Lesedauer 15 Minuten

In einigen Posts haben wir 5 wichtige Dont´s in der Pferdefütterung vorgestellt und damit viele Reaktionen ausgelöst, was sicherlich auch mit daran liegt, dass sich die von uns genannten Punkte großer Beliebtheit in der Fütterung der Pferde erfreuen.

Sind diese Aussagen zu pauschal?

Wer uns kennt weiss, das wir von pauschalen Antworten in der Regel nichts halten. Gerade aus therapeutischer Sicht, muss jedes Pferd individuell betrachtet und auch gefüttert werden. Genau aus diesem Grund beantworten wir die meisten Nachrichten und Fragen die uns erreichen immer mit „…das kann man so pauschal nicht sagen, denn wir kennen das Pferd nicht und haben nicht genügend Infos“ oder „…da sollte man eine ausführliche und ganzheitliche Anamnese machen.“

ABER: Es gibt Futtermittel bei denen man pauschalisieren kann und wir dies auch ganz bewusst tun. Und zwar ist das dann der Fall, wenn ein Futtermittel für KEIN Pferd geeignet ist, es also keine Ausnahmen gibt. Wenn wir hier nicht pauschalisieren würden, sondern eine Aussage treffen würden wie „…bei den meisten Pferden…“ wäre das einfach nicht ehrlich, sondern gelogen. Bei den von uns genannten Punkten gibt es diese Ausnahmen nicht.

Und ja, wir wissen das jetzt wahrscheinlich Kommentare gibt in denen steht: „Ich mache das aber schon seit Jahren so und mein Pferd sieht gut aus.“ Uns ist durchaus bewusst, dass es genügend Pferde gibt die so gefüttert werden und viele davon nicht schlecht aussehen. Aber nur weil etwas ohne Probleme funktioniert heißt es nicht auch das es gesund oder sogar gesundheitsfördern ist.

Aber lasst uns da ein wenig genauer drüber sprechen. Wir gehen in den kommenden Post also noch weiter auf die genannten Punkte ein. Über Heulage, Bierhefe und Effektive Mikroorganismen haben wir in unserem letzten Artikel bereits gesprochen. Du findest ihn hier. Weiter geht´s mit dem Thema Ölfütterung:

Populäre Irrtümer der Pferdefütterung – Öle

Behauptung: „Die Leber speichert Gallenflüssigkeit

Gallenflüssigkeit wird von Leberzellen produziert und an die Gallengänge abgegeben, die zwischen den Kupffer-Sternzellen der Leber beginnen. Die Gallengänge vereinen sich zum Sammelgang, der bei vielen Säugetieren eine Erweiterung aufweist, die Gallenblase. Diese dient der Zwischenspeicherung von Gallenflüssigkeit, vergleichbar mit der Speicherfunktion der Harnblase für den Urin, der von den Nieren sezerniert wird.

Bei Mahlzeitenfressern wird die Gallenblase reflektorisch geleert, wenn eine große, meist fettreiche Mahlzeit vom Magen in den Dünndarm gelangt. Dabei sorgen die Spaltprodukte aus der Protein- (und teilweise Lipid)-Verdaung im Magen beim Eintritt in den Dünndarm für die Freisetzung des Intestinal-Hormons Cholecystokinin, welches für die Erschlaffung des Gallengang-Ringmuskels Sphincter Oddi sowie zusammen mit Acetylcholin für die Kontraktion der glatten Muskulatur der Gallenblase verantwortlich ist.

Damit wird die Gallenflüssigkeit aktiv aus der Gallenblase in den Dünndarm gepumpt. Beim Pferd besteht hier die Besonderheit, dass es keine Gallenblase ausgebildet hat, da es von der Evolution nicht auf fettreiche, große Mahlzeiten ausgelegt ist, sondern auf die Daueraufnahme von nährstoff- und damit auch fettarmem Raufutter. Daher wird die Gallenflüssigkeit, die kontinuierlich von den Hepatozyten (Leberzellen) sezerniert wird, relativ gleichmäßig in den Dünndarm abgegeben.

