Man hört es immer öfter: Desinfektionsmittel für Heu. Aber was können wir von den Werbeversprechen über Konservierungs- und Desinfektionsmittel halten? Super Lösung für problematische Heuqualität oder Super-GAU für die Verdauung?
Wieso gibt es immer weniger qualitativ gutes Heu?
In den letzten Jahren ist das Wetter im Sommer immer unberechenbarer geworden. Längere Trockenperioden werden seltener und Starkregenereignisse häufiger, sodass die Herstellung von qualitativ gutem und vor allem trockenem Heu zunehmend schwierig ist. Wie schön wäre es da, wenn es eine Möglichkeit gäbe, ein nicht optimal getrocknetes Heu zu konservieren, oder auch Schimmelsporen im Heu zu neutralisieren.
Der Restfeuchtegehalt sollte bei gutem Heu unter 14% liegen, das ist in manchen Sommern so gut wie unmöglich. Aber auch feuchte und warme Winter verstärken das Problem des Heu-Verderbs. Wenn die Winertage kalt und trocken sind, können sich die im Naturprodukt Heu immer vorhandenen Mikroorganismen nur wenig vermehren. Sind die Winter jedoch so, wie wir sie in den letzten Jahren hatten, nämlich feucht und warm, dann finden die schon bei der Ernte selbst im besten Heu vorhandenen Mikroorganismen erstklassige Bedingungen, sich während der Lagerung zu vermehren. So kann ein top geerntetes und wirklich trocken eingebrachtes Heu trotzdem am Ende des Winters verpilzt sein.
Inzwischen gibt es zahlreiche Mittel, die bei schimmeligem Heu Abhilfe schaffen sollen. Dazu gehören in erster Linie Konservierungsmittel. Kaliumsorbat, Natriumbenzoat und Natriumpropionat stammen eigentlich aus der Silageherstellung. Sie werden aber zunehmend dafür beworben, dass das Heu bereits mit einem Restfeuchtegehalt von 75% (im Vergleich: gutes Heu sollte eigentlich 10-14% haben!) geerntet werden kann, wenn es direkt bei der Ernte damit versehen wird. Es gibt aber auch Mittel, die erst nach der Ernte beziehungsweise kurz vor dem Verfüttern zugesetzt werden, allerdings ist das Heu zum Zeitpunkt des Verfütterns ja dann meist schon verdorben.
Für Heu, das mit den Konservierungsmitteln aus der Silageherstellung behandelt wurde (auch als „konserviertes“ oder „eingespritztes“ Heu bezeichnet), gilt im Prinzip dasselbe, wie für die Fütterung von Heulage. Diese Mittel säuern das Heu stark an und durch den niedrigeren pH-Wert vergeht den Mikroorganismen das Wachsen. Dem Magen und Darm des Pferdes bekommt dies allerdings überhaupt nicht.
Bei den Mitteln, die man kurz vor dem Verfüttern auf das Heu gibt, handelt es sich um sogenannte Desinfektionsmittel für Heu, die im Wesentlichen aus Wasser bestehen.
Natriumhypochlorid wird in Schwimmbädern und auch im Trinkwasser verwendet, wenn eine Verkeimung vorliegt, beziehungsweise um das Wasser generell zu desinfizieren. Jeder, der schonmal im Urlaub gechlortes Wasser aus der Leitung getrunken hat, kann nachvollziehen, dass das kulinarisch kein Highlight ist.
Laut Herstellerangaben soll Natriumhypochlorid für Pferde völlig unbedenklich sein, auch wenn das Heu täglich damit behandelt wird. Leider fehlen dazu jegliche Studien, die das auch nachweisen. Jeder der sich öfters im Schwimmbad aufhält weiß, wie sich Chlordämpfe auf die Schleimhäute auswirken. Pferde haben sehr viel sensiblere Schleimhäute als Menschen und es ist nur schwer vorstellbar, dass „gechlortes Heu“ auf Dauer den Pferden schmeckt.
Aber das Schmecken ist ja nur die eine Seite der Medaille.
Viel wichtiger ist die Frage: Was passiert mit den Schleimhäuten im Maulbereich und auch im Magen-Darm-Trakt?
