In der Literatur über Pferdefütterung wird immer sehr viel über die Bedeutung von Calcium und Phosphor und deren Verhältnis zueinander geschrieben. Häufig vernachlässigt wird jedoch die Bedeutung von Natriumchlorid (NaCl) –„Kochsalz“, ohne das kein Leben möglich wäre. Nicht nur wir Menschen, auch Pferde benötigen Natriumchlorid für lebenswichtige Funktionen.
Salz ist nur wenig in den Pflanzen, aber im Boden
Gleichzeitig ist die natürliche Nahrung des Pferdes extrem arm an diesen Mineralstoffen. Während Calcium im Überschuss im Raufutter zu finden ist und Phosphor reichlich in Kraftfutter, ist Natriumchlorid kaum vorhanden. Insbesondere in küstenfernen Regionen – also etwa 20km hinter der Meereslinie – beginnt eigentlich schon das „Salzmangelgebiet“. In Küstennähe finden sich viele Halophyten – salzliebende Pflanzen, die das Mineral bei Überschwemmungen oder aus der immer wieder niedergehenden Gischt aufnehmen. Fressen Pferde solche Pflanzen, bekommen sie also das Salz gleich frei Haus mitgeliefert. Ganz anders die Pferde weit entfernt davon im Alpenraum. Hier ist seit Jahrmillionen kein Salz mehr in den Pflanzen vorhanden. Aber im Boden!
Viele Regionen, die heute Land oder sogar Gebirge sind, waren vor Millionen Jahren von Meeren bedeckt. Mit der Kontinentalplattenverschiebung trockneten sie aus. Zurück blieben nicht nur Fossilien, sondern vor allem auch ausgedehnte Salzkrusten. Durch die Bewegung der Erdoberfläche wurden diese ausgetrockneten Seen auseinandergerissen und zusammengedrückt, Erdreich schob sich über die Salzkrusten und es verschwand unter der Erde. Der Mensch hat früh solche Salzlagerstätten entdeckt, weil hier die Wildtiere „Salzlecken“ hatten, wo das Salz knapp unter der Erdoberfläche zu finden war. Ortsnahmen mit „Salz“ oder „Hall“ im Namen weisen darauf hin, dass sich hier Salzvorkommen finden, die der Mensch seit Jahrhunderten abbaut und für sich und sein Vieh nutzt (https://www.youtube.com/watch?v=uD6GIiqWm3M). Wurde Salz früher mit Gold aufgewogen, so ist es heute durch moderne Abbaumethoden ein Massenartikel geworden, der überall auf der Welt gewonnen und billig weltweit vermarktet wird. Von ausgedehnten Meersalz-Gewinnungsanlagen in südlichen Ländern bis zum Abbau von Steinsalz in Gebirgsregionen, findet man auf dem Markt mittlerweile eine ganze Reihe von teilweise sehr exotischen Salzen.
Salzverlust und -aufnahme müssen sich die Waage halten
Schon unsere Ur-Großväter wussten um die Bedeutung von Salz für ihre Tiere. Insbesondere Pferde verlieren durch das Schwitzen vor allem auch Natriumchlorid – der Grund, warum Schweiß „salzig“ schmeckt. Schwitzt das Tier an einem heißen Sommertag kräftig, insbesondere bei der Arbeit, so kann es bis zu 100g Natriumchlorid verlieren. Wie viel das ist, kann jeder mit einer Packung Salz und einer Küchenwaage mal nachwiegen: Erstaunlich viel.
Insbesondere Sportpferde verlieren daher viel Salz, da sie im Sommer übermäßig viel schwitzen. Dieses Salz muss über die Fütterung wieder zugeführt werden. Es wird im Dickdarm aufgenommen und sorgt dabei gleichzeitig dafür, dass der Kot eingedickt wird.
