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Automatische Heuraufen oder Heuautomaten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, scheinen sie doch den Konflikt zu lösen zwischen dem Bedürfnis der Pferde, stets Raufutterzugang zu haben, dem Bedürfnis der Pferdebesitzer, dass das Pferd nicht verfettet und dem Bedürfnis des Stallbetreibers, den Arbeitsaufwand der Heufütterung so gering wie möglich zu halten, damit der Stall wirtschaftlich betrieben werden kann.

Es gibt hier im Wesentlichen zwei Systeme

1. Mehr oder weniger normale Raufen, die aber immer wieder mit Hilfe von Jalousien, Windnetzen oder anderen Vorrichtungen so geschlossen werden, dass die Pferde nicht mehr an das Heu kommen. Hier findet man kommerzielle Systeme, aber auch viele Bauanleitungen und Tutorials, um so etwas selber zu konstruieren.

2. Automaten wie man sie für Kraftfutter kennt, wo ein Pferd nach Chip-Kontrolle eintreten kann, dort dann eine voreingestellte Zeit lang Heu fressen kann, bis sich der Zugang schließt und das Pferd dann den Automaten wieder verlässt, sodass das nächste Pferd eintreten kann. Diese Systeme findet man vor allem in Aktivställen, wo die Pferde ohnehin mit Chip unterwegs sind.

Hersteller wie Stallbetreiber schwören auf diese Systeme und berichten immer von den Vorteilen:

Automatische Raufen

● Verfressene Pferde können nicht mehr 24/7 an der Raufe „parken“

● Die Pferde bewegen sich insgesamt mehr, da sie bei geschlossener Raufe über Auslauf oder Trail laufen auf der Suche nach Futter

● Die Gesamtmenge kann über Schließzeiten so reguliert werden, dass die Pferde nicht übergewichtig werden

Heuautomaten

● Die Pferde bewegen sich mehr, weil sie nicht ständig nur fressen können

● Die Heumenge pro Pferd kann über die eingestellten Fresszeiten individuell reguliert werden – dünne Pferde haben länger Zugang, dicke Pferde kürzer

Schaut man sich die Praxis in den Ställen an, dann ist die Lage meist leider nicht so rosig, wie es theoretisch scheint. 

Was automatische Heuraufen für Pferde bedeuten

Betrachten wir zunächst mal die automatischen Heuraufen. Viele Ställe, die solche Systeme anschaffen, haben meist am Anfang recht lange Öffnungs- und kurze Schließzeiten. Das heißt, die Raufe bleibt beispielsweise 4h offen und wird für 1h geschlossen, damit die Pferde auch mal etwas anderes machen als fressen.

Leider wird bei diesem Vorgehen nicht beachtet, dass Pferde ihre Fressgeschwindigkeit deutlich variieren und bei Bedarf um das vierfache steigern können.

Der Effekt dieser Fütterung ist also, dass die Pferde nach der Stunde Schließzeit „reinhauen“ und schneller fressen, sodass sie letztlich mehr Heu aufnehmen, als wenn die Raufen ständig offen wären. Warum tun sie das? Nunja, das Pferd weiß ja nicht, ob und wann die Raufe wieder aufgeht, also sicherheitshalber so schnell so viel wie möglich fressen, den wer weiß, wann es wieder Futter gibt. 

Das sorgt dafür, dass in den meisten dieser Ställe das System alsbald umgestellt wird, sodass die Raufe dann 4h geschlossen bleibt und nur 1h geöffnet wird. Die Pferde fressen dann in der einen Stunde so viel, wie sie bei einer normalen (immer offenen) Raufe in 4 Stunden fressen würden. Damit ist nicht wirklich was gewonnen, außer dass die Pferde nicht mehr entspannt fressen können, sondern unter Zeitdruck und Stress. Jeder, der in seinem Job unter Zeitdruck Mittagspause machen muss, weiß um die negativen Auswirkungen auf Verdauung, Stoffwechsel und Psyche bei dieser Art der Nahrungsaufnahme.

Da es bei diesem Management häufig auch dazu kommt, dass die Pferde gar nicht abnehmen oder teilweise sogar noch zunehmen, reagieren dann manche Ställe, indem sie weniger Heu in die Raufen füllen. Das heißt dann, dass sich die ranghohen als erstes bedienen und die rangniedrigen dann noch kurz vor Raufenschluss ranschießen, um die Reste zu verschlingen. Perfekt wird der Stress dann, wenn die Raufen auch noch mit engmaschigen Heunetzen abgedeckt sind, sodass die Pferde auch noch Mühe haben, an das Heu zu kommen.

