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Bei Kolik-Verdacht sofort Tierarzt rufen, bevor man irgendetwas anderes tut!

Sie kann jedes Pferd und zu jeder Zeit treffen: die Kolik. Es ist ein Überbegriff für „Bauchschmerzen“, die unterschiedlichste Ursachen haben können.

Die meisten Koliken haben mit Störungen im Bereich des Darms zu tun: Aufgasung, massiv gestörte Peristaltik, Verstopfung oder Lageveränderungen, bei denen Teile des Darms nicht mehr dort sind, wo sie hingehören und dadurch von der Blutversorgung abgeschnürt werden können.

Auch hochgradige Entzündungen der Darmschleimhaut und manchmal Magengeschwüre können Kolik-Symptome verursachen. Darmstörungen führen oft zu Schmerzen, die reflektorisch zu Verkrampfung der Bauchmuskulatur führen können, was wiederum Kolikprobleme verschlimmern kann. 

Kolikartige Symptome können auch andere Ursachen haben

Und es gibt Koliken, die nichts mit dem Verdauungstrakt zu tun haben, aber symptomatisch ähnlich aussehen. Das können gynäkologische Probleme sein, wie fast jede Frau auch aus eigener, schmerzhafter Erfahrung weiß. Ebenso können Blasensteine oder Entleerungsstörungen der Blase, Nierenschmerzen und viele andere mögliche Ursachen infrage kommen.

Das Problem: Von außen sieht man nicht, um welche Ursache es sich handelt. Die Symptome, welche die Pferde zeigen, haben mehr mit dem individuellen Charakter des Pferdes zu tun als, dass man von ihnen auf die Ursache für die Kolik schließen könnte. Auch die Heftigkeit der Symptome sagt nichts über die Ursache oder die Schwere der Kolik aus. 

Deshalb sollte man schon bei geringen Anzeichen immer und sofort den Tierarzt informieren. Lieber einmal zu oft den Tierarzt im Stall haben und dann einen Fehlalarm bezahlen, als eine schwere Kolik – aufgrund ihrer äußerlich milden Symptome übersehen – und dadurch das Pferd zu verlieren.

Denn in manchen Fällen von Kolik zählt buchstäblich jede Minute. Ist der Tierarzt informiert und auf dem Weg, kann man auch schon ein Zugfahrzeug und einen Hänger organisieren, damit diese im Notfall sofort bereit stehen, sollte der Tierarzt entscheiden, dass das Pferd in die Klinik muss.

Wenn man selber zu aufgeregt ist, sollte besser eine Stallkollegin oder Freundin das Auto fahren, damit man nicht auch noch einen Unfall baut vor lauter Angst um den Liebling. 

Aber was kann ich tun, bis der Tierarzt im Stall eintrifft?

Pferd warm halten, Abschwitzdecke auflegen. 

Viele Pferde haben in der Kolik-Situation eine gestörte Temperaturregulation: Von Schwitzen bis Frieren ist alles dabei, wie auch schnelle Wechsel zwischen beidem. Deshalb gehört zu jedem Pferd eine Abschwitzdecke, die man in solchen Fällen anlegt. Hat man keine passende Abschwitzdecke für das Pferd, tut es auch eine normale Decke, die man über das Pferd legt. Optimal ist Wolle (so sind z.B. die grauen aus Bundeswehrbeständen immer gut als Notfalldecke im Stall parat zu haben) und notfalls die eigene Lieblingsdecke, die man im Winter im Auto hat, sollte man mal länger im Stau stecken.

Pferd mit Decke
Pferd im Notfall mit Decke warmhalten © Bernd Kröger / Adobe Stock

Ruhige Bewegung, Schritt führen

Die meisten Koliken haben mit einer gestörten Verdauung zu tun. Ob Aufgasung, gestörte Peristaltik oder Verstopfung: Manchmal reicht das Führen an der Hand aus, um Kreislauf und Peristaltik so weit in Schwung zu bringen, dass die Krämpfe etwas nachlassen oder zumindest nicht noch schlimmer werden, bis der Tierarzt eintrifft. Außerdem ist Kolik eine heftige Stress-Situation für das Pferd, denn es geht um Leben und Tod. Bewegung hilft, die Stresshormone zu regulieren, sodass sehr aufgeregte Pferde dabei mit der Zeit auch ruhiger werden.

