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Einführung

Wenn das geliebte Reitpferd in die Jahre kommt, dann fangen irgendwann die „Zipperlein“ an, sodass man sich immer häufiger dabei ertappt, über das „Altenteil“ für den Vierbeiner nachzudenken. Häufig sind die Pferde dann noch gar nicht uralt, sondern eher in einem Alter zwischen 15 und 20 Jahren. Wenn es dann auch noch eine Stute ist, dann liegt der Gedanke nahe, aus der Stute ein Fohlen zu ziehen. Damit hat die Stute nicht nur eine Aufgabe, sondern in ein paar Jahren hat man dann auch ein Nachwuchs-Reitpferd, mit dem man weitere schöne Jahre verbringen kann, während die Stute dann endgültig ins Rentnerdasein verabschiedet wird. Bevor man eine solche Entscheidung trifft, sollte man sich aber einige kritische Gedanken machen, damit das Projekt nicht im Desaster endet.

Der „Pferdemarkt“

Natürlich planen die meisten, das Fohlen als künftiges eigenes Reitpferd zu behalten. Aber was, wenn der Nachwuchs so ganz anders wird als die Mutter? Wenn es ein kleiner Hengst und keine Stute wird? Oder das zukünftige Reitpferd bleibt durch eine unglückliche Genkombination seiner Eltern leider 20 cm kleiner, als man eigentlich gehofft hat und für sich selber als Reituntersatz benötigt? Wenn das Pferd charakterlich ganz das Gegenteil seiner sanftmütigen und freundlichen Mutter ist? Öffnet man die einschlägigen Internetseiten, muss man feststellen, dass tausende Pferde zum Verkauf stehen und täglich neue hinzukommen. Wenn man dann keinen „Kracher“ gezüchtet hat, kann es durchaus passieren, dass man am Ende mit einem Pferd dasteht, mit dem man selber nicht viel anfangen, das aber auch sonst niemand haben will. 

2. Die Finanzen

Bei allen rosa Schmetterlingen im Kopf und der Vorfreude auf einen süßen Wildfang – ein Fohlen ist ein Kostenfaktor. Das beginnt schon vor der Geburt mit den Tierarztkosten für Untersuchungen und der Deckgebühr für den Hengst. Natürlich kann man auch einfach den kostenlosen Spanierhengst nehmen, der eh am Ende der Boxengasse steht. Aber dann sollte man wieder an Punkt 1 denken: wird dieses Pferd im Zweifelsfall einen Käufer finden, wenn ich es nicht behalten kann oder will? Also doch besser einen passenden Hengst suchen und den gibt es nicht immer für lau. Egal ob in Natursprung oder bei künstlicher Besamung: die Stute tragend zu kriegen, geht schon ins Geld. Hier kann man alles in allem schon locker mit 1.000 Euro aufwärts rechnen (nach oben natürlich keine Grenze, wenn man sich die Decktaxen einiger Hengste anschaut).

In den meisten Ställen darf das Fohlen dann die ersten sechs Monate auf den Einstellkosten der Mutter mitlaufen. Aber spätestens mit dem Absetzen heißt es: Einstellgebühr, Tierarzt, Hufbearbeitung, Zusatzfutter…. Man kann grob davon ausgehen, dass einen ein Jungpferd in der Aufzucht locker 1.500 Euro pro Jahr kostet – sofern man keine Einstellgebühr zahlen muss und keine größeren Unfälle passieren, die erhebliche Tierarztkosten mit sich bringen können. Wir sprechen hier nur von den reinen Futterkosten und den üblichen „Hufe, Impfen, Wurmcheck“-Kosten. Hat man keinen eigenen Hof (was bei den meisten der Fall ist, die aus ihrem Reitpferd ein Fohlen ziehen wollen), sondern ist Einsteller und stellt den Nachwuchs nach dem Absetzen in eine Aufzuchtgruppe, kann man diesen Preis locker verdoppeln bis verdreifachen.

