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Zeit für die „große“ Wurmkur – wirklich?
Das Thema „Würmer“ ist für viele Pferdebesitzer ein schreckliches Ekelthema und bevor da auch nur ein Wurm im Pferd wachsen könnte, wird lieber mehrmals im Jahr fleißig entwurmt.

„Prophylaktisches Entwurmen“ wird das genannt, aber nichts könnte falscher sein als diese Bezeichnung. Denn Wurmkuren sind chemische Stoffe, die Würmer abtöten. Also, nur wenn ein Wurmbefall vorhanden ist, können die Wurmkuren diese Würmer auch abtöten.

Sind keine Würmer da, dann stellt die Wurmkur also nur eine sinnlose chemische Belastung für den Stoffwechsel des Pferdes dar, denn die meisten Wirkstoffe werden über die Darmschleimhaut aufgenommen und müssen dann über den Leber-Niere-Stoffwechsel wieder entgiftet und entsorgt werden.

Wurmkuren sind insofern vergleichbar mit Antibiotika – niemand würde auf die Idee kommen, seinem Pferd einfach mal „prophylaktisch“ zweimal im Jahr eine Antibiotika-Kur zu geben. Denn Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, wenn auch ein bakterieller Infekt vorhanden ist.

Genauso wirken eben Wurmkuren nur, wenn ein Wurminfekt vorhanden ist. Und ebenso wie bei den Antibiotika haben wir uns durch das sorglose Verabreichen von Wurmkuren jede Menge Resistenzen produziert.

Unnötige, „prophylaktische“ Medikamentenverabreichung produzieren Resistenzen

Gegen einige Präparate sind mittlerweile rund 80% der Wurmstämme resistent. Wenn wir so weitermachen, stehen wir bald vor demselben Problem wie mit Antibiotika: dass es Würmer gibt, gegen die keine Wurmkur mehr hilft (multiresistent). Dann hat man ein echtes Problem, wenn das Pferd sich einen solchen Parasiten einfängt.

Wirt-Parasiten-Beziehung

Daher ist es höchste Zeit, hier umzudenken und sich einmal mit dem Thema Parasit-Wirt-Beziehung auseinander zu setzen.

Pferde haben im Lauf ihrer Evolution – genauso wie alle anderen Säugetiere – schon immer mit Wurmparasiten zu tun gehabt. Die Tatsache, dass die Pferde dadurch im Lauf der Jahrmillionen nicht ausgestorben sind, ist darauf zurückzuführen, dass der Parasit eigentlich gar kein Interesse daran hat, seinen Wirt umzubringen.

Denn ohne Wirt stirbt auch der Parasit. Daher stellt sich in den meisten Fällen ein Gleichgewicht zwischen Wirten und Parasiten ein – der Wirt entwickelt Strategien durch Fressverhalten, Hygiene, Immunreaktion etc., damit es nicht zu einer übermäßigen Besiedelung mit Parasiten kommen kann.

In der Natur weiden Pferde eine Zeitlang in einer Region und setzen dort auch ihren Kot ab. Dort, wo sie Kot absetzen, fressen sie nicht mehr, was man an den „Geilstellen“ auf den Weiden sehen kann, wenn man nicht abmistet. Ist das Futter weggefressen, zieht die Herde weiter.

Die Darmparasiten, deren Eier oder Larven mit dem Kot ausgeschieden werden, bleiben auf der Fläche mit dem Kot zurück. Da die Pferde weiter ziehen, sinkt also das Risiko, dass sie sich damit re-infizieren, das ist der Hygiene-Aspekt.

Dazu kommt, dass Wildpferde gezielt verschiedene Kräuter fressen, die offenbar eine Minimierung des Wurmbefalls erzielen. Hier wird in Fachkreisen noch diskutiert, wie diese Pflanzen wirken. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Pflanzen Wirkstoffe enthalten, die das Darmmilieu in einer Weise verändern, dass es für Parasiten „ungemütlich“ wird.