Pferd und Halter am spazieren
Ruhige Bewegung hält den Kreislauf in Gang
© Ingairis / Adobe Stock

Wälzen oder Ablegen lassen, wenn das Pferd es möchte

Früher hat man davon abgeraten, weil man dachte, das Wälzen könnte eine Verschlingkolik auslösen. Heute weiß man, dass viele Pferde versuchen, sich durch das Wälzen eine falsch gelagerte Darmschlinge wieder „richtig hinzuschieben“. Fakt ist, dass Wälzen keine Verschlingkolik verursacht. Wenn das Pferd sich also wälzen will, sollte man es lassen (dabei bitte auf die eigene Sicherheit achten, ein langer Trainingsstrick oder eine Longe beim Führen helfen, dass man in dem Fall drei Schritte zurückgehen kann, sodass das Pferd genügend Platz hat und man nicht zwischen die Beine gerät).

Auch wenn das kolikende Pferd sich zwischendurch mal hinlegen will, sollte man ihm die Ruhepause geben. Es kann manchmal lange dauert, bis der Tierarzt da ist, denn Koliken kommen ja meist an Feiertagen oder am Sonntag abend und der diensthabende Tierarzt hat fünf Notfälle parallel zu versorgen. Das ist keine Faulheit oder Ignoranz des Tierarztes, sondern er muss entscheiden, welches Pferd seine Hilfe am dringendsten benötigt, die anderen müssen warten – das ist wie in der Notaufnahme des Krankenhauses.

Eine Kolik zehrt an den Kräften, deshalb dürfen sich die Pferde zwischendurch auch mal hinlegen. Allerdings sollte man sie trotzdem immer mal wieder motivieren, aufzustehen und etwas herumzugehen, damit der Kreislauf in Schwung bleibt.

Pferd am Wälzen
Fakt ist, dass Wälzen keine Verschlingkolik verursacht.
© Nadine Haase / Adobe Stock

Kein Futter, kein Wasser

Auch wenn man in Versuchung ist, immer mal wieder eine Möhre unter die Nase zu halten, um zu schauen, ob das Pferd nicht vielleicht doch frisst: keine gute Idee! Wenn das Pferd eine Kolik hat, können weder Nahrung noch Flüssigkeit ordentlich weiter transportiert werden. Bietet man insbesondere auch noch etwas ganz Leckeres wie Mash an und das Pferd frisst es, kann man eine bestehende Kolik deutlich verschlimmern und vor allem sorgt das auch für zusätzliche Komplikationen, sollte das Pferd beispielsweise operiert werden müssen oder der Tierarzt dadurch nicht sehen kann, ob es einen Reflux aus dem Dünndarm in den Magen gibt.

Daher weder Futter noch Wasser anbieten, auch wenn es länger dauern sollte, bis der Tierarzt endlich auf den Hof fährt. Jeder weiß, dass sich in der Situation die Warteminuten zu Stunden zu dehnen scheinen und man will doch unbedingt etwas tun. Aber das beste, was man jetzt tun kann, ist führen, warm halten und selber ruhig bleiben, um den eigenen Stress nicht auch noch auf das Pferd zu übertragen.

