.

Die Weide als Organismus stärken und widerstandsfähiger machen gegen Wetterextreme – und das braucht mehr als nur grüne Gräser.

Unseren Pferden, entsprechend ihren Ansprüchen und Bedürfnissen, eine möglichst artgerechte Umgebung zu bieten.

Das erreichen wir durch ein intensives und achtsames Beobachten der Pferde und der Weiden, durch Experimentieren mit neuen Ideen und Ansätzen und einen permanenten Lernprozess.

Gastautor Helmut Muß von Die gute Pferdeweide