Das bedeutet also, dass man zusätzlich zu den reinen Deck-Kosten mit etwa 3.000 Euro im Jahr rechnen sollte. Das klingt erstmal hoch gegriffen, sind aber eigentlich nur 250 Euro im Monat – hier wird es teilweise schon schwierig, für diesen Preis überhaupt einen ordentlichen Aufzuchtstall zu finden.

Spart man an der Einstellgebühr, geizt man am falschen Ende. Im schlimmsten Fall bekommt man sein Pferd drei Jahre später schwer stoffwechselkrank zurück und bezahlt spätestens dann die Quittung mit hohen Therapie- und Tierarztkosten. Da der Junior mindestens 3 Jahre in der artgerechten Aufzucht bleiben sollte, summiert sich die Einstellgebühr plus Hufe, Impfen, Wurmcheck über die Zeit auf 9.000 – 10.000 Euro, die man in das Fohlen steckt, bevor man abschätzen kann, ob es dann miteinander als Reitpferd harmoniert oder eher nicht. 

Entscheidet man sich an dieser Stelle, das Pferd zu verkaufen, sprechen wir wieder über Punkt 1: Man muss jetzt mindestens 12.000 Euro Kaufpreis bekommen, um wenigstens Plus/Minus Null aus der Nummer herauszukommen. Das gibt kaum jemand für ein „Kind der Liebe“ aus, da müssen schon die Abstammung und das Exterieur was hergeben.

Fohlen aus der eigenen Stute erfordern viele Vorab-Überlegungen
©️Adobe Stock / Ines Hasenau

3. Die Stute

Auch wenn man meint, die eigene Stute sei das beste Pferd der Welt, sollte man sich nüchtern überlegen, ob sie auch eine gute Zuchtstute ist. Hier spielt nicht nur der Charakter eine Rolle. Natürlich sollte man nicht mit Stuten züchten, die aggressiv dem Menschen gegenüber sind oder ähnliche nicht-korrigierbare „Verhaltensmacken“ haben, denn gerade das Verhalten der Mutter spielt eine wesentliche Rolle in der Verhaltensentwicklung des Fohlens. Kommt man schon mit der Stute kaum zurecht, dann ist nicht davon auszugehen, dass das beim Fohlen besser wird. 

Dazu muss man auch die körperlichen Merkmale der Stute möglichst ohne das liebende Auge des Besitzers betrachten, denn weder auf guten Papieren, noch auf einer schönen Farbe kann man reiten. Stellungsfehler, ein überlanger Rücken, ein zu hoch oder zu tief angesetzter Hals, mangelnde Hinterhandwinkelung – die Liste der Themen, die einem später reiterliche Probleme bereiten und zu einem frühzeitigen Verschleiß und damit chronischen Schmerzen und Ausscheiden aus der Reitpferdekarriere führen können, ist lang.

Oft wird dann naiv gedacht „Na, wenn meine Stute einen langen Rücken hat, dann nehme ich halt einen kurzen Hengst, dann wird das Fohlen genau richtig“. Wer so denkt, hat sich noch nie ernsthaft mit Genetik und Vererbung beschäftigt. Es ist unglaublich schwierig, solche körperlichen Defizite züchterisch auszugleichen. Und oft ist dafür mehr als eine Generation notwendig, denn wie man auch bei uns Menschen sehen kann, „überspringen“ manche Merkmale eine Generation, um dann in der folgenden umso stärker aufzutreten. 

Kennt man sich hier nur wenig mit der Abstammung seiner Stute aus, dann sollte man sich professionelle Hilfe holen. Jemand, der die Vorfahren der Stute mit all ihren körperlichen wie charakterlichen Merkmalen kennt und einem sagen kann, ob es eine gute Idee ist, mit dieser Stute zu züchten, oder eher nicht. Derjenige kann einem dann meist auch bei der Wahl des passenden Hengstes helfen, um bekannte Probleme abzumildern oder zu vermeiden. Denn einfach nur ein Fohlen zu produzieren, um des „meine Stute soll mal ein Baby haben!“ willens, bringt uns wieder zu 1 und 2: Ein Fohlen ist ein teures Vergnügen. Wenn aus einer unüberlegten Nachwuchsproduktion am Ende ein Pferd mit massiven körperlichen Defekten rauskommt, das keinen Tag in seinem Leben ohne Schmerzen verbringen oder aufgrund charakterlicher Mängel zum Wanderpokal wird, sollte man es lieber lassen.