Denn bis zum Ende des Dünndarms wird der Nahrungsbrei ständig „verdünnt“ durch Zugabe von Flüssigkeiten. Erst im Dickdarm beginnt der Eindickungsprozess, damit es hinten nicht zu Durchfall kommt. Der Körper ist aber leider nicht in der Lage, Wasser von einem Ort zum anderen zu pumpen. Er bedient sich dafür einer besonderen Eigenschaft des Salzes: es ist hygroskopisch. Das heißt, es zieht Wasser an. Das kann jeder feststellen, der mal den Salzleckstein im Stall anfasst: er ist immer feucht, auch wenn kein Pferd daran geleckt hat. Früher hat man deshalb auch Reiskörner in den Salzstreuer gegeben, denn Reis ist noch wasseranziehender als Salz: Reis hat das Salz rieselfähig gehalten. Dank moderner „Rieselhilfen“ ist dieser Trick unserer Großmütter für unser Tafelsalz nicht mehr notwendig.
Aber im Körper wird die Eigenschaft des Salzes, Wasser anzuziehen, an vielen Stellen genutzt. Im Dickdarm werden etwa 95% des in der Nahrung enthaltenen Salzes dem Futterbrei entzogen, bei Salzmangel sogar bis zu 99%. Das reicht üblicherweise aus, um gleichzeitig das Wasser so weit mit aufzunehmen, dass der Kot zu den üblichen „Pferdeäppeln“ eingedickt wird. Funktioniert dieser Mechanismus nicht, dann sehen wir das symptomatisch als Durchfall. So können länger anhaltende Durchfälle – vor allem bei Fohlen – entsprechend zu erheblichen Salzverlusten führen.
Salz reguliert den Wasserhaushalt im Körper
Das Salz erfüllt im Körper ebenfalls die Aufgabe, die Wasserverteilung zu beeinflussen. Die Körperzellen von Säugetieren haben keine festen Zellwände, im Gegensatz zu Pflanzen. Sie bekommen ihre Stabilität fast ausschließlich durch den Innendruck, der durch die Zell-Innenflüssigkeit erzeugt wird. Unsere Zellen sind also vergleichbar mit Ballons, die man mit Wasser gefüllt hat. Sie brauchen exakt den richtigen Wasser-Innendruck, um zu funktionieren. Nehmen sie zu viel Wasser auf, dann platzen sie. Nehmen sie zu wenig Wasser auf, dann schrumpeln sie und sterben ebenfalls. Die Zelle kann aber auch kein Wasser direkt rein- oder rauspumpen. Sie verwendet Salz.
Durch die aktive Aufnahme von Natriumchlorid folgt Wasser nach und die Zelle schwillt. Durch aktive Abgabe von Salz fließt Wasser wieder aus der Zelle raus und der Druck lässt nach. Es ist also lebenswichtig für alle Zellen im Organismus, dass immer genau die richtige Menge an Natriumchlorid zur Verfügung steht. Sowohl ein „zu viel“ als auch ein „zu wenig“ ist lebensbedrohlich.
Reguliert wird der Salzgehalt im Körper – ebenso wie der Haushalt aller anderen Mineralien – über die Nieren. Sie unterliegen einem komplexen hormonellen (Renin-Angiotensin-Aldosterin) Steuerungssystem, das dafür sorgt, dass sie je nach Bedarf Natriumchlorid im Körper zurück halten oder mit dem Urin ausscheiden. Entsprechend kann ein Natriumchloridverlust also nicht nur durch Schwitzen oder Durchfall entstehen, sondern auch durch eine gestörte Nierenfunktion, bei der zu viel Urin abgegeben wird – was wir häufig bei Pferden mit Insulinresistenz (Diabetes Typ 2) beobachten.
Salz ist viel mehr als nur ein Bestandteil von Schweiß
Neben der Aufrechterhaltung des Zell-Innendrucks, wird Natriumchlorid auch verwendet, um nach Bedarf Wasser im Körper zurück zu halten. Das kann man sehen bei „lymphatischen“ Pferden. Sie sehen oft für den ungeübten Betrachter „fett“ aus, wie ein Pferd mit EMS (Equines Metabolisches Syndrom).
Schaut man aber genauer hin, dann erkennt man, dass es vor allem Lympheinlagerungen sind, die bevorzugt im (teilweise brettharten, geschwollenen) Mähnenkamm und im Bereich der Flanken („Satteltaschen“) zu finden sind. Ist der Wasser/Salz-Haushalt nachhaltig gestört, kann das ganze Pferd regelrecht aufgedunsen aussehen durch massive Lympheinlagerungen im gesamten Unterhautbindegewebe.
