Lesedauer 9 Minuten

Wir beobachten in den letzten Jahren einen zunehmenden Trend, Pferden im Winter eine Thermodecke zu verpassen. Dazu beigetragen hat sicherlich der Trend, Pferde vermehrt in Offenställen zu halten oder tagsüber auf Winterausläufe zu stellen, statt sie 23 Stunden in der Box (im komplett verrammelten, weil sonst zu kalten Stall!) zu lassen. Oft ist hier der Besitzer besorgt, das Pferd könnte dann aber nass werden und/oder frieren. Was sollte man beachten, wenn man sein Pferd „schlechtem Wetter“ aussetzt?

Das Winterfell unserer Pferde

Vergessen wird dabei in den meisten Fällen, dass das Winterfell des Pferdes eine Hightechfaser ist, die besser schützt als jede moderne Funktionsjacke. Pferde haben sich als Steppentiere daran angepasst, auch mit widrigem Wetter wie Schnee, pfeifendem Wind oder Regen zurecht zu kommen.

Das Winterfell besteht daher aus zwei verschiedenen Haaren: der wärmenden Unterwolle und dem Wasser abweisenden (im Winter hohlen und damit auch isolierenden) Deckhaar.

Mähnenkamm und Schweif leiten zusätzlich das Wasser von den besonders empfindlichen Stellen ab. Schaut man ein „pitschnasses“ Pferd mal genau an, dann erkennt man, dass das Deckhaar sich so legt, dass der Regen oberflächlich ablaufen kann. Die Feuchtigkeit kommt überhaupt nicht bis auf die Haut.

Biegt man das Fell zur Seite, sieht man in den tieferen Schichten trockene Unterwolle, die hier ein prima Wärmepolster bildet. Die oberste Fellschicht kann sogar vereisen, während gleichzeitig die Haut warm und trocken ist – da die Unterwolle mit dem Luftpolster die Haut bestens gegen die Kälte von außen isoliert.

Nach Regen gefolgt von Temperatursturz vereist Fell, Unterwolle und Haut waren aber trocken und warm und das Pferd bester Dinge.

Das Winterfell besteht daher aus zwei verschiedenen Haaren: der wärmenden Unterwolle und dem Wasser abweisenden Deckhaar.
© James / Adobe Stock

Durch die Kapillarwirkung der Haare wir gleichzeitig Schweiß von der Haut weg nach außen transportiert, wo er ablaufen bzw. verdunsten kann – das Fell ist also gleichzeitig eine Abschwitzdecke. Auch wenn das Pferd auf einem Ritt geschwitzt hat – nach 15 Minuten ruhiger Schrittphase einfach mal das Fell beiseite schieben und man sieht, dass die Unterwolle direkt an der Haut bereits trocken ist, auch wenn das Pferd oberflächlich noch nass ist.

Gleichzeitig kann das Pferd den Winkel der Haare je nach Außentemperatur verändern und so zu mehr oder weniger Wärmeabstrahlung kommen. Scheint die Sonne, stellen die Haarbalgmuskeln die Haare so, dass die Wärme abgegeben werden kann und es nicht zur Überhitzung kommt. Umgekehrt wird das Fell bei Kälte so gelegt, dass sich eine wärmende Luftschicht in der Unterwolle hält, die das Pferd besser isoliert als eine Daunenjacke. 

Thermodecken stören den Regulationsmechanismus

Mit einer Thermodecke wird dieser wunderbare Regulationsmechanismus empfindlich gestört – noch viel mehr, wenn das Pferd auch noch darunter geschoren wird. Dem Pferd ist dann ständig wahlweise zu kalt oder zu warm. Schweiß kann nicht ausreichend abgegeben werden und auch der Kühleffekt durch Verdunstungskälte – wenn dem Pferd zu warm werden sollte – funktioniert mit Decke nicht.

