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Gerade in Zeiten von eingeschränktem Zutritt zum Stall aufgrund z.B. von Quarantäne-Maßnahmen oder wenn das Wetter nicht gerade zum Verweilen draußen einlädt, kann man immer wieder beobachten, dass das Putzen des Pferdes von vielen Reitern extrem verkürzt wird.

Manche gehen nur kurz mit einer Bürste über die Sattellage, schnell satteln und trensen und los geht’s. Spricht man die Pferdebesitzer darauf an, hört man oft „Na, der ist doch eh sauber“ oder „Deshalb hat er ja eine Decke drauf, damit ich nicht so viel putzen muss“. Dabei ist Putzen weit mehr als nur das Entfernen von Schmutz. 

Der selbstreinigende Mechanismus des Fells

Beobachtet man Wildpferde, dann wälzen sie sich auch mal im Matsch und sehen danach „paniert“ aus. Ein paar Stunden oder einen Tag später sind Sand und Dreck dann meist schon wieder abgefallen.

Das Fell hat einen selbstreinigenden Mechanismus, indem von den Talgdrüsen produzierter Talg (also Hautfett) entlang der Haare nach außen geschoben wird und so das Haar nicht nur wasserabweisend macht, sondern auch hartnäckige Schmutzpartikel mitnimmt. Wälzen im Sand dient auch der Fellreinigung, da die Sandpartikel wie Scheuersand über das Fell rubbeln und Talg und Schmutz mitnehmen.

Durch Schütteln wird Sand dann wieder aus dem Fell entfernt und auch der schlimmste schnitzelpanierte Dreckspatz sieht nach dem Abtrocknen und Schütteln wieder sauber aus. Aus dieser Sicht sollte man meinen, gibt es keinen Grund, sein Pferd gründlich zu putzen, das kriegen sie auch ohne den Menschen ganz gut hin.

Aber das Entfernen von Schmutz ist nur ein Aspekt, wenn wir unser Pferd putzen. Natürlich ist das Entfernen von Sand und Schmutz gerade in der Sattellage wichtig, um Scheuerstellen zu vermeiden.

Viel wichtiger als Sauberkeit

Viel wichtiger aber ist, dass wir beim Putzen normalerweise jede Körperstelle mal berühren und mit der Bürste darüber fahren und dabei auch genau hinschauen. Sind Verletzungen unter dem Fell, dann können wir sie jetzt wahrnehmen, weil plötzlich Schorf zum Vorschein kommt oder Blut oder Lymphe das Fell nach dem drüberbürsten tränken, wo es vorher noch offensichtlich trocken hochgestanden hat.

Gerade plüschiges Winterfell kann kleine, oberflächliche Verletzungen gut verbergen. Ebenso sehe ich, wenn es Schwellungen gibt, die auf Hämatome oder Entzündungen hinweisen können.

Außerdem sehe ich, ob mein Pferd an einer Stelle mit Schmerzen, Ausweichen oder Abwehren reagiert. Bürste ich den Rücken und das Pferd drückt seinen Rücken nach unten weg, dann hat es Rückenschmerzen, die Muskeln sind verspannt. Das ist ein Warnhinweis, dem man nachgehen sollte mit einem guten Manualtherapeuten oder ggf. den Sattel mal kontrollieren lassen. Ignoriert man das Verhalten, ist das Pferd irgendwann lahm, buckelt den Reiter runter oder will gar nicht mehr vorwärts gehen.

Auch leichte Schwellungen an den Beinen, beispielsweise nach einer Trittverletzung oder leicht „angelaufene“ Fesseln kann ich jetzt wahrnehmen, die mir vorher vielleicht gar nicht aufgefallen sind. Tut sich mein Pferd beim Hufe auskratzen plötzlich schwer, ein Bein hochzuheben oder wird unwillig, dann hat es vermutlich Schmerzen auf der gegenüberliegenden Seite und möchte das andere Bein nicht belasten.

Der Schmerz muss nicht so stark sein, dass er zu einer Lahmheit führt, aber nehme ich dem Pferd das eigentliche „Standbein“, weil ich den Huf auskratzen will, muss es plötzlich das schmerzende Bein belasten und das ist ihm unangenehm. Das zeigt es durch Unwillen.

Hufeauskratzen beim Pferd
Beim Auskratzen der Hufe werden Probleme sichtbar. © Adobe Stock/filmbildfabrik

Kratze ich die Strahlfurchen aus und mein Pferd will mir plötzlich vehement das Bein wegziehen, dann hat es vielleicht Strahlfäule, die tief reicht oder einen blöd sitzenden Hufabszess, der zwar keine Lahmheit verursacht, aber durch den Druck mit dem Hufkratzer schmerzhaft ist. 

Beim gründlichen Putzen lerne ich viel über mein Pferd und wie es sich in seinem Körper fühlt. Und natürlich ist Putzen auch eine soziale Angelegenheit, nicht ohne Grund betreiben gute Pferdefreunde gegenseitige „Fellpflege“.

Über das Putzen verschaffe ich meinem Pferd Wohlgefühl und kann es an Stellen kratzen, an die es selber nicht gut rankommt. Diesen „Gefallen“ gibt es mir zurück durch motivierte Mitarbeit (oder manchmal auch, indem unsere Pferde anfangen wollen, uns zu putzen). Das stärkt die Bindung um festigt die Partnerschaft und das ist am Ende die Basis dafür, dass wir Spaß miteinander haben. 

Fazit

Deshalb auch bei allem Alltagsstress, Termindruck und Hektik, die uns täglich begleiten – die Viertelstunde Pferd putzen ist viel mehr als nur Sauberkeit.

Mehr zum Thema auf unserer Themenseite Haut und Fell oder Probleme mit Fell, Haut oder Hufen bei Schwefelmangel?