Sie haben also keine direkte abtötende Wirkung (im Gegensatz zu Wurmkuren), sondern sorgen eher dafür, dass Parasiten sich im Darm nicht so leicht ansiedeln und halten können. Das könnte auch eine Erklärung sein, warum gegen die Wirkstoffe dieser Pflanzen im Lauf der Zeit weniger Resistenzen entstanden sind als gegen unsere Wurmkuren, die eine abtötende Wirkung auf Würmer haben.

Und schließlich lernt das Immunsystem in der Jugend des Pferdes, die verschiedenen Würmer zu erkennen und gezielt zu bekämpfen. Daher haben Pferde unter sechs Jahren viel häufiger mit Wurminfekten zu tun als ausgewachsene Pferde.

Hygiene nimmt einen großen Teil der Prophylaxe ein

Aber was heißt das für unsere Hauspferde? Wir können uns dieselben Mechanismen zunutze machen, welche die Pferde seit Jahrmillionen verwenden. Bezüglich Hygiene heißt das: täglich abmisten, ob Auslauf, Stall oder Weide. Je weniger Fäkalien-Kontakt die Pferde haben, umso geringer das Risiko einer Infektion.

Wurmlarven mögen es dunkel und feucht und können nur schlecht mit Trockenheit und Sonnenlicht umgehen. Daher sollte man Geilstellen auf den Weiden spätestens im Herbst ausmähen und das potentiell mit Wurmlarven verseuchte Mähgut auf dem Mist entsorgen (nicht verfüttern!).

Immer Licht und Luft an die Bereiche kommen lassen, wo Mist lag. Boxen täglich gründlich misten und durchtrocknen lassen: Einstreu an die Ränder, Boden austrocknen lassen, erst dann wieder einstreuen. Da man nie allen Mist aus der Einstreu entfernen kann, sollte man auch die gesamte Einstreu regelmäßig wechseln und ganz frisch einstreuen.

Dauer-Einstreu (früher Matratzen-Streu genannt) steigert das Risiko für Wurminfekte, weil man sie einfach nie ganz sauber entmisten kann und Überreste, die an der Einstreu kleben, Wurmeier bzw. -larven enthalten können.

Auch aus Kostengründen unbedingt dafür sorgen, dass die Pferde nicht auf ihr Heu äppeln können durch Raufen, Heunetze oder andere Vorrichtungen. Mistverunreinigtes Heu gehört entsorgt. Ausreichend Futter anbieten, dass die Pferde nicht gezwungen sind, ihre verkotete Einstreu zu fressen oder Heuhalme aus dem fäkaliendurchsetzen Schlamm des Auslaufs zu fischen.

Unterstützung des Immunsystems

Das Immunsystem kann man mit Kräutern sehr schön unterstützen, gerade im Herbst, wo durch Wetterwechsel und nasskaltes Wetter auch der Infektionsdruck durch Bakterien, Pilze und Viren zunimmt. Hier eignet sich z.B. die Imuno Kräutermischung von OKAPI.

© Okapi GmbH

Aber auch Kräutermischungen, welche Leber und Nieren unterstützen, entlasten das Immunsystem, denn es ist nicht nur dafür zuständig, sich um Infekte zu kümmern, sondern auch um zirkulierende Abfallstoffe und Toxine.

Gesunder Darm und Darmflora – unverzichtbare Voraussetzungen für stabiles Immunsystem

Das größte Immunorgan ist der Darm, hier finden wir rund 70% des Immunsystems in der Darmschleimhaut. Je besser der Darm arbeiten kann und je gesünder das Milieu, desto besser arbeitet auch das Immunsystem. Für einen gesunden Darm braucht das Pferd in erster Linie ständig Zugang zu Heu.

Fresspausen sind für den Darm des Pferdes ebenso schädlich wie große Mengen Kraftfutter oder reichlich Karotten / Äpfel aber auch „Strukturmüslis“ oder Heulage.

Für solche Futtermittel ist das Pferd von der Evolution her einfach nicht gemacht, sie stellen eine Belastung für das natürliche Mikrobiom (Darmflora) dar und damit auch für das Immunsystem des Pferdes.

Um sich den Darm zu stabilisieren, suchen Pferde in der Natur gezielt Pflanzen mit einem hohen Anteil an Bitter- und Gerbstoffen. Da unser Heu überwiegend aus Süßgräsern besteht, fehlen diese Pflanzen oft auf dem Speiseplan unserer Pferde.

