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Je länger der Winter fortschreitet, umso häufiger sieht man es in vielen Ställen: Kotwasser. Dabei handelt es sich nicht nur um ein kosmetisches Problem. So hässlich es ist, wenn dem Pferd die braune Brühe an den Beinen herabläuft: das Kotwasser muss dringend herunter gewaschen werden, denn es ist aggressiv und greift die Haut an, sodass es hier zu Entzündungen (Dermatosen) kommen kann.

Gerade bei Frostwetter ist das Waschen von Schweif und Hinterbeinen aber für alle Beteiligten eine eher spaßfreie Angelegenheit. Darüber hinaus ist das Kotwasser aber auch ein Hinweis auf massive Fehlgärungen im Dickdarm des Pferdes (Dysbiosen), die häufig auch noch mit Stress einhergehen. Wird man hier nicht aktiv, so drohen langfristig erhebliche Gesundheitsprobleme.

Was ist Kotwasser?

Während das Pferd bei Durchfall Kuhfladen-ähnliche Haufen absetzt, sind bei Kotwasser die Pferdeäpfel geformt. Dem Kot wurde also im Verlauf der Darmpassage mal die Flüssigkeit entzogen, aber es kommt wieder zu „freiem Wasser“ im Dickdarm. Während oder nach dem Kotabsetzen oder auch völlig unabhängig davon, wird dann braune Flüssigkeit abgesetzt. Bei milden Fällen reicht oft die Zeit aus, die der Kot im Enddarm liegt, um bis zur Ausscheidung das wenige Kotwasser wieder aufzusaugen.

Optisch haben die Pferde also kein Kotwasser. Es fällt dann nur auf, wenn die Pferde unter Stress geraten und häufiger Kot absetzen: hier reicht die Zeit nicht mehr und auf einmal tritt das Kotwasser sichtbar auf. Es war vorher schon da, aber eben in den Pferdeäppeln verborgen. Solche Pferde haben oft sehr flüssigkeitshaltige Äppel: Tritt man auf einen drauf, dann hinterlässt er einen großen, nassen Fleck. Natürlicherweise ist Pferdekot recht trocken und man sollte ihn nicht wie einen Schwamm ausdrücken können.

Häufig hört man die Aussage von Besitzern, dass das Pferd das Kotwasser ja nur im Winter habe, daher sei das ja nicht so schlimm. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Winter nicht nur drei Tage dauert, sondern das Pferd ungefähr ein halbes Jahr Kotwasser hat.

Auch wenn sich die Verdauungsprobleme im Sommer während der Weidesaison einigermaßen stabilisieren, ist das Kotwasser dennoch eigentlich ein ganzjähriges Problem. Nicht nur wird es von Winter zu Winter oft stärker , sondern die Pferde leiden auch selber unter diesem Zustand, was ihnen wiederum Stress macht.

Auch die Aussage, dass schließlich alle Pferde im Stall Kotwasser hätten und das eben normal sei, ist eher als gruselig einzuschätzen. Man sollte sich dafür vor Augen führen, dass es bis vor wenigen Jahrzehnten die Krankheit „Kotwasser“ überhaupt nicht gab und in vielen Sprachen bis heute kein Wort dafür existiert. Nein, Kotwasser ist nicht normal. Es ist ein Symptom für ein massives Gesundheitsproblem, das wir in unseren Breitengraden bei unseren Pferden selbst verursachen– eine klassische Zivilisationskrankheit beim Pferd.

Was steckt dahinter?

Kotwasser ist in der Regel das sichtbare Symptom für eine entzündete Darmschleimhaut. Daher ist Kotwasser nicht nur ein optisches Problem, sondern hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf die Gesundheit des Pferdes. Die Entzündungen werden meist verursacht durch Fehlgärungsprozesse im Dickdarm.

Die Ursachen hierfür sind entweder in den Haltungs- oder den Fütterungsbedingungen zu suchen. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass Stress allein schon ausreicht, um Kotwasser auszulösen. Stress führt zu einer verringerten Durchblutung der Darmschleimhaut. Das verlangsamt die Peristaltik und so kann es zu Fehlgärungen kommen. Aber auch der Aspekt Fütterung spielt eine große Rolle. Unverträgliche Futtermittel wie Heulage, Silage oder Maissilo spielen hier ebenso eine Rolle wie „Strukturmüslis“ oder viele als positiv beworbene Pro- oder Präbiotika.

Heulageballen
Unverträgliche Futtermittel wie Heulage, Silage oder Maissilo spielen bei Kotwasser eine Rolle. © Westwind / Adobe Stock

Silierte Futtermittel tragen einen großen Anteil von Milchsäurebakterien in den Dickdarm ein, die dort bei einem gesunden Pferdedarm nicht in dem Maß vorkommen. Sie produzieren Milchsäure, die den Darm ansäuert. Dadurch sterben natürliche Darmsymbionten ab und der ganze Fermentierungsprozess läuft aus dem Ruder.

Gehäckseltes Raufutter, wie es in Strukturmüslis, getreidenfreien Müslis oder vielen Kräutermüslis verwendet wird, verlangsamt die Peristaltik ebenfalls, da diese kurzen Faserhäcksel in der Regel nicht gründlich gekaut werden können.

Studien konnten zeigen, dass solche Faserlängen bis zu einer Woche im Dickdarm verbleiben. Jede Störung der Verdauungsgeschwindigkeit aber kann zu Fehlgärungen (Dysbiosen) und damit gesundheitlichen Einschränkungen führen.

Bei diesen Fehlgärungsprozessen entstehen oft in großem Stil Säuren, welche die Darmschleimhäute angreifen können, die im Gegensatz zur Magenwand nicht vor sauren pH Werten geschützt sind. Es kommt zu Entzündungen der Darmschleimhäute und damit weiterer Störung des normalen Verdauungsprozesses.

