Gestern noch fröhlich eine Stunde durch den Wald geritten und heute steht das Pferd plötzlich auf drei Beinen da. Was ist passiert? In den meisten solcher Fälle handelt es sich (zum Glück) nur um einen zwar schmerzhaften, aber weitgehend harmlosen, Hufabszess.
Ein Hufabszess (auch Hufgeschwür genannt) ist eine schmerzhafte Eiteransammlung innerhalb der Hornkapsel.
Da der Eiter bei einem Hufabszess –umgeben von hartem Hufhorn – in den meisten Fällen nicht so leicht entweichen kann, übt er starken Druck auf die empfindliche Lederhaut aus, weshalb Abszesse oft zu plötzlich einsetzender, heftiger Lahmheit bis zur vollständigen Schonung der betroffenen Gliedmaße führen. Da sitzt der Schreck beim Besitzer erstmal tief und das Schlimmste wird befürchtet.
Doch wie erkenne ich überhaupt, dass mein Pferd einen Abszess hat?
Natürlich können auch andere Probleme zu plötzlich einsetzender, starker Lahmheit führen, beispielsweise ein Sehnen- oder Bänderschaden oder eine Fraktur. Dennoch sollte man bei plötzlich einsetzenden Lahmheiten, die nicht mit Schwellungen oder druckempfindlichen Bereichen am übrigen Bein einhergehen, an einen Hufabszess denken. Zu den typischen Anzeichen gehören:
- Plötzliche starke Lahmheit bis dahin, dass das betroffene Bein gar nicht mehr belastet wird.
- Der betroffene Huf ist deutlich wärmer
- Oft ist das Bein auch angelaufen
- Manchmal ist eine Pulsation zu spüren
Solche Symptome können natürlich auch im Zusammenhang mit einer (einseitigen) Hufrehe oder einem Nageltritt auftauchen oder eben mit einem Sehnen- oder Bänderschaden oder einer Fraktur einhergehen. Deshalb gilt – selbst bei begründetem Verdacht, dass es ein Hufabszess ist – in jedem Fall den Tierarzt und/oder Hufbearbeiter hinzuzuziehen. Dieser kann dann durch Abdrücken des Hufs mit der Hufzange eine genauere Diagnostik stellen und im besten Falle auch die genaue Stelle des Abszesses lokalisieren. Zeigt das Pferd beim Abdrücken des Hufes mit der Zange an einer bestimmten Stelle eine deutliche Reaktion, hat man den Übeltäter gefunden.
Achtung: diese Schmerzreaktion sollte reproduzierbar sein und nochmals überprüft werden, denn vielleicht gab es in diesem Moment auch eine andere Ursache für das Verhalten des Pferdes.
Was tun bei Hufabszess?
Sind andere Ursachen für die Lahmheit ausgeschlossen und der Abszess lokalisiert, kann dieser bestenfalls geöffnet werden. Dies muss ebenfalls durch den Tierarzt oder Hufbearbeiter erfolgen. Auch sollte dies natürlich nur geschehen, wenn die Diagnostik eindeutig ist und der Abszess schon „reif“ genug ist – ähnlich wie es nichts bringt, an einem Pickel im Gesicht herumzudrücken, wenn der noch nicht „reif“ ist. Denn öffnet man den Abszess zu früh, kommt es in der Folge oft zu Problemen – wie bei dem zu früh gedrückten Gesichtspickel.
Will man zu früh behandeln, kann zum einen die betroffene Stelle häufig nicht ausreichend genau lokalisiert werden, was zur Folge hat, dass beim Öffnen viel Horn weggenommen wird und das Pferd hinterher ein großes Loch in der Sohle hat, was wiederum die Gefahr einer weiteren Infektion mit sich bringt und eine Schwachstelle im Hufhorn ist. Um das zu vermeiden, kann bei noch unreifen Abszessen zunächst ein feuchter Hufverband angelegt werden:
Für schnelles „reifen“ von Hufabszessen einen Hufverband z. B. mit Sauerkraut oder warmem Kartoffelbrei anlegen.
Hufverband und weitere Abhilfen
Je nach Philosophie kann man für den Hufverband eine Babywindel verwenden (mehr Flüssigkeit hinzufügen, da diese ja die Flüssigkeit zu einem guten Teil abbindet) oder ein normales Mulltuch und Tape verwenden. Die Windelvariante ist meist die einfachere Variante für diejenigen, die nicht so geübt sind darin, Hufverbände zu basteln. Sauerkraut bzw. Kartoffelbrei fördern die Reifung des Hufgeschwürs durch das warme und feuchte Milieu und das Hufhorn wird etwas aufgeweicht, sodass man später zielgenauer das Horn öffnen kann.
Schmerzmittel und Kühlung sind bei Hufabszessen zu vermeiden, da diese die Entzündung hemmen. Das ist nicht förderlich, da das Entzündungsgewebe ja irgendwie vom Körper entsorgt werden muss, also nach außen transportiert werden sollte.
Neben dem Hufverband kann homöopathisch unterstützt werden. Hier haben sich sowohl Hepar Sulfuris und Sulfur bewährt wie auch Myristica. Dies sind die in der Homöopathie als klassische „Abszessmittel“ bekannten Kandidaten. Welches Mittel im Einzelfall eingesetzt wird und in welcher Potenz sollte gegebenenfalls ein Tierheilpraktiker bestimmen. Außerdem sind vor der Gabe von homöopathischen Mitteln die geltenden Arzneimittelvorschriften zu beachten.