Kräuter gezielt zufüttern

Man kann sie aber ergänzen, beispielsweise durch die Fütterung von Esparsette. Sie enthält „kondensierte Tannine“ (Gerbstoffe), wie sie auch in grünem Tee enthalten sind. Bei kleinen Wiederkäuern konnte in Studien gezeigt werden, dass die Esparsette eine wurmabtreibende Wirkung hat, weshalb sie in Landschaftspflege-Projekten mit Schafen und Ziegen gezielt als natürliche Entwurmungsstrategie eingesetzt wird.

Vorstudien beim Pferd weisen auf eine vergleichbare Wirkung hin, die vermutlich vor allem der positiven Veränderung des Darmmilieus und damit Stärkung des Immunsystems zu verdanken ist.

Geht man mit seinem Pferd an kräuterreichen Naturschutzflächen spazieren, kann man auch beobachten, dass sie jetzt teilweise Gras stehen lassen und statt dessen gezielt bestimmte Pflanzen fressen.

Dazu gehört jetzt beispielsweise der Meerrettich, der unter anderem Senfölglycoside enthält, von denen man eine wurmabtreibende Wirkung vermutet. Auch Beifuß wird jetzt gerne gefressen, ebenso wie Blätter vom Walnussbaum, die aufgrund ihrer verschiedenen Gerb- und Bitterstoffe wieder darmstabilisierend wirken beim Pferd.

Leider hat nicht jeder die Möglichkeit, auf naturbelassenen Wiesen mit seinem Pferd Kräuter knabbern zu gehen. Zum Glück gibt es aber mittlerweile eine Reihe von Kräutermischungen, welche eine wurmabtreibende bzw. darmstabilisierende Wirkung als Fokus haben, wie z.B. die Vermkräuter von OKAPI, die man dann als „Herbstkur“ gerade zur Abweidezeit in eine Handvoll OKAPI Esparsette geben kann.

Blühende Esparsette
© Adobe Stock/Karin Witschi

Dabei muss man ganz klar sagen, dass alle diese pflanzlichen Maßnahmen gut geeignet sind für Pferde mit einem insgesamt gesunden Darm und guten Immunstatus, die lediglich aufgrund einer Zusatzbelastung (Stallwechsel, neues Pferd in der Gruppe, Reisetätigkeit, u.a.) derzeit gerade an einem Wurminfekt leiden.

Wann ist eine chemische Wurmkur unumgänglich? Wann reicht Monitoring?

Ganz anders stellt sich das dar bei Pferden, die aufgrund nicht artgerechter Fütterung oder Haltung oder aufgrund von Alter, Krankheit oder anderen Gründen eine Immunschwäche haben und sich nicht mehr ausreichend selber gegen Parasiten wehren können.

Hier kommt man meist nicht drum herum, die Pferde erstmal mit chemischer Wurmkur so weit von Parasiten zu befreien, dass man überhaupt eine Chance hat, im nächsten Schritt über Optimierung der Fütterung und sanierende Maßnahmen den Darm und das Immunsystem wieder zu stabilisieren.

Ob ein Pferd an Darmparasiten leidet oder nicht, lässt sich über Kotproben feststellen. Schaut man sich die Daten aus den vielen Langzeituntersuchungen an, die es mittlerweile gibt, dann stellt man fest, dass 70% der Pferde auch über Jahre hinweg ohnehin nie einen behandlungsbedürftigen Wurmbefall haben.

Das Ziel ist dabei nicht unbedingt, alle Pferde komplett wurmfrei zu bekommen. Viele Pferde haben einen geringgradigen, Befall mit kleinen Strongyliden, mit dem sie wunderbar zurechtkommen und auch jahrelang problemlos stabil bleiben.

Hier ist keine Behandlung angezeigt, sondern nur Beobachtung („Monitoring“). Mit ordentlichen Hygienemaßnahmen (tägliches Abmisten etc.) kann man das sogar auf 80% bringen. Das heißt also, wenn ich einen Stall mit 100 Pferden haben, dann sind in der Regel bei ordentlicher Hygiene nur etwa 20 Pferde überhaupt von Würmern betroffen. Die übrigen 80 muss ich entsprechend auch gar nicht entwurmen.

