Lesedauer 5 Minuten    

So manch ein Pferdebesitzer kennt das Problem, wenn sein Pferd aus Krankheitsgründen für ein paar Tage in der Box stehen muss: die dicken Beine.
Auch als „angelaufene Beine“ oder „Ruhetagsphlegmone“ bezeichnet, ist das kein neues Phänomen.

Angelaufene Beine und Phlegmone sind zwei verschiedene Erkrankungen

Angelaufene Beine sind dabei nicht zu verwechseln mit einer echten Phlegmone (Einschuss, Rotlauf). Letzteres ist eine bakterielle Entzündung im Unterhautbindegewebe, die dringend von einem fachkundigen Tierarzt behandelt werden sollte, um eine Sepsis, also das „Übergreifen“ der Infektion auf den Rest des Körpers, zu verhindern.
Während eine Phlegmone nur an einem Bein auftritt, spricht man von angelaufenen Beinen, wenn mehrere Beine betroffen sind und die Schwellung nach etwa 10-15 Minuten ruhiger Bewegung wieder verschwunden ist.

Bei den meisten Pferden sind zuerst die Hinterbeine betroffen, bei einigen können im weiteren Verlauf auch die Vorderbeine anschwellen. Es beginnt meist im distalen Bereich, also oberhalb des Hufes. Wirklich auffällig wird es oft erst dann, wenn der Fesselkopf nicht mehr definiert zu sehen ist oder teilweise dann die Schwellung so weit am Röhrbein hinauf wandert, dass die Sehnen nicht mehr klar definiert sind.
Viele Pferde reagieren nach längerem Stehen mit angelaufenen Beinen, aber es gibt auch den einen oder anderen Kandidaten, der trotz Offenstallhaltung und entsprechendem Bewegungsangebot dazu neigt, „schwammige“ Beine zu haben.

Aber woher kommt es?

Ein Pferd reagiert mit angelaufenen Beinen, während der Boxennachbar stets glasklare Beine hat, auch wenn er viel weniger bewegt wird.

Wissenschaftlich kann man dazu erstaunlich wenig finden, obwohl das Phänomen so verbreitet ist und fast jedem Pferdebesitzer bekannt (auch wenn das eigene Pferd hoffentlich nicht betroffen ist). Was man bisher weiß:

  • Bewegung spielt eine entscheidende Rolle – langes Stehen fördert das Anlaufen der Beine
  • Boxenpferde sind häufiger betroffen als Offenstallpferde
  • Der Beschlag scheint eine Rolle dabei zu spielen
  • Betroffene Pferde haben häufig Frühmarker für Nierenprobleme
Boxenhaltung
Bewegung spielt eine entscheidende Rolle – langes Stehen fördert das Anlaufen der Beine © Adobe Stock/Ralf Geithe

Stehen ist Gift für Pferdebeine

Dass Bewegung eine entscheidende Rolle spielt, weiß fast jeder. Zu erkennen ist das schon daran, dass die Schwellungen schnell zurückgehen, wenn das Pferd ein Weilchen läuft. Dies hängt mit der Gefäßkonstruktion beim Pferd zusammen. Das Herz ist eine Pumpe, die das Blut in die Extremitäten pumpt, um dort die Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Das Herz ist aber kein Sauger, es kann also das venöse Blut nicht wieder hoch in den Körper ziehen.

Die Hufpumpe ist der Counterpart des Herzens

Diese Aufgabe übernimmt die Hufpumpe: Bei jedem Schritt dehnt sich der Huf aus und zieht sich zusammen. Dadurch wird das Blut über den venösen Anteil des Blutgefäßsystems wieder zurück zum Herzen gepumpt.
Ein Pferd, das viel läuft, kann damit sehr effektiv das Blut wieder aus dem Huf in Richtung Körper pumpen, sodass frisches Blut zur Versorgung des Gewebes nachfließen kann. Steht das Pferd hingegen längere Zeit, kann es sein, dass durch den von oben kommenden Druck (durch das pumpende Herz), sowie den gleichzeitig mangelnden Abfluss (da die Hufpumpe nicht arbeitet), ein erhöhter Druck in den Kapillaren entsteht, sodass Flüssigkeit aus den Blutgefäßen rausgedrückt wird und ins Bindegewebe gelangt. Das wird dann optisch sichtbar als Schwellung.