In manchen Fällen sucht sich der Abszess selbst einen Weg und öffnet sich am Kronrand oder im Ballenbereich, wo er durch die weichere Haut nach außen dringen kann. Teilweise geschieht dies auch, ohne dass das Pferd vorher lahm ging und somit vom Besitzer völlig unbemerkt. Der Abszess wird dann erst zu seinem Ende hin sichtbar, da die Stelle dann als Querspalt mit dem Horn nach unten wächst.
Leider ist das nicht immer der Fall und so sollte ein Fachmann entscheiden, ob der Abszess reif genug zum Öffnen ist. Wird der Abszess dann also ausgeschnitten, ist das für das Pferd eine deutliche Erleichterung, da das Öffnen und Abfließen des Eiters natürlich den Druckschmerz sofort lindert.
Je nachdem wie groß und tief das Loch ist, an dem der Abszess aufgeschnitten wurde, entscheidet sich dann, wie die Nachsorge abläuft. Zunächst sollte die Öffnung desinfiziert werden. Wurde viel von der Sohle weggenommen, ist es erforderlich, einen (trockenen) Hufverband anzulegen, um die empfindliche Lederhaut zu schützen. In dem Fall sollte das Loch mit einem Tupfer verschlossen und anschließend ein Hufverband angelegt werden. Dafür kann eine Babywindel verwendet werden, welche entsprechend am Huf angebracht wird und einer Haftbandage sowie Gaffa-Tape im Bereich der Sohle und der Hufwand stabilisiert wird. Dies verhindert, dass sich der Verband zu schnell abnutzt.
Der Verband sollte regelmäßig erneuert und die Wunde desinfiziert und sauber gehalten werden, damit keine erneute Entzündung entsteht. Im weiteren Verlauf bzw. bei kleinen Abszessöffnungen reicht es zum Teil, wenn man das Loch einfach mit einem Tupfer und / oder Bienenwachs verschließt. Manche greifen auch einfach zu einem Kaugummi zum Verschließen des Lochs, was aber oft nicht sonderlich gut hält.
Doch was sind eigentlich die Ursachen für die Entstehung eines Abszesses?
Ganz klassisch gesehen geht man davon aus, dass ein Abszess entsteht durch Eindringen von Fremdkörpern (Stein, Nagel oder ähnliches) in die Hufkapsel. Auch durch eine Kronsaumverletzung können Bakterien eindringen, welche einen Abszess mit sich bringen. Es kommt also in beiden Fällen zu einer Infektion von außen. Dies scheint aber nur selten die eigentliche Ursache zu sein. Deshalb sollten immer auch andere Aspekte in Betracht gezogen werden.
Ein Abszess kann beispielsweise auch durch mangelhaft Hufbearbeitung entstehen. Gibt es am Huf Missverhältnisse, die für Spannungen und Hebelkräfte sorgen (z.B. auch bei Zwanghufen oder zu engen Hufeisen), entsteht oft viel Druck auf die Lederhaut und es kommt zu Entzündungen: ein Abszess entsteht. Dies ist z. B. auch bei vielen Pferden in der Umstellungsphase von Beschlag auf Barhuf zu beobachten. Hier muss sich der Huf erst an die neue Situation anpassen und die zu Beginn häufig sehr dünne Sohle bietet noch nicht ausreichend Schutz. In diesen Fällen gilt es also generell, die Hufbearbeitung zu optimieren und in der Umstellungsphase den Huf evtl. durch Hufschuhe zu unterstützen.
Neigt das Pferd häufiger zu Hufabszessen, sollte auch die Fütterung überprüft werden und die Entgiftungsfähigkeit des Pferdes unterstützt bzw. wiederhergestellt werden. Bei solchen Pferden scheint der Stoffwechsel überlastet, so dass die Abfallprodukte nicht mehr ausreichend über den normalen Weg ausgeschieden werden können. Es erfolgt sozusagen eine Entgiftung über die Hufe. So kann es auch bei (gut gemeinten, aber für dieses Pferd leider unpassenden) Ausleitungs- oder Entgiftungskuren zum vermehrten Auftreten von Hufabszessen kommen. In solchen Fällen sollte man dringend einen kompetenten Therapeuten zu Rate ziehen, der eine für das Pferd passenden Therapie zusammenstellt.
Wie vermeide ich in Zukunft Hufabszesse?
Es kann natürlich nicht immer vermieden werden, dass sich das Pferd etwas eintritt und in Folge einen Abszess entwickelt. Aber mit einer gewissen Sorgfalt kann man hier auf jeden Fall Vorsorge tragen. Es sollte vor allem darauf geachtet werden, dass auf dem Auslauf, Putzplatz und auf Laufwegen kein Fremdkörper wie Nägel, Schrauben etc. herumliegen. Auch sollten die Hufe täglich kontrolliert und sorgfältig ausgekratzt werden!
Eine regelmäßige, fachgerechte Hufbearbeitung durch einen Fachmann ist sollte selbstverständlich sein und ist essentiell für die Hufgesundheit. Hier sollte der Bearbeitungsintervall immer auf den aktuellen Hufzustand angepasst werden und der Huf entsprechen bearbeitet bzw. korrigiert werden. Bei Bedarf sollte auf eine entsprechenden Hufschutz zurückgegriffen.
Auch die Fütterung sollte im nach Möglichkeit optimiert werden, denn gerade bei Pferden, die häufiger unter Abszessen leiden, ist dies vermutlich die Hauptursache. Gerade auch in Zeiten des Fellwechsels ist der Stoffwechsel sehr belastet und das Auftreten von Hufgeschwüren häuft sich. Hier gilt es also besonders die Entgiftungsorgane Leber und Niere vorsorglich zu entlasten.
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