Ja, man fühlt sich bei Kolik immer schrecklich hilflos und möchte gern noch mehr tun. Ein paar Tricks, welche helfen, die Wartezeit besser zu überstehen oder manchmal auch dafür sorgen können, die Symptome schon zu lindern:

Bei Kreislaufkolik: Koffein

Kreislaufkolik erkennt man daran, dass das Pferd blasse Maulschleimhäute hat und die kapilläre Rückfüllzeit verlängert ist. Das kann man bei seinem Pferd im gesunden Zustand mal ausprobieren oder – wenn das Pferd schon in der Kolik steckt – erstmal bei einem anderen, gesunden Pferd testen: Lippe seitlich anheben und mit dem Finger kräftig gegen die Maulschleimhaut drücken, dabei zwei- bis dreimal „Mississippi“ sagen.

Loslassen und schauen, wie schnell sich der hinterlassene, weiß/gelbliche Fleck wieder rosa färbt. Mit dem Finger hat man das Blut aus den Kapillaren der Maulschleimhaut gedrückt und es strömt jetzt schnell zurück, sobald man loslässt, in der Regel in der Zeit, innerhalb der man ein bis zweimal „Mississippi“ gesagt hat. Dauert es länger, dann kann man davon ausgehen, dass das Pferd Kreislauf-Probleme hat. Diese können ursächlich für die Kolikanzeichen sein, vor allem oft bei älteren Pferden, ehemaligen Sportpferden, bei Wetterumschwüngen oder schwül-heißem Wetter.

Oder das Kreislaufproblem ist möglicherweise die Folge der Kolik, wenn diese schon länger anhält. Im Fall einer verzögerten kapillären Rückfüllzeit kann man den Kreislauf mit Koffein in Schwung bringen. Daher sollten in jeder Stallapotheke ein paar Sticks mit löslichem Kaffee oder Espresso enthalten sein (natürlich nicht die Koffein-freie Variante, sondern die normale). Lippe hoch, löslichen Kaffee reingeben und mit dem Finger auf der Maulschleimhaut verreiben.

Koffein ist schleimhautgängig, kann also direkt über die Maulschleimhaut ins Blut aufgenommen werden. Da Pferde eher selten Kaffee trinken, reagieren sie entsprechend empfindlich auf den Koffein-Schub und der Kreislauf wird angeregt. Bitte nicht übertreiben, der Inhalt eines Sticks (entsprechend einer Tasse Kaffee) reicht aus. Den Rest muss der Tierarzt machen.

Bei Krampf-, Gas- oder Verstopfungskolik: Schwedenbitter

Natürlich kann man von außen nicht sehen, welche Art von Kolik vorliegt. Laut Untersuchungen sind aber bis zu 80% der diagnostizierten Koliken auf Krampfzustände zurückzuführen (White 1992), weshalb Krampflöser, die durch den Tierarzt gegeben werden, oft so gut anschlagen. Bei 20-50% der Fälle liegen Verstopfungskoliken vor (z.B. Litzke et al. 1996, Cohen et al. 1996), wobei diese auch die Folge oder die Ursache von Krämpfen sein können, daher findet man hier eine deutliche Überschneidung. Verstopfungskoliken sind insbesondere im Winter nicht selten. Gaskoliken, die ebenfalls zu Krämpfen führen können, gehen oft mit einem aufgeblähten Bauch einher und treten gehäuft bei Pferden auf, die auch sonst häufig zu Blähungen neigen.

Wenn man eine Kreislaufkolik ausschließen kann (kapilläre Rückfüllzeit checken), dann kann man dem Pferd als Sofortmaßnahme einen Schwedenbitterschnaps einflößen, der ebenso in keiner Stallapotheke fehlen sollte. Schwedenbitterschnaps ist ein altes Hausmittel bei Kolik: Der Alkohol wirkt muskelrelaxierend, sodass Krämpfe nachlassen und die Bitterstoffe regen die Peristaltik an. Es braucht dafür nicht viel, ein Schnapsglas voll auf eine Spritze aufgezogen und per Maulspritze (ohne Kanüle!) appliziert reicht aus.