Wird das Pferd wieder bewegt, dann wird durch die Hufpumpe nicht nur das venöse Blut aus dem Bein wieder abtransportiert – und der Druck in den Kapillaren sinkt – sondern auch das Lymphsystem wird aktiviert und versackte Lymphe wird in Richtung Körper gepumpt.

Jede Störung der Hufpumpe – sei es durch längeres Stehen oder durch einen einengenden Beschlag, kann damit zum Entstehen von angelaufenen Beinen beitragen.

Deshalb sind Pferde in Boxenhaltung auch häufiger betroffen, da sie – über den Tag gesehen – weniger Zeit in Bewegung und mehr Zeit im Stehen verbringen als Pferde im Offenstall oder Paddock Trail Stall. Dennoch reagiert nicht jedes beschlagene Pferd, das nachts in einer Box steht, mit angelaufenen Beinen. Es muss also weitere Faktoren geben, die dazu beitragen.

Nach der chinesischen Medizin ist die Milz dafür zuständig, die Dinge an ihrem Platz zu halten

Die Milz sorgt also nach dieser Vorstellung dafür, dass die Körperflüssigkeiten dort bleiben, wo sie hingehören: in Blut- oder Lymphgefäßen. Ein Versacken von Lymphe im Bindegewebe wird entsprechend mit einer Schwäche in der Milz-Energie in Verbindung gebracht.

Die Milz als Organ ist den meisten weitgehend unbekannt, dabei spielt sie eine wesentliche Rolle für ein gut funktionierendes Immunsystem und die Reinigung des Blutes. Aus neueren Studien weiß man, dass der Milz auch eine Rolle als „sekundäre Bauchspeicheldrüse“ bei erhöhten Blutzuckerspiegeln zukommt. Dass die Milz durch hohe Zuckergehalte in der Nahrung geschwächt wird, ist in der chinesischen Medizin wiederum ein alter Hut.

Zucker fördert das Anlaufen der Beine

Deshalb führen hohe Zuckergehalte in der Fütterung so häufig zu Lymphpolstern: an den Flanken, im Halskamm, an der Schlauchtasche bzw. vor dem Euter oder eben zu angelaufenen Beinen.
Hohe Zuckergehalte belasten auch die Nierenfunktion, das weiß man aus jahrzehntelanger Diabetes-Forschung. Die Nieren wiederum sind verantwortlich für die Regulation des Wasserhaushalts im Körper. Können sie ihrer Aufgabe nicht ausreichend nachkommen, wird zu viel Wasser zurückgehalten. Damit der Blutdruck in den Gefäßen nicht gefährlich ansteigt, wird diese überschüssige Flüssigkeit im Bindegewebe „zwischengelagert“.

Angelaufene Beine sind also immer eine Kombination von nicht ausreichend arbeitender Hufpumpe (Bewegungsmangel, einengendem Beschlag) und einem Stoffwechselproblem.
Sehr häufig sind hier versteckte Zucker- und Stärketräger in der Fütterung beteiligt.
Vom zuckerreichen Heu über versteckte Zucker in Apfeltrester oder Karotten bis zu versteckter Stärke in Mash oder Leckerlis. Es lohnt sich, mal ganz genau hinzuschauen und den Zucker-/Stärkegehalt in der Fütterung deutlich zu reduzieren.

Unterstützt man dann noch die Nierenfunktion, beispielsweise durch geeignete Kräuter, und sorgt dafür, dass die Hufpumpe ordentlich arbeiten kann, dann bleiben die Beine bei den meisten Pferden auch nach einem Stehtag rank und schlank.

Mehr zum Thema: Onlineseminar „Zivilisationskrankheiten“

Team Sanoanimal