Von den 20% Pferden, die mit Wurminfekten anhand von Kotproben identifiziert werden, haben etwa 80% einen Befall mit Strongyliden. Das sind winzige Fadenwürmer, die im Dickdarm des Pferdes leben. Also von meinen oben genannten 20 Pferden, die überhaupt infiziert sind, haben 16 einen Infekt mit Strongyliden.

Die übrigen 4 Pferde haben einen Infekt mit einer der vielen anderen Wurmarten. An zweiter Stelle nach den Strongyliden kommen die Spulwürmer, die vor allem Jungpferde betreffen und wo bei einem positiven Befund auch immer unbedingt entwurmt werden sollte. Sie betreffen im Schnitt 3 meiner 4 übrig gebliebenen Pferde.

Dann folgen Bandwürmer und Pfriemschwänze auf Platz 3 der Hitliste beliebtester Darmparasiten. Bandwürmer sprechen recht gut an auf Entwurmung, bei Pfriemschwänzen haben wir hingegen mittlerweile mit starken Resistenzen zu tun, sodass man oft mehrmals hintereinander mit unterschiedlichen Wirkstoffen entwurmen muss, bis man sie los ist.

Die Überprüfung sollte dabei per Analabstrich erfolgen, der ist bei Pfriemschwänzen zuverlässiger als die einfache Kotprobe. Nicht in Kotproben nachweisen kann man Magendasseln. Diese erkennt man aber schon im Sommer, denn dann haben die Pferde die typischen gelben Eier im Fell kleben, vor allem an den Fesseln der Vorderbeine und im Bereich des Schultergelenks.

Hat man im Sommer Magendasseleier gefunden, dann sollte man auch unbedingt entwurmen, sobald der Frost durch ist und keine Insekten mehr fliegen. Tötet man dann, die im Magen des Pferdes überwinternden Dassellarven ab, unterbricht man ihren Vermehrungszyklus und sorgt so mit konsequenten Entwurmungen dafür, dass nach und nach die Dasselfliegen aus der Region verschwinden und in andere Gegenden abwandern.

Vor der chemischen Wurmkur gibt es Handlungsspielraum

Man sieht also: Wurminfekte sind insgesamt viel seltener, als die meisten Pferdehalter denken und man kann viel dafür tun, dass ein Pferd gar nicht erst zu einem behandlungsbedürftigen Befall kommt durch Optimierung von Haltung, Fütterung und Hygiene.

Wenn man dazu in darmbelastenden Zeiten wie Anweidezeit, Abweidezeit, Stallwechsel, Neuzugang in der Gruppe, Reisetätigkeit etc. den Darm des Pferdes gezielt unterstützt mit Bitter- und Gerbstoffen und im Frühjahr und Herbst noch eine entwurmende Kräutermischung gibt, dann hält man die Parasiten meist so gut in Schach, dass chemische Wurmkuren gar nicht unbedingt notwendig werden.

Wurmkur bei einem Pferd
© Adobe Stock/Sven Cramer

Je weniger Wurmkuren „prophylaktisch“ – also ohne Grund – verabreicht werden, umso besser wirkt jeder einzelne von uns der Resistenzbildung entgegen und wir behalten die Medikamente in der Hinterhand für Fälle, wo es wirklich nicht ohne chemische Keule geht.

Ob ein Befall vorliegt oder nicht, kann und sollte man immer anhand von Kotproben im Auge behalten und natürlich auch sein Pferd beobachten. Schlechte Futterverwertung, struppiges Fell, Schweifscheuern, aufgezogener oder geblähter Bauch, unklare Koliken, Würmer oder Wurmteile im Kot – all das sollte Anlass sein, unbedingt auch an einen Wurminfekt zu denken und nochmal per Kotprobe genauer hinzuschauen.

Mehr Info zum ganzen Thema „zeitgemäße, selektive Entwurmung“ auch unter www.selektive-entwurmung.com.

In unserem Beitrag: Herbstzeit – Wurmkurzeit findest du ebenfalls wichtige Hinweise zum Thema.