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Seitdem Getreide als Kraftfutter in Verruf geraten ist, werden immer mehr Futtermittel auf den Markt gebracht, die Strukturhäcksel enthalten oder weitgehend ausschließlich daraus bestehen. Man erkennt sie im Futter an den grünen Stängeln, die meist 1-4cm Länge haben. Dabei handelt es sich in der Regel um kleingehäckseltes Heu oder Luzernestängel.

Vom Nährwert sind diese Strukturhäcksel also vergleichbar mit Heu und nicht mit Kraftfutter – auch wenn man sie in den Trog gibt. 

Sie sollen laut Aussagen der Hersteller die natürliche Kau- und Verdauungsaktivität der Pferde fördern und gleichzeitig eine „gesunde“ und „kalorienarme“ Trogfütterung ermöglichen – denn was lieben wir Pferdemuttis mehr, als dem Liebling den Futtertrog zu füllen? Auch dann noch, wenn das Pferd aufgrund mangelnden Trainings oder seiner Leichtfuttrigkeit eigentlich überhaupt nichts zugefüttert bekommen sollte.

Sind Strukturhäcksel wirklich unbedenklich?

Allerdings gibt es einige Hinweise darauf, dass die Verwendung von Strukturhäcksel im Pferdefutter möglicherweise problematisch sein kann für die Verdauung und die Gesundheit der Tiere.
Einige wenige Untersuchungen haben die Auswirkungen der Faserlänge des Futters auf das Kauverhalten der Pferde untersucht.
Wir wissen daher heute, dass Pferde eine Mindestfaserlänge von 8cm benötigen, um Pflanzenfasern ordentlich kauen zu können.
Bei diesem Kauprozess entstehen dann Faserlängen von 1,6 – 5mm, die abgeschluckt werden und für eine optimale Verdauung sorgen.

Kurzfasern, die zwischen 1-7cm liegen, sind hoch problematisch, da sie nicht adäquat zerkaut werden können. Sie werden als zu lange Fasern abgeschluckt, was man auch anhand zu langer Fasern im Kot der Tiere dann sehen kann, da sie schlecht verdaut wieder ausgeschieden werden. Auf ihrem Weg durch den Verdauungstrakt bringen sie allerhand durcheinander. 

Insbesondere in den USA wird inzwischen sehr intensiv zum Dickdarm-Mikrobiom des Pferdes geforscht. Aus solchen Untersuchungen wissen wir, dass jede Störung der peristaltischen Bewegung auch zu Dysbiosen führen kann, also Fehlgärungsprozessen. Dysbiosen haben negative Auswirkungen, nicht nur auf die Gesundheit des Dickdarms, da sie beispielsweise häufig zu Darmschleimhautentzündungen und in Folge Leaky Gut Syndrom und Kotwasser führen können. Da die Peristaltik insbesondere auch durch die Faserlänge gesteuert wird und solch lange Stukturhäcksel unter normalen Umständen nie in den Dickdarm gelangen, sind sie als äußerst problematisch für den Dickdarm-Fermentationsprozess zu betrachten.
Erste in vitro Studien zeigen, dass Strukturhäcksel zu anderen Fermentationsmustern im Dickdarm führen können und damit der Entstehung von Dysbiosen Vorschub leisten können.

Dysbiosen und andere gesundheitliche Probleme

Dass die Gesundheit des Dickdarm-Mikrobioms der Dreh- und Angelpunkt in der Gesundheit des Pferdes ist, sollte sich eigentlich inzwischen herumgesprochen haben. Läuft es hier schief, kommt es also zu Dysbiosen (Ansiedelung pathogener oder „falscher“ Mikroorganismen), dann hat das oft weitreichende Auswirkungen auf den Stoffwechsel und die Gesundheit des Pferdes, wobei die Symptome häufig nicht im Darm, sondern an anderen Stellen auftreten können. Die Folgen von Dysbiosen reichen von Hufrehe über chronische Atemwegsprobleme bis Sommerekzem und sind daher nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Zusätzlich zu der „Überfüllung“ des Dickdarms mit Raufutter, welches nicht mehr ausreichend schnell vorwärts transportiert und ausgeschieden wird, kann es zu Aufgasungen kommen. Viele der Pferde mit kugelrunden Bäuchen (Modell „schwangerer Wallach“) haben eine reduzierte Peristaltik oder leiden unter Blähungen, was den dicken Bauch bewirkt. Sie werden häufig fälschlich als „dick“ eingeschätzt und dann oft auf radikale Diäten gesetzt, was zusätzliche Gesundheitsprobleme wie Magengeschwüre verursachen kann und zudem zu erheblichem Stress führt.
Darüber hinaus sorgt auch eine gestörte Darmmotilität für Dysbiosen, was ebenfalls negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel und damit die Gesundheit des Pferdes hat. Bei solchen Pferden ist das Entstehen einer Entgiftungsstörung im Sinne einer Kryptopyrrolurie (KPU) fast vorprogrammiert. 

Und auch der Magen der Pferde wird durch Strukturhäcksel in Mitleidenschaft gezogen. So reagieren viele Pferde mit Magengeschwüren auf die Fütterung von Strukturhäckseln mit Kotwasser. Lässt man die Häcksel weg, beruhigt sich der Darm. Offenbar reizen die groben Stängel die entzündete Magenschleimhaut, was bei betroffenen Pferden zu einer Stressreaktion und in Folge Kotwasser führen kann.
Natürlich sollte man bei solchen Pferden auch die Therapie der Magengeschwüre in Angriff nehmen. Aber eine so stark reizende Wirkung bleibt vermutlich auch bei Pferden mit weitgehend intakter Magenschleimhaut nicht ganz ohne Folgen, wenn sie die groben Stängel Tag für Tag in den Trog bekommen.

Pferd riecht an Frau die lesend am Boden sitzt
Strukturhäcksel können vielfältige negative Auswirkungen auf die Pferde-Gesundheit nach sich ziehen.
©️ Adobe Stock / anakondasp

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also sagen, dass es überhaupt keine neuen Erkenntnisse sind, dass Strukturhäcksel in der Fütterung bei Pferden hochproblematisch sind. Pferde benötigen, neben einem gesunden Zahnapparat, langfasriges Raufutter wie Heu, das sie ordentlich kauen und einspeicheln können, damit die Verdauung optimal funktioniert. Klein gehäckseltes Heu in Form von Sturkturhäckseln, wie sie in den meisten „Freizeitpferdemüslis“ eingesetzt werden, können hingegen zum Entstehen von Verdauungsstörungen und Stoffwechselkrankheiten beitragen, die sich dann nicht nur im Verdauungsverhalten (Blähungen, Kotwasser), sondern auch an anderen Stellen symptomatisch äußern können, beispielsweise als Folgesymptome einer KPU. 

Wenn Pferde aufgrund ihrer schweren Arbeitsleistung Kraftfutter benötigen, sollte man hier entweder auf eiweißhaltige Futter wie Esparsette- oder Luzernepellets setzen oder, ggf. in Absprache mit einem Ernährungsberater, klassische Getreide wie Quetschgerste oder Hafer füttern.

Fazit

Kleingehäckseltes Heu im Futtertrog ist nicht nur sinnlos, sondern kann auch die Gesundheit des Pferdes negativ beeinflussen.

Mehr dazu: Kotwasser- das laufende Problem oder Geballtes Wissen #10 Kotwasser beim Pferd von Heu und Stroh: Wieso?

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