Der Alkohol ist schleimhautgängig, sodass er schon im Maul ins Blut übertritt und relativ schnell wirken kann.  Auch hier gilt wieder: dosiert geben, nicht übertreiben. Wenn die Menge eines Schnapsglases voll keine Wirkung zeigt, wird das nicht besser, wenn man die ganze Flasche reinschüttet, im Gegenteil. Aber eine kleine Menge zu geben ist einen Versuch wert. Anschließend das eingedeckte Pferd weiterhin führen, sodass die Peristaltik auch durch die Bewegung noch weiter angeregt wird und der Kreislauf in Schwung bleibt. In vielen Fällen verschafft es den Pferden zumindest Erleichterung, bis der Tierarzt kommt. In so kleiner Menge gegeben, interferiert diese Maßnahme auch nicht mit der späteren, tierärztlichen Therapie. 

Dickdarm entspannen über Alarmpunkte der TCM

Die meisten Koliken gehen mit Störungen im Dickdarm einher. Nach der Chinesischen Medizin kann man hier auch über den Meridian oder über einzelne Punkte gezielt Einfluss nehmen. Für den Laien am einfachsten zu finden ist der Alarmpunkt, der eine direkte Korrespondenz mit dem Dickdarm hat. Dieser befindet sich am Bauch, eine Handbreit vor dem Knie, am Ende der Leistenfalte.

Betrachtet man sein Pferd von der Seite, dann sieht man dort, wo das Hinterbein in den Rumpf übergeht, vom Kniegelenk nach vorne verlaufend eine kleine Hautfalte. Mit der Hand hinter dieser Hautfalte greifen und sie ein wenig nach außen ziehen. Dort, wo die Falte im Bauch „verschwindet“, findet man den Dickdarm-Alarmpunkt und zwar sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite. Es gibt unterschiedliche Methoden, den Punkt zu behandeln. Das einfachste ist, ihn warm zu halten, beispielsweise indem man ein warmes Kirschkernkissen oder eine Wärmflasche drauf hält (auf die Temperatur achten!). Wie jede Frau weiss, wirkt Wärme entspannend bei Muskelkrämpfen.

Man kann auch mit Farblicht arbeiten, hier kommen vor allem beruhigende Farben wie Grün, Türkis oder Blau in Betracht, sofern man eine Farblampe zur Hand hat. Wer seinem Pferd öfter mal einen „Wellness-Tag“ angedeihen lässt, hat vielleicht auch noch Moxa-Rollen in seinem Stallschrank. Moxibustion ist eine hervorragende Methode, den Dickdarm-Alarmpunkt zu behandeln, da die Wärme sehr tief eindringt. Hat man nichts davon griffbereit, kann man den Punkt zumindest mit der Hand sanft im Uhrzeigersinn massieren. 

Ansonsten heißt es: geduldig warten, bis der Tierarzt kommt und ihn dann systematisch und ruhig über alles informieren 

  • Wie hat man die Kolik festgestellt (Symptome)?
  • Seit wann kolikt das Pferd?
  • Hat es seit dem Telefonat geäppelt? Wenn ja, wie oft? Haufen eher normal oder anders als sonst (kleiner, trockener, stinkend…)?
  • Hat sich das Verhalten seit dem Telefonat verändert, wenn ja: was?
  • Welche Maßnahmen wurden in der Wartezeit durchgeführt? (Eindecken, Führen, ggf. Koffein oder Schwedenbitter gegeben?)
  • Haben diese einen Effekt gehabt, wenn ja: welchen?
  • Hatte das Pferd schon öfter Koliken, wenn ja: welche Formen? Wann waren die Koliken? Wie wurden sie behandelt?
  • Ist das Pferd schon früher wegen Kolik operiert worden?

Der Tierarzt wird dann das Pferd untersuchen und alles Weitere entscheiden in Bezug auf Behandlung im Stall oder ggf. Transport in die nächste Pferdeklinik. Hier sollte man dem Urteil des Tierarztes vertrauen. Er sieht tagtäglich viele Pferde mit Kolik und hat hier in der Regel mehr Wissen und Erfahrung als die meisten Pferdebesitzer. 

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