Mit einer Thermodecke wird dieser wunderbare Regulationsmechanismus empfindlich gestört. © Bill Chizek / Adobe Stock

Man muss sich nur mal selber über den Tag beobachten, wie häufig wir unsere Zwiebelschichten an- und ausziehen. Je nach Umgebungstemperatur legen wir mehr oder weniger Schichten an Kleidung an, um ungefähr unsere Körpertemperatur im angenehmen Bereich zu halten. Aber niemand läuft im Stundentakt in den Stall, um seinem Pferd eine zur Temperatur passende Decke aufzulegen.

Eine Decke, die in der Nacht ausreichend wärmt, ist an einem sonnigen oder windstillen Tag viel zu warm. Und umgekehrt geht das auch nicht. In den Morgen- und Abendstunden bräuchte man dann noch eine extra Decke, die so mittel ist… Damit das Pferd also über 24 Stunden immer die richtige Körpertemperatur hat, müsste man zigmal umdecken. Das macht kein Mensch. 

Klingt eklig?

Dazu kommt, dass die meisten Pferdebesitzer ihrem Pferd die Thermodecke im Oktober anziehen, um sie dann irgendwann im März wieder auszuziehen. Das würde dem entsprechen, wenn man seine Kleidung im Oktober anzieht und im März wieder auszieht und in diesem Zeitraum 23 Stunden täglich darin verbringt – inklusive natürlich dem Nachschwitzen nach dem täglichen Sport. Klingt eklig? Ist es auch – für das Pferd nicht weniger als für uns.

Denn Pferde sind sehr reinliche Tiere und ihr Fell ist schmutzabweisend, hat sozusagen den natürlichen Lotus-Effekt. Auch wenn es äußerlich mal dreckig aussieht (das kennen insbesondere die Besitzer von Schimmeln und Schecken…), so sieht ein Pferd ohne Decke nie so fäkalienverklebt und krustig aus, wie die Winterdecke nach einer Woche Benutzung.

Noch dazu schafft man unter der Decke ein dunkles, feuchtwarmes Milieu – da fühlen sich Hautpilze so richtig wohl. Damit die Pferde nicht völlig verpilzen, werden die Decken von den Herstellern in der Regel mit Fungiziden behandelt, also auch keine ganz so gesunde Angelegenheit. Eine Decke ist also alles in allem nicht so das, was man als „artgerechte Pferdehaltung“ („animal wellfare“) bezeichnen würde.

Da Winterfell hält Pferde schön warm. © schumacher1971 / Adobe Stock

Pferde können auch bei schlechtem Wetter raus

Wir Menschen neigen ja immer wieder dazu, von uns auf das Pferd zu schließen. Was machen wir im Winter? Wir ziehen uns möglichst viele Kleidungsschichten an und verbringen  möglichst viel Zeit drinnen, am besten noch am warmen Ofen. Die Praxis vergangener Jahre, im Winter die Pferde möglichst im Stall zu lassen und alle Türen und Fenster zu schließen, damit es warm bleibt, hat uns jede Menge Gesundheitsprobleme von chronischem Husten (aufgrund der schlechten Belüftung) bis hin zu Koliken (wegen mangelnder Bewegung) gebracht.

Mittlerweile gibt es hier ein Umdenken, dass Pferde auch bei schlechtem Wetter ruhig raus können und der Trend zu Offenstall-, Paddock Trail und Bewegungshaltung ist auf jeden Fall als positiv zu begrüßen. Aber immer schwingt beim Besitzer die Sorge mit, ob es dem Pferd auch wirklich gut geht und es nicht friert.

Eine Studie aus Norwegen (wo die Winter ja noch viel kälter sind als bei uns) hat sich das genauer angeschaut. Lässt man (nicht-thermodeckeneingewickelten) Pferden die Wahl, sich draußen, in einem unbeheizten (Kaltstall) oder in einem beheizten Stall aufzuhalten, so beobachtet man, dass sie meist lieber draußen sind als drinnen. Egal wie das Wetter war, verbrachten die Pferde im Schnitt 50% ihrer Zeit außerhalb des Stalls – auch bei Regen und Schnee. An warmen, sonnigen Tagen waren sie im Schnitt fast 90% der Zeit draußen! 

