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Sobald die Tage wärmer werden und die Weidesaison vor der Tür steht, geht in den meisten Ställen wieder das muntere Stall-Wechseln los. Die Gründe dafür sind vielfältig, das kann von einem Umzug des Haushalts in eine andere Stadt oder Region über Ärger im Stall bis hin zu einem älter werdenden oder chronisch kranken Pferd reichen, auf dessen Bedürfnisse im momentanen Stall nicht genügend Rücksicht genommen werden kann.

Denn auch wenn man als Besitzer meint, dass das schnelle Eindecken mit der Ekzemerdecke, das fixe Anlegen von Hufglocken für den Weidegang oder das „mal eben“ Zufüttern diverser Pülverchen für das eigene Pferd nicht viel Zeit in Anspruch nimmt – 10 Minuten mal 40 Pferde sind am Ende dann auch bald 7 Stunden, also fast ein ganzer Arbeitstag, der mit solchen „Nebentätigkeiten“ dann vom Stallbetreiber verbracht wird.

Daher ist eine solche Zusatzleistung in vielen Ställen einfach organisatorisch nicht möglich. Und dass nicht nur Pferde im Winter auf engen Winterausläufen Stress miteinander haben, sondern auch die Besitzer häufiger mal aneinander geraten, wenn man sich in Halle, Longierzirkel und der engen Sattelkammer irgendwie zusammen raufen muss, das ist auch nur zu verständlich. Schnell entstehen da tiefe Feindesgräben, die manchmal einfach nicht mehr zu überbrücken sind.

Gute Gründe für eine Wechsel

Es gibt also gute Gründe, in denen es tatsächlich sinnvoll ist, den Stall zu wechseln, dazu gehören unter anderem:

  • Ungenügende Fütterung (zu wenig Heu, schlechte Raufutterqualität, silierte Futtermittel…)
  • Zu viele Pferde auf zu wenig Raum, vor allem in überfüllten Offenställen
  • Keine oder eine zu kleine eingestreute Liegefläche, nur Gummimatten in Box oder Offenstall, mangelnde Hygienebedingungen
  • Anderer haltungsbedingter Stress für das Pferd, der sowohl bei Boxen- als auch Offenstallhaltung auftreten kann, z.B. asoziale Pferde in der Gruppe oder der Nachbarbox, nicht funktionierende Gruppenstruktur, Boxenhaltung für Pferde, die nur Offenstall kennen und umgekehrt, mangelnder freier Auslauf u.v.m.
  • Besondere Bedürfnisse des Pferdes, die so im aktuellen Stall nicht gehandhabt werden können, z.B. bedampftes Heu für chronische Huster, Ekzemerdecke für Sommerekzem-Kandidaten, regelmäßige Gabe von Spezialfuttermitteln oder Medikamenten bei Stoffwechselkrankheiten, eingeschränkter Weidegang für Hufrehepferde, mehrmals tägliche Gabe von eingeweichten Heucobs für Senioren und Pferde mit Zahnproblemen u.v.m. und natürlich auch
  • Ständiger Ärger mit dem Stallbetreiber oder Miteinstellern, sodass man selber nur noch mit Bauchschmerzen zum Pferd fährt

Was ist bei der Integration zu beachten?

Steht ein Stallwechsel an, ist es immer sinnvoll, ihn während der Weidesaison durchzuführen. Die Pferde können sich dann durch die größeren Flächen besser ausweichen als auf kleinen Winterausläufen.

Führt man die Integration dann durch, wenn gerade eine neue Weide aufgemacht wird, kommt es auch nicht zu so starkem Territorialverhalten, wie es manche Pferde gerne auf ihrem gewohnten Grund zeigen. Insgesamt läuft der Stallwechsel und die Integration bei offenen Weiden wesentlich harmonischer und weniger stressig ab.

Boxenhaltung
Insgesamt läuft der Stallwechsel und die Integration bei offenen Weiden wesentlich harmonischer und weniger stressig ab. © Adobe Stock/Ralf Geithe

Aber man sollte dabei nicht vergessen, dass Pferde absolute Gewohnheitstiere sind und jeder Stallwechsel einen hohen Stressfaktor darstellt: die gewohnte, Sicherheit gebende Gruppe und Umgebung wird verlassen. Wer weiß, was einen im neuen Stall erwartet? Gibt es dort überhaupt Futter? Vielleicht lauert da der Puma um die Stallecke, der einen fressen will und man hat noch keinen Platz in der Herde, die einen schützt?

Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Hauspferde innen drin eigentlich noch immer flüchtende Wildtiere sind. In der freien Wildbahn verbringen die Pferde praktisch ihr ganzes Leben in einem festen Familienverband. Ein Wechsel der Gruppe und des Lebensraums ist hier nicht so wirklich vorgesehen und bedeutet daher eine schwere emotionale Belastung für unsere Hauspferde.

Man kann davon ausgehen, dass es in der Regel etwa 3 Monate dauert, bis ein Pferd im neuen Stall „ankommt“ und etwa 6 Monate, bis es seinen Platz in der Gruppe gefunden hat und wirklich integriert ist. Einige Pferde tun sich dabei leichter, andere schwerer. Je öfter Pferde schon den Stall wechseln mussten, desto leichter fällt es ihnen oft.

Hat ein Pferd 20 Jahre in derselben Gruppe verbracht und muss jetzt  z.B. altersbedingt den Stall wechseln, dann ist das eine ganz erhebliche Stressbelastung. Auch ein Pferd, das sich im letzten Stall pudelwohl gefühlt hat und gut in die Gruppe integriert war, kann großen Stress damit haben, seine Freunde zurück zu lassen.

Unterstützung bei Stress

Stress fördert das Entstehen von Magengeschwüren, v.a. wenn er über sehr lange Zeiträume besteht. Außerdem kann er Kotwasser auslösen und Verhaltensauffälligkeiten wie Koppen, Weben, Krippenwetzen, Zungenspielen, Aggression gegen Artgenossen und vieles mehr.

Viele Pferde nehmen darüber hinaus unter Stress ab, oder längst nicht so zu, wie man das in der Weidesaison erwarten sollte. Stress hat damit erhebliche Auswirkungen auf den Stoffwechsel, von schmerzhaften Magengeschwüren bis hin zu einem unterdrückten Immunsystem.

Gerade rangniedrige Pferde und solche, die dazu neigen, sich in Stress hinein zu steigern, sollte man hier gezielt unterstützen. Die Gabe von beruhigenden Kräutermischungen (z.B. OKAPI Beruhigungskräuter) wirkt sich da oft positiv aus, da die Pferde etwas entspannter in die neue Gruppe gehen und damit oft erst gar keine stressende Eigendynamik aufkommt.

Auch Bachblüten können hier in einigen Fällen gute Dienste leisten, da sie gerade für ängstliche und unsichere Pferde einige unterstützende Blüten enthalten. Hier sollte man einen erfahrenen Tierheilpraktiker zu Rate ziehen, der einem eine passende individuelle Mischung zusammenstellen kann.

Darüber hinaus sollte gerade in Eingewöhnungsphasen immer ausreichend Platz zum Ausweichen zur Verfügung stehen, z.B. anfangs die Pferde nur auf der Weide zusammen lassen, aber über Nacht das neue Pferd noch in eine separate Box statt in die Offenstallgruppe stellen. Ein reichhaltiges Raufutterangebot, ob eine gut dastehende Weide oder die Zufütterung von reichlich Heu auf abgeknabberten Weiden, ist ebenfalls ein bewährtes „Anti-Stress-Mittel“ für Pferde.

Bei Pferden, die nur mit Fressbremse oder Fliegenmaske auf die Weide sollten, ist es angeraten, diese für die Eingewöhnungszeit ggf. wegzulassen, außer es stehen noch mehr Pferde mit solchen „Kopfgestellen“ auf der Koppel und die Gruppe ist daran gewöhnt. Sowohl Fressbremsen als auch Fliegenmasken reduzieren stark die Mimik, was dann gerade bei fremden Pferden schnell zu kommunikativen Missverständnissen führen kann und wieder Ärger provoziert.

Und wenn es wieder nicht passt?

Stellt man dann fest, dass man mit dem neuen Stall doch eher noch „vom Regen in die Traufe“ gekommen ist, dann sollte man so schnell wie möglich wieder wechseln. Ist das Pferd nämlich erst mal über ein halbes Jahr in die Gruppe wirklich integriert und muss dann wieder wechseln, geht der ganz große Stress von vorne los. Dann lieber so schnell wie möglich wieder raus und in einen neuen – und diesmal hoffentlich passenden – Stall.

Mehr zum Thema: Top 5 Stressfaktoren bei Pferden oder in unserer Checkliste für die Stallsuche