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Heu ist nicht gleich Heu

Zwei Heuchargen, die eine eher gelblich und nicht sonderlich duftend, die andere schön grün, toll nach Heu duftend und nach menschlichen Maßstäben das ideale Futter – aber die Pferde schauen es nicht an und bevorzugen eher das – in unseren Augen – qualitativ minderwertige, gelbliche Heu.

Aber worin unterscheiden sich denn überhaupt unterschiedliche Heuproben voneinander, abgesehen von der Zusammensetzung der Gräser? Was macht das eine Heu schmackhafter als das andere? Und wie kann man als Pferdebesitzer feststellen, welches Heu das Beste für das Pferd ist?

Ohne Laboranalyse keine Beurteilung

Hier muss man einen Blick auf die Laboranalysen werfen, in denen die Nährwerte und Fasergehalte bestimmt werden. Denn diese sieht man dem Heu von außen nicht an. Solche Analysen bieten landwirtschaftliche Untersuchungslabore an wie die LUFA oder die LKS Sachsen, die einem auch eine genaue Anleitung zur Verfügung stellen, wie man die Proben nehmen und einsenden sollte, damit das Ergebnis aussagekräftig ist.

Wenn man eine solche Heuanalyse in Auftrag gibt, wird dieses meistens nach der sogenannten Weender Analyse untersucht. Zu den dabei untersuchten Nährwerten gehören:

  • Rohprotein (der Gesamtgehalt an Eiweiß)
  • Rohfett (der Gesamtgehalt an Fetten und Ölen)
  • Rohasche (der Gesamtgehalt an mineralischen Komponenten) und
  • Rohfaser (sämtliche nicht-wasserlösliche Kohlenhydrate, also im Wesentlichen die Pflanzenfasern)

Zuckergehalt – je niedriger desto besser

Bei der Analyse für Pferde wird meist auch noch Zucker und Fruktan mitbestimmt und angegeben, bei „Gesamtzucker“ werden beide zusammengefasst. Da Zucker im Dünndarm resorbiert wird und direkt den Blutzucker steigen lässt, Fruktan aber im Dickdarm fermentiert wird und nicht als Zucker ins Blut geht, ist es für eine qualitative Bewertung von Pferdeheu wichtig, beide differenziert zu betrachten.

Der Zuckergehalt (nicht Gesamtzucker) im Heu sollte für Pferde immer unter 10% sein, besser sogar bei nur 6%, vor allem, wenn Krankheiten wie Hufrehe, EMS, Insulinresistenz, etc. vorliegen. Der Fruktangehalt spielt bei Heu eine untergeordnete Rolle, da die Wetterbedingungen zur Heuernte normalerweise auch mit niedrigen Fruktan-Werten einhergehen.

Eiweiß – nicht zu viel, nicht zu wenig.

Der optimale Proteingehalt im Pferdeheu liegt zwischen 6% und 9%. Liegt der Rohproteingehalt darunter, sollte Eiweiß z.B. in Form von Luzerne oder Esparsette ergänzt werden. Liegt er darüber, ist das Heu für Sportpferde mit ihrem erhöhten Proteinbedarf geeignet, kann aber bei Robust- und Freizeitpferden zu Verfettung (EMS) führen.

Woher kommt die Energie für das Pferd?

Der eigentliche Energielieferant im Heu bei Pferden ist aber die Faser. Faser wird ausschließlich über die Mikroorganismen im Dickdarm verdaut und setzt sich zusammen aus den unterschiedlichen Zellwandbestandteilen, die mehr oder weniger verdaulich sind. Diese Zellwandbestandteile sind Hemicellulosen und (wasserunlösliche) Pektine (beide recht leicht verdaulich), Cellulose (weniger verdaulich) und Lignin (unverdaulich für Pferde).

Je größer die Pflanze gewachsen ist – und damit auch je später sie geerntet wurde – desto höher wird der Gehalt an Lignin. Das spröde Lignin sorgt dafür, dass der Stängel der Pflanze stabil bleibt und nicht umknickt, d.h. der Rohfasergehalt steigt, aber die Verdaulichkeit nimmt ab, da Lignin von Pferden nicht verdaut werden kann.
Zudem nimmt der Eiweißgehalt (Rohprotein) ab, je älter der Aufwuchs ist.