Bleiben die Entzündungen über einen längeren Zeitraum bestehen, lockern sich die Zellverbände der Darmschleimhaut und es entstehen „Löcher“, die vom ohnehin schon überlasteten Immunsystem nicht ausreichend repariert werden können. Durch solche Löcher kann es zum Einsickern von Lymphflüssigkeit in den Darm kommen, das wir optisch als Kotwasser sehen.

Ansäuerung des Dickdarms wird zum Teufelskreis

Auch wenn die ursprüngliche Ursache schon lange zurück liegt, zum Beispiel ein Winter mit Heulagefütterung vor drei Jahren, kann die Verdauung heute noch gestört sein. Denn säuert der pH Wert im Darm erstmal an, dann können sich Säure-bildende Mikroorganismen immer weiter vermehren, während die natürliche Darmflora, die auf einen neutralen pH Wert angewiesen ist, immer weiter dezimiert wird. Da hilft dann oft auch die perfekte Fütterung und Haltung zunächst nicht viel.

Denn kommt es erst einmal zu einem massiven Besatz des Darms mit den falschen Keimen, so kommen die Pferde häufig aus dem Teufelskreis aus Darmstörung und Kotwasser nicht mehr von alleine heraus.

Stress macht nicht nur Menschen krank

Daneben sollte man auch den Faktor Stress als Ursache für Kotwasser nicht unterschätzen. Viele Reiter denken, dass ihr Pferd keinen Stress haben kann, da es schließlich keinem unbefriedigenden Job nachgehen muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

weit aufgerissenes Pferdeauge
Stress als Ursache für Kotwasser ist nicht zu unterschätzen. © Adobe Stock / hhurma13

Dabei wird oft vergessen, dass unsere Haltungs- und Fütterungsbedingungen viele Ursachen für Stress liefern. Dazu gehören zu große Gruppen im Offenstall oder solche mit schlecht sozialisierten Pferden. Auch eine ranghohe oder rangniedrige Position in der Gruppe kann mit Stress verbunden sein.

In der Boxenhaltung sorgen Bewegungsmangel und unfreundliche Boxennachbarn für Stress. Auch lange Raufutterpausen bzw. „kontrollierte Raufutterzufuhr“ über Portionsfütterung oder Heuautomaten, zu wenige Fressplätze, fehlende oder nur sparsam vorhandene Einstreu und damit mangelnde Schlafmöglichkeiten und ganz wichtig die im Winter oft fehlende Möglichkeit, einfach mal zu rennen, zu buckeln und sich auszutoben, können hier mit zur Entstehung von stressbedingtem Kotwasser beitragen.

Die Ursachen für Stress zu finden, ist nicht immer einfach. Manchmal optimiert man alles, soweit es geht und trotzdem bessert sich einfach nichts. Dann zieht vielleicht ein Pferd aus der Gruppe aus oder man selber muss den Stall wechseln und auf einmal geht die Therapie ganz leicht. Oft sehen wir einfach nicht, was das Pferd stresst, aber es lohnt sich immer, hier hinzuschauen.

Ein „Wundermittel“ gegen Kotwasser gibt es nicht

Auch wenn ein Pferd nur in bestimmten Situationen, zum Beispiel beim Verladen oder wenn der Schmied kommt mit Kotwasser reagiert, oder wenn es nur im Winter auftritt, spricht das für bereits bestehende Verdauungsprobleme im Dickdarm. Langfristig entwickeln von Kotwasser betroffene Pferde häufig eine Kryptopyrrolurie (KPU) und die damit einhergehenden Symptome. Ist dieser Zustand dann erst einmal erreicht, wird die Therapie oft umso aufwendiger.

Diagnostisch sind Fehlgärungen im Dickdarm nachweisbar über den Indikan-Wert. Hier kann man als Pferdehalter direkt ein Urinröhrchen beim Labor (z.B. www.vetscreen.de) anfordern und den Indikan-Wert bestimmen lassen. Ist dieser bei 0, dann läuft der Fermentierungsvorgang im Dickdarm normal. Ist er bei 1, sollte die Fütterung optimiert und der Darm gegebenenfalls mit naturheilkundlichen Mitteln unterstützt werden, damit die Fermentierungsprozesse sich schnellstmöglich wieder stabilisieren.

Liegt der Indikan-Wert zwischen 2 und 4, dann sind deutliche Veränderungen in der Fütterung und evt. der Haltung angezeigt sowie den Darm sanierende Maßnahmen. Hier muss mit längeren Therapiezeiten gerechnet werden, weil häufig auch neben dem Kotwasser schon andere erste Symptome auf eine Entgleisung von Stoffwechselprozessen hinweisen.

Für eine sinnvolle Therapie von Kotwasser müssen aber immer viele Aspekte mit einbezogen werden. Einen großen Anteil hat hier eine artgerechte Ernährung, wobei alle Futtermittel gestrichen werden sollten, die sich nicht strikt an der natürlichen Ernährung des Pferdes orientieren. Aber auch die Haltung mit all ihren möglichen Stressfaktoren sollte gründlich überprüft werden und letztlich auch das Bewegungspensum sowie andere mögliche Grunderkrankungen wie Herz-Kreislaufprobleme oder Wurmbefall. Nur wenn alle Bereiche stimmen, kann eine Therapie auch erfolgreich sein.

Fazit

Kotwasser ist also mehr als nur ein „Schönheitsfehler“, es ist ein dringendes Warnsignal. Man sollte Stressursachen, Fütterungsfehler und auch die möglichen Folgen davon auf die Gesundheit des Stoffwechsels nicht auf die leichte Schulter nehmen.

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