Hier erkennt man keine Muskelkonturen mehr, das Pferd sieht einfach nur noch prall wie ein Ballon aus. Diesen Zustand bezeichnet man derzeit als Pseudo-EMS – in Ermangelung eines besseren Namens für den Symptomkomplex. Pseudo-EMS ist immer ein Hinweis auf einen stark aus dem Ruder gelaufenen Stoffwechsel und sollte immer ganzheitlich therapiert werden.
Darüber hinaus wird Natrium auch zusammen mit Kalium für die Nervenweiterleitung gebraucht und zusammen mit Chlor für die Muskelkontraktion. Es ist also wesentlich an der Funktion des Bewegungsapparats beteiligt. Natrium wird außerdem von der Leber verwendet, um Gallenflüssigkeit zu produzieren, die wesentlich für einen gesunden Verdauungsprozess ist. Chlor wird hingegen vom Magen für die Herstellung der Salzsäure („Magensäure“) verbraucht. Sowohl das Natrium aus der Gallenflüssigkeit als auch das Chlor aus der Magensäure werden im Verlauf des Dickdarms zum größten Teil aus dem Nahrungsbrei wieder resorbiert.
Die Dosis macht das Gift – Mangel und Überversorgung rechtzeitig erkennen
Diese vielen, zentralen Funktionen zeigen, wie wichtig Natriumchlorid für den Körper ist. Ein Mangel an Natriumchlorid sorgt anfangs oft dafür, dass die Pferde an allem herumschlecken – Hände, Gesichter, Gitterstangen, Erde etc. und kann in schweren Fällen zu Koliken oder Nierenversagen führen und sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Auch Appetitlosigkeit, Leistungsschwäche, mangelnder Urinabsatz, schlechter Hautturgor (wenn man eine Falte an der Halsbasis vom Körper abhebt und sie so stehen bleibt) und sehr trockener Kot bis zu einer Neigung zu Verstopfungskoliken sollte an Salzmangel denken lassen. Umgekehrt führt eine Überversorgung mit Salz häufig zu übermäßiger Wasseraufnahme und entsprechend übermäßigem Harnabsatz und/oder Durchfall, zu Maulschleimhautgeschwüren – vor allem wenn Salzsteine zusammen mit dem Kraftfutter in die Futterkrippe gegeben werden – und Mineralhaushaltstörungen, da in dem Fall zu viel über den Urin ausgeschieden werden muss, was auch die Regulation der anderen Mineralien empfindlich stören kann.
Gerade Pferde in Boxenhaltung lecken häufig aus Langweile am Salzleckstein herum und nehmen aus diesem Grund viel zu viel Salz auf. Hier sollte auf eine artgerechte Haltung geachtet werden, anstatt einfach den Salzleckstein zu entfernen.
Aber auch Mangelerscheinungen an Spurenelementen oder Mikroelementen („Seltenen Erden“) können zu einer übermäßigen Frequentierung von Natursalzsteinen führen, da andere Mineralien hier immer in Spuren enthalten sind. Ist der Salzstein nach zwei bis drei Tagen „weggefressen“, sollte also unbedingt nach der Ursache gesucht und diese abgestellt werden. Denn es ist für den Körper essentiell wichtig, dass nicht zu viel und nicht zu wenig zur Verfügung steht.
Glücklicherweise verfügt der Organismus normalerweise über eine gesunde Selbstregulation im Bezug auf die Salzaufnahme. Die meisten Pferdebesitzer kennen das von sich selber: es gibt Phasen, wo man geradezu Heißhunger auf Salziges hat und sich jedes Essen nachsalzt. Und dann gibt es wieder Phasen, wo einem schon normal gewürztes Essen versalzen erscheint und bei der Vorstellung an eine salzige Laugenbretzel jeder Appetit vergeht. Diese Instinkte haben auch unsere Pferde: Die meisten Pferde regulieren ihren Salzbedarf perfekt selber, sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Aus diesem Grund hat es sich mittlerweile in den meisten Ställen eingebürgert, Salzlecksteine zur freien Verfügung zu stellen.