Das passt beim Dauerfresser Pferd zur Steuerung der Magenentleerung, da hier ein Reflex dafür sorgt, dass bei Eintritt von Nahrungsbrei in den Magen jeweils eine kleine Menge an den Dünndarm weiter gegeben wird. Für die kleinen nährstoffarmen Portionen, die aus dem Magen in den Dünndarm gelangen, reicht die kleine Menge Gallenflüssigkeit, die jeweils zugegeben wird, für die Dünndarm-Verdauung aus. Die Leber selber hat – abgesehen von der Gallenblase – keine Speicherkapazitäten für Gallenflüssigkeit (ebenso wie die Nieren keinen Urin speichern können). 

Ölflasche und Leinsamen
Die Ölfütterung bei Pferden wurde überhaupt erst vor etwa 20 Jahren begonnen. © emmi/Adobe Stock

Behauptung: „Die Galleproduktion steigert sich bei Ölfütterung

Die Menge der produzierten Gallenflüssigkeit, ebenso wie die Zusammensetzung verändert sich mit der aufgenommenen Nahrung, was unter anderem ein Grund dafür ist, warum insbesondere dünndarmverdauliche Futtermittel nur langsam in den Futterplan integriert werden sollten. Dabei ist die Adaptationsfähigkeit der Gallenflüssigkeitsmenge und -zusammensetzung bei Tierarten, die auf eine Dünndarmverdauung spezialisiert sind wie Hund oder Mensch, deutlich größer als beim Pferd.

Evolutionsbedingt ist das Pferd ein Grasfresser und damit ein Dickdarm-Verdauer, sodass dünndarmverdauliche Nährstoffe immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, sodass das Pferd keine besondere Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Fettgehalte im Futter entwickeln musste. Den größten Unterschied zwischen dem Pferd und andereTierarten stellt jedoch nicht so sehr die produzierte Menge dar, sondern die Fähigkeit der Säugetiere mit Gallenblase, die von den Leberzellen produzierte Gallenflüssigkeit in der Gallenblase aufzukonzentrieren.

Bei Fleischfressern sowie beim Allesfresser Mensch kann so die Gallenflüssigkeit auf das 5-10fache aufkonzentiert werden, was einer deutlich größeren Wirkung pro Milliliter entspricht. Beim Pferd hingegen gelangt die Lebergalle kontinuierlich in den Dünndarm, sodass hier keinerlei Aufkonzentration stattfinden kann, was bedeutet, dass beim Pferd nur eine geringfügige Anpassung an eine fettreiche Fütterung gegeben ist. Auch der bei Gallenblasen-Trägern ausgebildete Entleerungsmechanismus der Gallenflüssigkeit über das Cholecystokinin- und da Acetylcholinsystem ist beim Pferd nicht vorhanden.

Dadurch kann die Gallenflüssigkeit nur sehr eingeschränkt an die Nahrungszusammensetzung angepasst werden. Bei nicht ausreichender Emulgation der Fette und damit einhergehender Mikromicellenbildung im Dünndarm kommt es jedoch zum Verschleppen von Fettanteilen im Nahrungsbrei in den Dickdarm. Hier wirken Fette toxisch auf das natürliche Mikrobiom, was eine Dysbiose und damit auch Reduktion der Energiegewinnung aus den Pflanzenfasern nach sich zieht. 

Behauptung: „Öl ist ein wichtiger Energielieferant

Pferde haben sich aufgrund ihres natürlichen Lebensraums Steppe im Lauf der Evolution daran angepasst, ihren Energiebedarf aus dem Faseranteil ihres Nahrungsspektrums zu gewinnen. Kein Säugetier ist in der Lage, Pflanzenfasern enzymatisch aufzuschließen, daher nutzen alle Pflanzenfresser Mikroorganismen als Helfer, um an die in den komplex vernetzten Fasern gespeicherte Energie zu gelangen. Die Wiederkäuer wie Kühe oder Schafe machen das im Magen mit Hilfe ihrer Pansenflora. Pferde haben diesen Prozess genauso wie Nashörner und Kaninchen in den Dickdarm verlagert und gewinnen hier mit Hilfe Ihres Darm-Mikrobioms die Energie aus Cellulose, Hemicellulose und Pektinen.