Last but not least spielt auch das Alter der Stute eine Rolle. Generell gilt, dass eine Stute, die in jungen Jahren schon mal ein Fohlen hatte, auch in höherem Alter (also um die 20) in der Regel problemlos nochmal ein Fohlen zur Welt bringen kann. Aber wenn es das erste Fohlen ist, dann gilt ein Alter um die 15 Jahre schon als Schallgrenze.

Darüber hinaus steigt das Risiko von Komplikationen, das letztlich zum Verlust sowohl des Fohlens, als auch – wenn es ganz schlimm kommt – der Mutter führen kann, überproportional an. Nun sind die meisten Stuten aber mit 15-16 Jahren noch fit und aktiv als Reitpferde und ein bisschen zu jung, um sie als Zuchtstute „wegzustellen“. Mit 20 sind sie dann aber schon zu alt für den ersten Nachwuchs. Deshalb sollte eine Entscheidung für oder gegen ein Fohlen auch unter diesen Aspekten gut überlegt sein. Denn eine Mutterstute kostet einen in einem guten Zuchtbetrieb nicht weniger monatliche Einstellgebühr als ein Reitpferd, fällt aber in den meisten Fällen als Reitpferd für längere Zeit aus. 

4. Der Hengst

Natürlich kann man mit einem passenden Hengst die eine oder andere Schwachstelle der Stute ausgleichen.
Hierfür ist aber Fachwissen gefragt: jemand, der nicht nur den Hengst, sondern auch seine Vorfahren und seine Nachkommen kennt und weiss, wie dieser sich als Vererber verhält. So gibt es „starke“ Hengste, die ihre (positiven) Eigenschaften sehr dominant an den Nachwuchs vererben.
Aber auch „schwache“ Vererber, welche die tollsten Merkmale haben können, die aber bei den Nachkommen völlig von den – vielleicht nicht ganz so optimalen – Genen der Stute überdeckt werden. Außerdem sollte man auch daran denken, dass nicht nur die Stute, sondern auch der Hengst Charaktereigenschaften vererben kann.
Was hilft es, wenn ich ein Fohlen mit der tollen Farbe des Hengstes bekomme, dieses aber leider auch dessen Wahnsinn geerbt hat? Solche Pferde sind dann vielleicht noch von Profis zu handhaben, nicht aber von uns „Normalsterblichen“ in einem normalen Einstellbetrieb.

Je nach Hengst entscheidet sich dann auch, wie die Stute tragend wird: ganz natürlich auf der Weide, im Sprung an der Hand oder durch künstliche Besamung. Aufgrund des hohen Verletzungsrisikos sind nur wenige Hengstbesitzer bereit, die Stute mit dem Hengst einfach mal für ein paar Wochen oder Monate auf eine Weide zu stellen und zu schauen, was passiert. Dabei gibt es kaum etwas schöneres, als intakte „Pferdefamilien“, wo der Hengst nicht nur als Samenspender dient, sondern mit seinen Stuten und seinem Nachwuchs zusammen lebt. Solche Konstellationen sind aber die absolute Ausnahme.

Das Risiko für Stute und Hengst gilt genauso für den Sprung an der Hand. Daher wird inzwischen überwiegend Kühl- oder Gefriersperma angeboten. Einige Stuten empfinden diese Form der Besamung als „Vergewaltigung“, was später zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Außerdem gilt generell, dass Stuten einfacher aufnehmen, wenn sie mit dem Hengst einige Zeit verbringen, als wenn wir Menschen versuchen, den Besamungszeitpunkt richtig zu timen. Es hilft, einen zuchterfahrenen Tierarzt zu haben, der auch Gestüte betreut. Der kennt sich nicht nur besonders gut mit der Gynäkologie und den möglichen Geburtsrisiken aus, sondern bekommt auch die Besamung meist deutlich besser hin als jemand, der das bisher kaum gemacht hat – die Übung macht auch hier den Meister. 

