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Immer mehr Reiter interessieren sich für die Fütterung von Kräutern als Ergänzung zum täglichen Speiseplan für ihr Pferd. Sie sind meist zuckerarm und enthalten wertvolle Wirkstoffe, die – gezielt eingesetzt – den Stoffwechsel des Pferdes in Schwung bringen können. Unsere Großväter konnten die Pferde noch oft in die Wälder treiben und dort ihr Futter selber suchen lassen oder die Pferde knabberten tagsüber links und rechts am Feldrand an verschiedensten Pflanzen, die dort noch wuchsen. Übermäßiger Spritzmitteleinsatz in der Landwirtschaft sowie Überdüngung der Flächen zur Ertragssteigerung in den letzten Jahrzehnten hat bei uns die Artenvielfalt immer weiter schrumpfen lassen, sodass selbst das Heu heute oft kaum oder gar keine Kräuterpflanzen mehr enthält.

Grüne Weidewiesen im Sommer
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Waren vor 50 Jahren in Heuproben durchschnittlich noch 50 verschiedene Pflanzenarten zu finden, beschränkt sich die Botanik in heutigen Heuproben auf 6-9 verschiedene Pflanzen, von denen die meisten Gräser sind. Wegränder sind oft reinste Monokulturen und die Waldbesitzer sind nicht wirklich glücklich, wenn man sein Pferd sich dort querfeldein sein Futter suchen lässt…

Diesem „Kräutermangel“ in der täglichen Fütterung kann man gut entgegenwirken durch die gezielte Fütterung von einzelnen Kräutern oder auch Kräutermischungen. Gerade das selber-sammeln erfreut sich wachsender Beliebtheit. Fast überall werden mittlerweile von versierten Fachleuten Kräuterwanderungen angeboten. Man lernt hier vieles über heimische Kräuterpflanzen und ihre traditionelle Anwendung, wie auch über die notwendigen Zubereitungen. Einige Wirkstoffe entfalten sich nämlich nur, wenn sie ausgekocht werden, andere muss man mit einem alkoholischen Auszug aus der Pflanze lösen oder mit einem Kaltwasserauszug. Kräuterkurse helfen einem, aufmerksamer durch die Natur zu gehen und man entdeckt plötzlich viele heimische Helfer, um dem Stoffwechsel des Pferdes – je nach Bedarf – auf die Sprünge zu helfen.

Verschieden getrocknete Kräuter und Kräutertinkturen
© yanadjan / Adobe Stock

So kann man Beifuß, Walnussblätter ebenso wie wilden Meerrettich sammeln und trocknen, um sie im Herbst als natürliche Wurmmittel zu geben. Auch Hagebutten bieten sich für die Sammlung an, sie sollte man aber im Ofen oder auf der Heizung trocknen, damit sie nicht schimmelig werde. Sie wirken mild gegen leichte Arthrose, liefern hochwertige Öle und werden von einigen Pferden sogar gerne als Leckerchen genommen. Brennnesseln, wie sie teilweise hüfthoch auf Weiden stehen, kann man mähen, bündeln und trocknen und zum Fellwechsel im Stall aufhängen – die Pferde bedienen sich nach Bedarf und regen damit ihre Nierenfunktion an. Auch Schafgarbe eignet sich für das trocknen in Bündeln, sie wird gerade im Winter gerne genommen und ist ein „Allrounder“ unter den Kräutern, der Leber und Darm unterstützt und damit das Immunsystem entlastet. Im Garten oder Balkonkasten kann man Salbei und Thymian anpflanzen, die Klassiker bei Atemwegserkrankungen. Auch Pfefferminze wird von Pferden oft sehr gerne gefressen, sie wirkt stabilisierend auf den Darm und eignet sich bei vielen Pferden auch, um nicht so schmackhafte Kräutermischungen „leckerer“ zu machen. Oregano und Majoran sind ebenfalls Darm-beruhigend und unterstützen gerade im Herbst in der Umstellung von der abgeknabberten Weide zur Heufütterung.

Korb mit frisch gepflückten Brennnesseln
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Das Angebot von Bündeln trockener oder frischer Kräuter eignet sich auch für Einsteller, ob in Boxen- oder Offenstallhaltung. Hat man mehr Handlungsspielraum in der Gestaltung von Stall und Auslauf, dann bieten sich Naturhecken entlang von Paddock Trails (www.offenstallkonzepte.com) an. Sie sind Lebensraum für diverse Kleintiere und die Pferde haben immer etwas zu knabbern, was in Richtung Zaun wächst. Auch hat sich die Anlage eines Hochbeets als „Kräuterbar“ in Offenställen bewährt, hier können sich die Pferde selber bedienen nach Bedarf. Dabei sollte das Hochbeet mit einem Gitter abgedeckt werden, sodass die Pflanzen nicht bis zur Erde hinab abgefressen werden können. Die Pferde können die überstehenden Kräuterteile abknabbern und die Pflanze kann sich unter dem Gitter immer wieder erholen. Es ist spannend zu beobachten, welche Pferde an welchen Kräutern am liebsten naschen und welche eher stehen bleiben oder nur zu bestimmten Zeiten gefressen werden.

Und für alle anderen gibt es ja immer noch Hersteller fertiger Kräutermischungen, z.B. OKAPI oder PerNaturam etc. Kräutermischungen kommen dabei dem natürlichen Fressverhalten näher entgegen, da Wildpferde ja nicht in Monokulturen leben, sondern die Natur einen artenreich gedeckten Tisch anbietet. Kräuter kann man im Trog anbieten oder über angefeuchtetes Heu streuen. Sind Pferde an Kräuterfütterung gewöhnt, so kann man verschiedene Mischungen auch in Plastikdosen füllen und den Pferden so hinhalten. Wenn die Mischung passt, dürfen sie 2-3 Maulvoll davon nehmen, wenn nicht, dann stellt man sie weg und bietet sie ein paar Wochen später mal wieder an. Beobachten Sie Ihr Pferd, welche Mischungen es zu welchen Zeiten am liebsten nimmt. Man lernt viel über die natürlichen Stoffwechselschwankungen und kann auch Schieflagen oft früher erkennen, wenn man hier seinen Blick schult. So fressen Pferde oft schon Atemwegs-unterstützende Kräuter, noch bevor wir sie husten hören. Die eine oder andere Erkrankung kann dann oft schon frühzeitig abgefangen werden, bevor sie sich manifestiert und aufwendige Therapien und Medikamente nötig macht.

Pferd steht auf einer grünen Wiese
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Aber immer daran denken: Kräuter enthalten pharmakologisch wirksame Stoffe! Wo eine Wirkung, da ist potentiell auch eine Nebenwirkung und die Dosis macht auch hier das Gift. Daher unsere Empfehlung: zuerst mit Kräuterwanderungen und einschlägiger Literatur weiterbilden, dann sammeln (oder kaufen) und füttern.