Natürlich sind sie in der Lage, andere Nährstoffe als Energielieferanten zu nutzen, diese Fähigkeit hat jedes Säugetier. Aber die Effizienz, die verschiedenen Nährstoffe in Energie umzuwandeln, ist bei verschiedenen Säugetieren – entsprechend ihrer Ernährungsweise – sehr unterschiedlich. Stellt man Pferde so ein, dass der Energiegehalt des Raufutters genau dem Energieverbrauch des Pferdes durch Training entspricht, nehmen sie weder zu noch ab. Steigert man jetzt den Energieverbrauch durch vermehrtes Training, müsste das Pferd theoretisch an Gewicht verlieren, weil es auf Reserveenergien zurückgreifen muss. Das ist aber zunächst nicht der Fall. Pferde sind offenbar in der Lage, bei erhöhtem Energieverbrauch die Energiegewinnung aus der Faserfraktion des Futters mit Hilfe ihres Dickdarm-Mikrobioms bis zu einem gewissen Grad zu steigern, der Mechanismus, wie dies geschieht und gesteuert wird, ist jedoch noch nicht verstanden. Erst wenn der Energieverbrauch durch weitere Trainingssteigerung darüber hinaus geht, greift der Pferdekörper auf andere Energieträger zurück. In dem Fall aber nicht auf eingelagerte Fette, sondern Eiweiße (Proteine). Pferde können etwa 25% ihres Körperproteins in Notfällen zur Energiegewinnung nutzen. 

Bei den meisten Tierarten erfolgt bei Energiemangel die Energiebereitstellung über intramitochondriale Ketogenese in der Leber, also Abbau von körpereigenen, eingelagerten Fetten. Diese Ketonkörper werden von der Leber ins Blut abgegeben und können von Herz- und Skelettmuskulatur und Nierenrinde sowie bei den meisten Tierarten auch dem Zentralnervensystem verwertet werden, um dort Glucose als Energieträger wenigstens teilweise zu ersetzen. Bei Pferden ist jedoch die Fähigkeit zur Ketonkörperbildung im Energiemangel nur sehr gering ausgeprägt. Geraten Pferde in eine negative Energiebilanz und können den Bedarf weder durch effizientere Faserverwertung noch durch Proteolyse (Abbau von Eiweiß zur Energiegewinnung) ausgleichen, ist das für den Stoffwechsel hoch problematisch.

Bei Pferden werden die in solchen Fällen durch Lipolyse aus dem Fettgewebe freigesetzten Fettsäuren in der Leber zu Triacylglyceriden reverestert, was zum Risiko der Hyperlipidämie führt, die beispielsweise bei radikalen Hungerkuren, wie man sie bei dicken Hufrehepferden noch immer häufig praktiziert, zum Tod des Tieres führen kann. Eine solche Hyperlipidämie kommt bei anderen Tierarten nicht vor, weil sie die abgebauten Fettsäuren effizient zur Neoglucogenese verwenden können. Öle dürfen also bei Pferden nicht in die Energiebilanz eingerechnet werden. Sie dienen als Grundbaustoffe, beispielsweise in der Geweberegeneration, zum Aufbau von verschiedenen Hormonen oder auch als Organschutz. Aber nicht als Energieträger!

„Behauptung: 500g Öl pro Tag sind völlig in Ordnung

Diesem Wert liegen rechnerische Überlegungen zugrunde, die wie folgt aussehen: Heu enthält in unseren Breitengraden üblicherweise 1-2,5% Rohfettgehalt. Ein gesundes Pferd nimmt bei Fütterung ad libitum, also der freien Aufnahme bis zur Sättigung, im Schnitt 2-3% seines Körpergewichts an Heu auf, also 2-3kg je 100kg Körpergewicht. Bei einem Pferd mit 600kg Körpergewicht, das hier standardmäßig zugrunde gelegt wird in Berechnungen zur Fütterung, haben wir also eine Heumenge pro Tag von etwa 12-18kg. Dabei weiß man aus Untersuchungen, dass Pferde bis zu 25kg Heu pro Tag fressen können als absolute Maximalmenge.