5. Risiken und Nebenwirkungen

Wenn man an all diese Punkte ein Häkchen gemacht hat, die Stute hervorragend für die Zucht geeignet ist, die finanziellen Ressourcen da sind, man einen passenden Hengst im Blick und einen hervorragenden Tierarzt an der Seite hat, dann sollte man noch ein letztes Mal inne halten und über die Risiken einer Trächtigkeit und Geburt sowie der Aufzucht nachdenken.

Wie jede Frau, die selber schon ein Kind zur Welt gebracht hat, weiß, ist eine Schwangerschaft in vielen Fällen kein Spaziergang. Je älter eine Stute ist, umso beschwerlicher ist die Trächtigkeit auch für sie. Hat sie vielleicht schon körperliche Einschränkungen wie Arthrose, Kissing Spines, Equines Asthma oder chronische Verdauungsprobleme, dann werden diese mit einer Trächtigkeit nicht besser, sondern durch die Zusatzbelastung eher schlimmer.

 Auch bei bestem Management ist man nicht davor gefeit, dass das Fohlen nicht zur Welt kommt. Es kann in den ersten Wochen resorbiert werden und die ganze Mühe war umsonst. Oder es kann zu einem Abort kommen, sei es durch eine Infektion oder auch durch Missbildungen, Zwillingsträchtigkeit oder andere Gründe. Je nach Zeitpunkt kann es dann sein, dass man erstmal bis zum kommenden Frühjahr warten muss, bevor man die Stute erneut decken kann – schnell gehen da ein oder zwei Jahre verloren, in denen die Stute ja nicht jünger wird. 

Bei der Geburt können – vor allem bei spät erstgebärenden Stuten – Komplikationen auftreten, die im schlimmsten Fall zum Tod der Stute und/oder zum Tod des Fohlens führen können. Natürlich passiert das nicht bei jeder Geburt, aber das Risiko ist da und es steigt mit dem Alter der Stute.
Ist man bereit, das Fohlen dann per Hand aufzuziehen, wenn die Stute die Geburt nicht überlebt oder wenn sie das Fohlen vielleicht nicht annimmt? Das bedeutet, dem kleinen Erdenbürger alle 1,5 Stunden die Flasche zu geben – auch nachts!
Da sind Fohlen nicht weniger anstrengend als neugeborene Zweibeiner. Kann ich das leisten, für einige Wochen im Stall zu wohnen und den „Mutterjob“ zu übernehmen? Wie gehe ich damit um, wenn ich die Stute während der Trächtigkeit, bei der Geburt oder auch kurz danach verliere? Werde ich mir Vorwürfe machen, dass ich daran schuld bin und sie noch leben könnte, wenn ich sie nicht hätte decken lassen? Man will nie hoffen, dass es dazu kommt, trotzdem geht man besser vorher mal mit sich in Klausur und überlegt, was es mit einem machen würde, wenn es zum Äußersten kommt.

Bin ich finanziell über die nächsten 5 Jahre so abgesichert, dass ich das Fohlen auch aufziehen und später mit professioneller Hilfe einreiten kann? Bis es soweit ist, dass ich das erste Mal mit dem Nachwuchs über eine Wiese galoppieren kann, hat mich das Projekt voraussichtlich rund 20.000 Euro gekostet.
Für den Betrag bekommt man ein sehr gutes ausgebildetes Reitpferd mit ordentlicher Abstammung, passender Größe, in der Wunschfarbe und mit dem gewünschten Geschlecht zu kaufen. Es mag emotional etwas anderes sein, ein Fohlen selber zu ziehen oder ein Reitpferd zu kaufen.

Fazit

Aber bevor man sich in ein Abenteuer stürzt, das auch für die geliebte Stute nicht ganz ohne Risiko ist, sollte man sich überlegen, ob man nicht auch einem der vielen tausend Pferde, die einen neuen Platz suchen, ein liebendes neues zu Hause geben möchte. Günstiger und weniger riskant ist es allemal.

Mehr zum Thema: Ein Fohlen ist so gesund wie der Darm seiner Mutter oder Jungpferde artgerecht füttern