Insgesamt sind solche automatischen Heuraufen eine extrem stressige Fütterungssituation für die Pferde, die nicht die Gesundheit fördert, sondern das Entstehen von Magengeschwüren, stressbedingter Insulinresistenz und damit langfristig auch Hufrehe und Cushing fördert.

Welche Auswirkungen haben Heuautomaten?

Als Alternative werden Heuautomaten angeboten, die analog zu den Kraftfutterautomaten den Pferden einzeln per Chipkontrolle Zugang gewähren zum Heu. Hier kann der Pferdebesitzer am Computer einstellen lassen, wie häufig und für wie lange sein Pferd Zugang haben darf. Oft wird diese Art der Fütterung als „ad libitum Heu“ beworben, da man ja theoretisch einstellen kann, dass das Pferd ständig und ohne Pausen in den Automaten darf. Damit das Pferd sich aber nicht im Automaten parkt und ihn für alle anderen Pferden blockiert, wird die Fresszeit im Schnitt auf maximal eine halbe Stunde eingestellt, dann muss das Pferd den Automaten verlassen. 

Diese Heuautomaten würden vielleicht noch funktionieren, wenn jedes Pferd einen eigenen Automaten hätte. Dann könnte es hinten raus und vorne wieder reingehen. Aber in der Realität teilen sich immer mehrere Pferde den Zugang. Gehen wir jetzt als Rechenbeispiel mal davon aus, dass der Stall 4 Automaten für 16 Pferde hat. Dann müssen sich also immer 4 Pferde einen Automaten teilen (16 Pferde geteilt durch 4 Automaten). Gehen wir weiter davon aus, dass jedes Pferd 30 min im Automaten verweilen und Heu fressen darf, bevor es wieder raus muss. Das heißt dann, dass in 2h (4 x 30 min) alle Pferde einmal im Automaten waren. Mein Pferd kann also 30 min fressen und muss dann 90 min warten, während alle anderen dran sind. 

Dabei geht man davon aus, dass sich kein Pferd vordrängelt. In der Realität weiß natürlich jeder Pferdehalter, dass die ranghohen Pferde sich vordrängeln und schon nach 30 oder 60 min wieder im Automaten stehen, was für die rangniedrigen bedeutet, dass sie eher noch länger warten müssen. Dass ein Pferd unter diesen Umständen nicht entspannt frisst und gründlich kaut, sollte jedem einleuchten. So erhöht sich die Fressgeschwindigkeit wieder extrem – was dann meist dazu führt, dass dem Schnellfresser-Pferd die Zugangszeit weiter reduziert wird, denn es wird ja trotz (oder vielleicht wegen?) des Heuautomaten eher dicker als dünner.

Aber gehen wir mal davon aus, dass mein Pferd in 2h immer für 30 min ans Heu kommt und 90 min Pause hat. Dann kommen wir rechnerisch auf 6h Zugang zum Automaten in 24h. Wenn ein Pferd in Ruhe frisst, dann braucht es – je nach Körpergröße – 45-90 min für 1kg Heu. Rechnen wir als Durchschnittswert für ein mittelgroßes (500kg Normalgewicht) Pferd mal mit 1h pro 1kg Heu. Dann sprechen wir hier von 6kg Heu, die das Pferd in 24h bekommt. Wenn das Pferd jetzt schneller frisst und 1kg Heu in 45min frisst, dann kommen wir immerhin auf 8kg in 24h. Lässt man gesunde Pferde ad libitum fressen, dann kommen sie normalerweise auf Heumengen von 2-3% ihres Körpergewichts. Ein 500kg Pferd braucht also 10-15kg Heu pro Tag, um seinen Bedarf zu decken. Man fängt schon an zu sehen, dass bei 6h Zugang zu Heuautomaten und normaler Fressgeschwindigkeit hier eine Diskrepanz auftritt. Unser 500kg Pferd bräuchte also eher 10h Zugang zum Heu, um seinen Bedarf decken zu können.

Nun können Pferde ihre Fressgeschwindigkeit um das vierfache steigern. Statt also in 1h im Schnitt 1kg Heu zu fressen, können sie auf fast 4kg Heu in derselben Zeit kommen. In den 6h Zugangszeit kann mein Pferd also 24kg Heu reinschlingen. Damit das nicht passiert, wird in den meisten Heuautomaten dann wieder zusätzlich mit engmaschigen Heunetzen gearbeitet, sodass die Menge pro Zeiteinheit begrenzt wird. Also wieder weiterer Stress für das Pferd, denn es muss jetzt in seinen 30min so viel Heu wie möglich aus dem Netz rupfen – und kommt vermutlich nicht mal auf seine zum Erhalt notwendige Tagesration. 