Nun werden Nährwerte immer auf Trockensubstanz bezogen, man muss also die gefressene Heumenge zunächst in Trockensubstanz Heu umrechnen, um dann den Rohfettgehalt umlegen zu können. Heu enthält üblicherweise etwa 10% Restfeuchte. Rechnet man 25kg Heu um, erhält man so 22,5kg Trockengewicht. Bei einem Maximalgehalt von 2,5% Rohfett kann man also davon ausgehen, dass ein Pferd, das am Tag 25kg Heu frisst, um die 562,5g Rohfett zu sich nimmt. Wohl gemerkt: Wir sprechen hier von Fetten, die im Heu gebunden langsam über einen Zeitraum von 24 Stunden in den Verdauungstrakt gelangen, also nicht als „Fettauge“ im Kraftfuttertrog. Diese dem Kraftfutter oder auch anderen Trägern zugesetzten Fette müssen zunächst von der Peristaltik zerkleinert und dann emulgiert werden, während sie in Pflanzen (also Heu und Gras) bereits in winzigen Fettmicellen in Samen bzw. in Form von einzelnen Fettmolekülen in Pflanzenzellen enthalten sind. 

Dabei ist die Effizient der Fettverdauung linear abhängig von der Größe der Fetttröfpchen. Denn je kleiner die Fetttröpfchen, umso größer im Verhältnis zum Volumen die Oberfläche und umso effizienter der Verdauungsprozess durch die Lipasen, die sich in einem Lipase-Colipase-Komplex zwischen die Emulgatormoleküle auf die Oberfläche des Fetttröpfchens setzen. Optimal ist hier ein Durchmesser von 100-1.000nm (Nanometer).

Diese Fetttröpfchen entstehen aus zugesetzten Nahrungsfetten, indem diese von der Peristaltik „durchgewalkt“ werden. Der Prozess ist umso effizienter, je länger er durchgeführt wird. Das kann man ganz einfach selbst probieren, indem man Wasser und Öl in ein Glas gibt und etwas Spülmittel dazu. Wenn man das Glase jetzt kurz schüttelt, dann steigen, sobald man das Glas abstellt, relativ große Fetttröpfchen wieder nach oben.

Je länger man das Glas schüttelt, umso kleiner werden diese Fetttröpfchen, bis sie irgendwann so klein sind, dass ihr spezifisches Gewicht nicht mehr ausreicht, um nach oben zu steigen, sodass eine homogene, milchige Flüssigkeit entsteht. Der Dünndarm eines Menschen hat etwa 8 Stunden Zeit, das Nahrungsfett peristaltisch so zu bearbeiten, dass gut verdauliche, kleine Fetttröpfchen entstehen. Der Dünndarm des Pferdes hat hierfür nur 45-90 Minuten Zeit. Je mehr Fett der Nahrung zugesetzt wird, umso größter das Risiko, dass diese Fette nicht ausreichend emulgiert werden können, zumal zu den zugesetzten Fetten ja auch noch die ohnehin in der Nahrung enthaltenen Fette verdaut werden müssen.

Darüber hinaus müssen auch die bei der Fettverdauung anfallenden Monoacylglycerine und Fettsäuren konjugiert mit den Gallenflüssigkeits-Detergenzien in Form von so genannten gemischten Micellen transportiert werden, die sternförmig angeordnet aus hydrophoben und hydrophilen Molekülen zusammen gesetzt sind und einen Durchmesser von 3-5nm haben. So stehen die Emulgatoren nicht komplett zur Verfügung, um die Fetttröpfchen verdaulich zu machen, sondern werden auch noch benötigt, um die verdauten Fette zur Darmwand zu transportieren, wo sie aufgenommen werden. Und das bei einem Organismus wie dem Pferd, dessen Gallensystem nicht auf große Fettmengen ausgelegt ist und daher von Natur aus wenig Emulgationsfähigkeit hat.

Die Fettverdauungsfähigkeit hängt also von mehreren Faktoren ab: wie viel Menge Fett insgesamt pro Zeiteinheit in den Dünndarm gelangt und in welcher Form diese Fette schon gelöst sind.