Wird Hypochlorsäure in größeren Mengen verwendet, beziehungsweise in geschlossenen Räumen, so reizt das die Schleimhäute. Hustenreiz, Bindehautentzündungen und Lungenprobleme können die Folge sein. So stehen Chlordämpfe auch im Verdacht, bei sehr kleinen Kindern die Entstehung von Asthma zu begünstigen. Bisher gibt es keinerlei Untersuchungen, was passiert, wenn dauerhaft ein mit Chlor desinfiziertes Heu vom Pferd gefressen wird. Gut vorstellbar, dass es weder für die Schleimhäute im Magen noch für die Darm gut verträglich ist, ganz abgesehen von den Auswirkungen des Desinfektionsmittels auf das wichtige Mikrobiom des Dickdarms.
In weiteren Desinfektionsmitteln für das Heu ist 1,2 Propandiol enthalten, vor dessen Verzehr besonders Allergiker gewarnt werden, also genau die Zielgruppe, die eigentlich kein staubendes Heu erhalten sollte. Auf keinen Fall sollte man auf die Idee kommen, damit das Heu zu bedampfen, da Aldehyde wie z.B. das giftige Formaldehyd entstehen können.
Aber was ist die Alternative?
Wenn das Heu tatsächlich so staubt, dass es eine gesundheitliche Belastung für die Pferde darstellt und man dieses Heu unbedingt aber füttern muss, da kein anderes zur Verfügung steht, dann ist Bedampfen derzeit die einzige funktionierende und für das Pferd nicht schädliche Methode, um die Schimmelpilze und sonstige Verderb-Mikroorganismen unschädlich zu machen. Beim Bedampfen werden Temperaturen von circa 90 Grad erreicht und die vorhandenen Mikroorganismen zuverlässig abgetötet.
Ein so ein bedampftes Heu sollte auch sofort verfüttert werden und nicht zu lange gelagert werden, da ansonsten wieder unerwünschte „Untermieter“ das feuchte Heu besiedeln können. Dazu kommt, dass es recht aufwendig ist, das Heu für einen ganzen Stall zu bedampfen. Aber es stellt zumindest für die Ballen, die qualitativ nicht mehr einwandfrei sind, eine sinnvolle und gesunde Alternative dar. Die Desinfektion des Heus mit Natriumhypochlorid desinfiziert halt ansonsten auch das Pferd von innen und das hat ausgesprochen problematische Nebenwirkungen.
Will man lediglich den Staub im Heu binden, um Hustenreize zu vermeiden, kann man das Heu auch mit fein vernebeltem Wasser etwas anfeuchten. Hierfür eignet sich eine Druckpump-Spritze, wie man sie auch im Gartenbau verwendet, besonders gut.
Am allerbesten ist es natürlich, bereits bei der Ernte für eine gute Qualität zu sorgen und die Ballen mit ausreichender Belüftung zu lagern, so dass der übermäßige Befall mit Mikroorganismen gar nicht erst entstehen kann. Falls das Heu tatsächlich mit einem zu hohen Restfeuchtegehalt eingebracht werden muss, ist auch Warmlufttrocknung eine sehr gute Alternative, die ein qualitativ hochwertiges Heu liefert.
Fazit
Trotz aller anderslautenden Werbeversprechen: weder Konservierungs- noch Desinfektionsmittel sind für die Fütterung an Pferde geeignet.
Natriumhypochlorid ist lediglich ein sinnvolles Oberflächen-Desinfektionsmittel, um das Heulager nach einer verpilzten Charge gründlich zu reinigen, um dann wieder ordentliches Heu einzulagern. Dafür ist es nämlich eigentlich auch gedacht.
Mehr dazu in Geballtes Wissen #16 Heulagefütterung und die langfristigen Folgen für die Gesundheit oder „Heulage“ macht krank- Was sagen die Fakten?
- Organisches Selen und der „Rebound-Effekt“: Risiken bei der Selen-Zufütterung - 15. November 2024
- Ahorn auf der Weide – Wirkliche Gefahr oder reine Panikmache? - 4. Mai 2024
- Die Rosse – das ewige Leid vieler Stutenbesitzer - 2. Mai 2024