Es gibt Unterschiede

Einen großen Unterschied machte hier vor allem der Typ des Pferdes: die eher „blütigen“ Pferde (Warmblüter, Vollblüter und im Blütertyp stehende Ponys) verbrachten viel weniger Zeit draußen als die im „Robustpferdetyp“ stehenden Pferde wie Kaltblüter und kräftige Ponys. Hier macht natürlich die Struktur des Winterfells eine Menge aus: Wer einen Vollblüter im Stall hat, der weiß, dass das Winterfell meist eher ein Witz ist – ein Isländerbesitzer weiß dafür im Frühling immer gar nicht, wohin mit der ganzen Wolle. Je nach Fellstruktur friert das eine Pferd dann eben auch schneller als das andere.

Auch individuell gibt es Unterschiede: manche Pferde sind regelrechte „Frostbeulen“, während andere eher das Modell „Taschenofen“ sind – ganz ähnlich wie bei uns Menschen. Dabei aber trotzdem interessant: bei trockener Kälte reichte allen Pferden meist der unbeheizte Unterstand, also quasi nur ein Windschutz. Nur bei nasskaltem Wetter gingen vor allem die „Fröstelpferde“ gerne in den beheizten Unterstand. Das ist jetzt natürlich keine Aufforderung, im Offenstall eine Heizung zu installieren! Aber es zeigt, dass Pferde mit trockenem, kaltem Wetter häufig relativ gut zurecht kommen. Sie brauchen dann meist vor allem einen Windschutz.

Denn wenn es ordentlich windig ist, sodass der Wind die Unterwolle durcheinander bläst, kann das Wärmepolster im Fell nicht mehr richtig gehalten werden. Dann stellt sich eine (Wild-)Pferdeherde dicht an dicht zusammen, mit dem Po in Richtung Wind und es wird regelmäßig die Position von außen nach innen gewechselt, sodass jeder mal im Windschatten steht und sich aufwärmen kann. Ist eine Gruppe nicht so harmonisch, dass sie sich gegenseitig vor dem Wetter schützen, oder steht ein Pferd alleine auf dem Auslauf, dann kann man alternativ Wind brechende Wände aus Holz oder Windschutznetzen zur Verfügung stellen.

Hier kann man sein Pferd dann bei starkem Wind meist ganz entspannt und mollig warm hinter der Wand dösen sehen. Bei Regen sind die Pferde mit eher wenig Winterfell dann doch oft recht dankbar für ein Dach über dem Kopf. Auch alte Pferde können oft nicht mehr genug Energie zum „heizen“ aufbringen, ohne rapide abzumagern. Hier kommt man häufig nicht um die Thermodecke über Nacht oder vielleicht auch die Übernachtung in der Box drumherum. Aber man beobachtet immer wieder genug Pferde, die nicht nur bei strömendem Regen total entspannt draußen stehen, sondern viele lassen sich auch gerne „einschneien“. Und nichts ist für Pferde schöner, als den Pelz im Schnee zu wälzen!

Fazit

Bevor man also sein Pferd in den „Warmstall“ einsperrt oder es in eine Thermodecke wickelt, sollte man also besser erstmal beobachten, wie es mit dem Wetter zurecht kommt. Eine ausreichende Menge Raufutter (möglichst ad libitum, also bis zur Sättigung, ggf. in engmaschigen Heunetzen) als Energieversorgung und ein Wind- und Regenschutz sollten natürlich selbstverständlich sein. Nur wenn man sieht, dass das Pferd kontinuierlich abnimmt, die Muskeln ständig verspannt sind oder es schlotternd auf dem Auslauf steht, dann sollte dringend über eine „Warmhaltelösung“ nachgedacht werden. Aber diese  ist seltener notwendig, als man immer denkt.

Mehr dazu: Top 5 Fütterungsfehler im Winter oder auf unser Themenseite Haut und Fell