So macht es verdauungsphysiologisch einen riesigen Unterschied, ob 500g Fett auf ein oder zwei Mahlzeiten verteilt als reines Öl in den Dünndarm gelangen oder über einen Zeitraum von 24 Stunden in vor-zerkleinerter Form als Fette aus Raufutter. Das ist vergleichbar damit, als würde ich als Mensch meine Fette entweder täglich in der Nahrung gelöst zu mir nehmen, wie das jeder von uns macht, also in Form von Butter auf dem Brot, Käse, Wurst, Fleisch, Fette in Bratkartoffeln, Sahne in der Nudelsoße etc. oder ob ich dieselbe Fettmenge (im Schnitt nimmt ein Mensch 80-90g Fett pro Tag zu sich) in einer Portion als eine Tasse Olivenöl oder einem Drittel eines Butterblocks zu mir nehme. Die in der Literatur oft angegebenen 500g sind also ein theoretischer Wert, der in seinem Ursprung nicht dafür gedacht war, dass man diese Mengen dem Futtertrog zusetzt, sondern um darzustellen, was ein Pferd maximal in seiner normalen Ernährung kompensieren kann. Da man bei Pferden selbst unter experimentellen Bedingungen keinen Fettsäuremangel erzeugen kann (da das Dickdarm-Mikrobiom ein Nettoproduzent auch von essentiellen Fettsäuren ist), sollte man solche Empfehlungen zur Zufütterung sehr kritisch hinterfragen.

Zum Thema Öl, haben wir auf unserer Website auch noch ein Video in dem wir das Ganze erklären. Schaut doch mal rein: https://wissen.sanoanimal.de/2020/12/04/video-olfutterung-sinnvoll-oder-nicht/

Ölfütterung für Pferde: was gibt die aktuelle Literatur her?

Magazine
Es gibt viele Studuen, die verschiedene Aspekte zur Ölfütterung untersucht haben. © Adobe Stock/C.Castilla

Es gibt nicht nur eine Studie, sondern einige Dutzend, die verschiedene Aspekte zur Ölfütterung untersucht haben. Die Ölfütterung bei Pferden wurde überhaupt erst vor etwa 20 Jahren begonnen. Treiber hier war insbesondere die Futtermittelindustrie, die nach Alternativen zum (geflockten) Getreide gesucht hat, da immer mehr Pferde auf die Getreidefütterung mit EMS, Insulinresistenz und Hufrehe reagieren.

Denn das Pferd ist auf die „Entsorgung“ so großer Zuckermengen – vor allem in Kombination mit so wenig Bewegung, wie sie meist haben – nicht ausgelegt. Damit der Besitzer jetzt trotzdem etwas (zuckerfreies) in den Trog füllen kann, wurde neben den Produktlinien der „Strukturhäckselfutter“ auch auf Fette und Eiweiße als Ersatz gesetzt.

Anstatt das Grundproblem anzugehen, dass nämlich die meisten Pferde in unseren Haltungsbedingungen schlichtweg an Überfütterung zusammen mit Unterarbeitung leiden. Ob PSSM oder Insulinresistenz – mit der Fütterung von fett- und eiweissreichen Mahlzeiten an solche Pferde wird vor allem das Bedürfnis der Besitzer befriedigt, dem Pferd etwas in den Futterkübel zu tun. Mit artgerechter Ernährung hat das wenig zu tun.

Aus diesen Fett-Eiweiss-Müslis hat sich dann die Zugabe von Öl zur täglichen Futterration entwickelt, mit der von den Futtermittelherstellern übermittelten Botschaft, dass die Pferde die Energie aus dem Krippenfutter dringend brauchen, weil sie diese mit dem Heu alleine nicht decken könnten. Gleichzeitig haben aber dieselben Pferdebesitzer Angst davor, ihren Pferden mehr Heu zu füttern, weil das Pferd davon „dick werden könnte“.

Fette und Eiweiße sind das perfekte Futter für Fleischfresser. Er nimmt im Wesentlichen Eiweiß und Fett aus seiner Nahrung auf, worauf sein Stoffwechsel von der Evolution entsprechend angepasst ist. Dagegen nimmt das Pferd als Pflanzenfresser Öle und Fette und in geringen Mengen auf, da es ein Raufutterverwerter, also Verdauer von Strukturkohlenhydraten ist. Öle und Fette sind im Wesentlichen in den Samen enthalten, die bei einer artgerechten Ernährung in entsprechend geringen Maßen aufgenommen werden.