Grasaufwuchs
© Elke Malenke

Faser ist nicht gleich Faser

Bei der herkömmlichen Weender Analyse wird leider nicht nach den unterschiedlichen Faserfraktionen geschaut, sondern lediglich nach Rohfaser (Cellulose, Lignin), Stickstoff-freien Bestandteilen (NfE, im Wesentlichen alle restlichen Kohlenhydrate, also Zucker, Stärke etc.), Rohfett, Rohprotein und Rohasche unterschieden.

Da aber der Gehalt an verdaulichen Fasern für das Pferd das ausschlaggebende Kriterium ist, wurde die Weender Analyse 2004 nach van Soest modifiziert. Es erfolgte eine weitere Unterteilung in Nicht-Faser-Kohlenhydrate (NFC, dazu gehören Zucker, Stärke, Fruktane und wasserlösliche Pektine), Neutral-Detergend-Fiber (NDF, alle Strukturkohlenhydrate wie Hemicellulosen, Cellulose und Lignin), Acid-Detergend-Fiber (ADF, Cellulose und Lignin) und Acid-Detergend-Lignin (ADL, Ligningehalt).

Werden diese Fraktionen bestimmt, kann daraus der Gehalt an Hemicellulose berechnet werden:
Hemicellulosegehalt = NDF – ADF
Auch der Gehalt an Cellulose kann berechnet werden: Cellulosegehalt = ADF – ADL

Unterschiedliche Fasern im Heu. © Elke Malenke

Wirkung unterschiedlicher Fasern

Sowohl Lignin als auch Cellulose, die beide nicht oder nur schwer verdaulich sind, verlangsamen die Darmperistaltik, d.h. wenn das Pferd zu Verstopfungskoliken neigt, ist es besser ein Heu zu füttern, dessen ADF Gehalt niedriger ist. Wenn das Pferd eher zu Durchfall neigt, sollte der ADF Gehalt höher sein.

Beim Kaninchen wurde das schon sehr gut erforscht. Dort ist der ideale Faktor von verdaulicher Faser (digestable Fibre, DF) zu ADF kleiner 1,3. Ist der Faktor größer, bekommen Kaninchen Durchfall. Leider gibt es so genaue Angaben für das Pferd noch nicht.

Ganz grob kann man sagen, dass der ADF Gehalt (Cellulose und Lignin) nicht über 45% sein sollte, da dieses Heu dann einen deutlich zu geringen Nährwert hat. Man kann solches Heu jedoch gerade bei stark übergewichtigen (EMS, Fetteinlagerungen) oder sehr leichtfuttrigen Pferden gegebenenfalls zum Mischen mit einem nahrhafteren Heu verwenden, um eine 24/7 Heuversorgung zu gewährleisten, ohne dass dabei zu viel Energie aufgenommen wird.

Idealerweise ist der ADF Gehalt im Heu für gesunde Pferde unter 31%. Heu mit einem NDF Gehalt über 65% ist für Pferde nicht mehr sehr schmackhaft, kann aber ebenfalls unter Umständen zum Mischen mit nahrhafterem Heu verwendet werden.

Heu Ernte
Die verschiedenen Faserfraktionen sind der Grund, warum Pferde keinen 2. Schnitt bekommen sollten. © Adobe Stock/Ludmila Smite

Die Zusammensetzung der verschiedenen Faserfraktionen sind auch der Grund, warum an Pferde kein 2. Schnitt („ Kuhheu“) verfüttert werden sollte. Im zweiten Aufwuchs ist der Gehalt an (unlöslichen) Pektinen im Verhältnis zu Cellulose, Hemicellulose und Lignin viel höher, was zu Durchfällen, Aufgasungen oder Koliken führen kann.

Fazit

Ein ideales Pferdeheu ist damit ein später erster Schnitt von einer artenreichen Wiese ohne Hochzucker-/Hochleistungsgräser, der einen hohen Gehalt an Cellulose und Hemicellulose aufweist, einen mäßigen Gehalt an Lignin und einen geringen Gehalt an unlöslichen Pektinen.

Mehr dazu in Geballtes Wissen #25 Habe ich „gutes“ Heu? Heuanalysen richtig lesen oder Heuanalyse – lohnt sich immer!