Das alles sorgt zum Einen dafür, dass Fressen keine Zeit der Entspannung ist (was es eigentlich bei einer natürlichen Fütterung ist, denn hier werden während des Kauvorgangs Endorphine, also Glückshormone, ausgeschüttet). Statt dessen bedeutet Fressen Stress und Zeitdruck. 

Immer wenn Pferde unter Zeitdruck fressen und ihre Fressgeschwindigkeit erhöhen – ein Faktor, der sowohl bei Heuautomaten als auch bei zeitgesteuerten Heuraufen zum Tragen kommt – sorgt das für ein verändertes Kauverhalten und zu eine schlechtere Zerkleinerung der Pflanzenfasern, was zu einer gestörten Peristaltik, Dickdarm-Dysbiosen und schlechteren Verdauungsleistung führen kann. Darüber hinaus sorgt der ständige Stress um das Futter für das Entstehen von stressbedingten Magengeschwüren und erhöhte Glucocorticoid-Spiegel, die sich langfristig in stressbedingter Insulinresistenz, Hufrehe oder Cushing äußern können.

Noch dazu ist Fressen eigentlich eine soziale Angelegenheit – nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei Pferden. So sieht man oft befreundete Pferde gemeinsam an der Raufe stehen und Kopf an Kopf fressen und dann auch gemeinsam dösen. Dieses natürliche Sozialverhalten wird unterbunden, wenn die Pferde nur für Einzelfütterung in den Heuautomaten gehen. Dazwischen ist dann auch wenig Zeit für Sozialverhalten, denn man muss ja vor dem Automaten lauern, dass man wieder reinkommt, um weiterzufressen. Insgesamt also ein System, was nicht gerade zur Entwicklung eines gesunden und natürlichen Gruppenverhaltens angetan ist. 

Dass solche Automatensysteme negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Pferden haben, sieht man deutlich aus den täglichen Erfahrungebn in den Ställen, wenn man sich mal die Zeit nimmt und mit offenen Augen die Pferde beobachtet.

Statt also die Pferde mit Zwang zu „Mahlzeitenfressern“ zu machen, wie Mensch oder Hund das von Natur aus sind, sollten wir ihnen besser die Möglichkeit geben, ihr natürliches Fressverhalten auszuleben. Und von Natur aus ist das Pferd nunmal ein Dickdarmverdauer und damit ein Dauerfresser. Raufutterpausen haben erwiesenermaßen sowohl auf den Magen (Magengeschwüre) als auch auf den Dickdarm (Dysbiosen) nachteilige Effekte.

Der Zugang zu Raufutter muss 24/7 gegeben sein. Jede erzwungene Raufutterpause, die nicht vom Pferd auf eigene Motivation heraus geschieht, sorgt für Stress.
Jeder Entzug von Raufutter, durch eine verschlossene oder leere Raufe, sorgt für noch mehr Stress, weil das Pferd nicht weiß, ob und wann es wieder Futter bekommt.

Ein Wildpferd würde sich – wenn ein Bereich abgegrast ist – auf den Weg machen zu einem neuen Areal, wo wieder Futter zur Verfügung steht, bevor es dann (sobald der Futternachschub gesichert ist) ein Schläfchen macht. Unsere Pferde hingegen müssen in der Angst um Futternachschub verharren, bis sie wieder Heuzugang bekommen. Das ist Stress pur mit allen negativen Langzeitfolgen. 

Fazit

Statt über solche – nicht ganz billigen! – Systeme die Pferdefütterung auf den Kopf zu stellen, sollten wir eher wieder darauf hinarbeiten, dass die Heuqualität, die in die Raufe kommt, auch für Pferde geeignet ist. Dazu gehört nicht nur, dass es frei von Schimmel und anderen Verderb anzeigenden Mikroorganismen sein muss, sondern auch die Nährwerte passen. So sollten Freizeitpferde kein Heu vorgelegt bekommen, das über 10% Zuckergehalt hat. Optimal ist ein Heu hier mit <6% Zuckergehalt. Der Rohproteingehalt sollte bei 6-9% liegen. Ist er deutlich darüber angesiedelt, kann ich das Heu an Sportpferde oder schwerfuttrige Kandidaten verfüttern, aber nicht an die Pummelponys. 

Natürlich ist es nicht einfach, eine adäquate Heuqualität zu produzieren oder auch zu kaufen. Aber der vermeintlich einfache Weg über restriktiven Heuzugang – ob über Automaten oder über Mahlzeitenfütterung – ist immer der sichere Weg in die Stoffwechselentgleisung und Krankheit beim Pferd.

Mehr dazu: Forschung: Zeitgesteuerte Heuraufen im Vergleich mit Heu zur freien Verfügung und Slowfeedern oder Sanoanimal Podcast #41 Slowfeeder