Davon ausgehend, dass ein durchschnittliches Heu ca. 2,5% Rohöle und -fette enthält, kann man bei einer normalen Heuaufnahme bei einem Warmblüter (ad libitum) 15-20kg von 375g bis 500g Rohölen/-fetten ausgehen, die im Verlauf von 24h in das Verdauungssystem gelangen. 500g Rohöle/fette pro Tag ist bereits das Maximum, das die GfE empfiehlt im Futter für Pferde (die Empfehlung schließt das Grundfutter mit ein! Das wird leider von vielen Futter“Experten“ gerne vergessen…). Das ist – gerechnet auf das Pferdegewicht – sehr wenig und das liegt eben daran, dass das Pferd auf die Verdauung größerer Öl/Fettmengen evolutiv einfach nicht ausgelegt ist.

Das Pferd mag Öle bis zu einem gewissen Maß tolerieren – das tut es ja auch mit Stärke, die es eigentlich nicht als Energielieferant braucht. Aber die Sinnhaftigkeit einer Ölfütterung erschließt sich daraus nicht, haben doch praktisch alle Pferde in unseren Haltungsbedingungen schon durch eine Fütterung von Heu bis zur Sättigung (ad libitum) bereits einen erheblichen Energieüberschuss, der nicht adäquat durch Arbeit abgebaut wird.

Man kann davon ausgehen, dass Heu durchschnittlich etwa 8MJ Energie pro kg enthält (Schwankungen zwischen 7 und 9MJ je kg). Ein Warmblüter von 600kg Körpergewicht hat einen Erhaltungsbedarf von etwa 80MJ und wenn er täglich „normal gearbeitet“ wird, kommen nochmal 8-12 MJ dazu. Bekommt dieses Pferd Heu in ausreichender Menge (also 12-15kg), dann sprechen wir über 96 – 120MJ Energie – bei einem Bedarf von etwa 80-92MJ. Das Pferd hat also schon mit reiner Heufütterung einen Energieüberschuss.

Jetzt noch die Energie im Futter mit Ölen zu erhöhen, ist dabei relativ widersinnig, insbesondere da die Energiegewinnung aus Öl beim Pferdestoffwechsel überhaupt nicht im Vordergrund führt. Gerade die Studienergebnisse zur Leistungssteigerung durch Ölfütterung sind ausgesprochen widersprüchlich und viele belegen einen Leistungsabfall durch Ölzufütterung, statt einer Leistungssteigerung.

Prof. Coenen (Autor des berühmten Meyer & Coenen „Pferdefütterung“) selber ist gegen die Zufütterung von Ölen mit der Futterration, da seiner Meinung nach

1. alle Öle unausgewogen sind und nicht an das optimale Fettsäuremuster des Raufutters rankommen

2. etwa 15% der Kraftfutterration zugesetztes Öl immer im Dickdarm landen und dort toxisch sind für die Darmflora und

3. vom Pferd überhaupt nicht benötigt werden, da es ausreichend über sein Grundfutter versorgt ist, da man

4. in keiner durchgeführten Studie überhaupt einen Mangel an Ölen beim Pferd nachweisen konnte.

(Vortrag auf dem Pferdefütterungs-Seminar 2015 Leipzig sowie pers. comm. auf diesem Seminar)

Informationen zum wissenschaftlichen Stand von Ölen/Fetten in der Fütterung findet man auch in R.J. Geor, P.A. Harris, M. Coenen „Equine Applied and Clinical Nutrition“, Saunders/Elsevier 2013 und in D. Frape „Equine Nutrition and Feeding“, Wiley-Blackwell, 2010 bzw. 2013 inkl. der zitierten Originalstudien sowie in allen wissenschaftlichen Datenbanken, z.B. der PubMed http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed.

Aber es ist schon interessant, dass man immer wieder wissenschaftlich begründen muss, warum man etwas nicht füttern sollte, während die Behauptung, dass etwas gut ist als Futter für das Pferd, sofort und ohne Nachfrage akzeptiert wird.