Salzlecksteine in allen Größen, Formen und Farben…
Es gibt hier verschiedene Varianten im Futtermittelhandels-Angebot. Klassisch sind die weißen Steine in Norm-Form mit Loch in der Mitte. Sie bestehen aus gepresstem Siedesalz. Dieses wird im Bergbau gewonnen, indem das Salz mit Wasser aus dem Felsgestein herausgelöst wird. Dieses stark salzhaltige Wasser (Saline) wird dann quasi verkocht, sodass am Ende Salz übrig bleibt. Obwohl sie aus reinem Natriumchlorid (und je nach Hersteller teilweise Presshilfen, also Klebstoffen) bestehen, werden sie von den Pferden meist eher ungern angenommen.
Viel eher nehmen die Pferde Natursalzsteine, auch als Steinsalz oder Bergkern bezeichnet. Sie werden im Handel vielfach angeboten. Vor allem als rosafarbenen Himalaya Salz Steine mit Loch und Schnur fehlen in keinem Reitsporthandel. Die Farbe von Steinsalzen unterscheidet sich dabei vom weißen Siedesalz durch in Spuren eingelagerte andere Mineralien, z.B. Calcium, Magnesium oder Eisen, die je nach Ursprungsgebiet variieren können. Das Abbaugebiet der beliebten Himalaya-Salzsteine liegt dabei ein gutes Stück vom Himalaya-Gebirge entfernt in Pakistan. Hier wird es überwiegend in Handarbeit aus dem Berg geschlagen, zurechtgeschnitten und -geklopft, gebohrt und in Plastik eingeschweißt per Container unter anderem nach Europa gebracht. Die Arbeitssicherheitsbedingungen sind für unsere Verhältnisse eher fragwürdig: https://www.youtube.com/watch?v=d0NGD0PziOE und die Bezahlung der Arbeiter mit 3US Dollar pro Tonne (überwiegend per Hand und mit Dynamit) gewonnenem Salz wohl auch eher kritisch zu sehen (https://www.youtube.com/watch?v=Pxq2nW0A7gw), vor allem wenn man das mit den Ladenpreisen vergleicht.
Als Alternative hat man schon lange vor der Globalisierung einheimisches Steinsalz an Vieh und Wild verfüttert. Es wird auch heute noch an vielen Stellen in Deutschland, Österreich und in anderen europäischen Ländern gewonnen (https://www.youtube.com/watch?v=-Fh0SfAEUM8) und variiert farblich entsprechend leicht mit dem Abbaugebiet von fast weiß über grau bis rosa oder rostrot. Natürlich sind die Arbeitsbedingungen und –löhne bei diesen Salzen eher unseren Standards entsprechend, was einheimisches Salz in der Regel etwas teurer macht. Auf der anderen Seite wird es dafür nicht um den halben Globus transportiert, sondern sozusagen vor der eigenen Haustür abgebaut. Von der Zusammensetzung her besteht es genau so wie das Himalaya Salz im Wesentlichen aus Natriumchlorid, mit einigen Elemente, die in Spuren vorhanden sind und dem Salz seine jeweilige Farbe geben.
Fazit
Also daran denken, wenn wieder mehr Sonnenstunden die Pferde zum Schwitzen bringen: Egal in welcher Form: Salz sollte Pferden nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über immer zur freien Verfügung angeboten und – bis auf wenige Ausnahmen – nicht zwangsverabreicht werden. Denn auch an sonnigen und warmen Wintertagen kann der Salzverlust durch Schwitzen plötzlich deutlich ansteigen. Zur Versorgung eignen sich Salzsteine ganz hervorragend, die insbesondere bei Paddock Trail Anlagen auch als zusätzliche „Anlaufstation“ auf dem Trail gerne angenommen werden. Im Sommer benötigt ein Pferd normalerweise 2-4g Na / 100kg Körpergewicht zum Erhaltungsbedarf. Bei starkem Schweißverlust bis zu 5-10g Na/100kg Körpergewicht. Gerade bei Zuchtstuten sollte man vor der Geburt darauf achten, dass sie ausreichend Zugang zu einem Salzleckstein haben, dann reagieren die Fohlen meist mit weniger Darmpechverhalten. Gesunde Pferde in artgerechter Haltung regulieren ihren Salzbedarf bei Angebot von Natur-Salzlecksteinen (Steinsalz oder Bergkern) selber. Bei übermäßiger Aufnahme sollte man dringend genau nachhaken, wo die Ursache dafür liegt.
Mehr dazu: Salzlecksteine „all you can eat“ im Aufzuchtstall – geht das gut? oder
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