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Immer häufiger hört man von Pferdehaltern folgenden Satz in dieser oder ähnlicher Form: „Man sagt doch (im Internet steht, ich habe gehört…), dass Pferde synthetische Mineralfutter gar nicht verwerten können; deshalb möchte ich ein organisches Mineralfutter für mein Pferd. Dieser Satz ist leider völliger Quatsch. Warum? Um das zu verstehen, muss man etwas ausholen:

In der Natur nehmen (Wild)Pferde ihre Mineralstoffe aus verschiedenen Quellen auf. Dazu gehört natürlich ganz wichtig: das Grundfutter. Die Pflanzen, die von Pferden gefressen werden, sind zum Beispiel üblicherweise sehr reich an Calcium, da Pflanzen dieses gut aus dem Boden aufnehmen können und unter anderem zur eigenen Gerüststabilisierung verwenden.

Auch die meisten anderen Mineralstoffe können die Pflanzen gut aus dem Boden aufnehmen. Die meisten davon benötigt sie selber für ihren Stoffwechsel, zum Beispiel Eisen oder Kupfer. Andere scheinen im Stoffwechsel von Pflanzen eine geringe oder keine Rolle zu spielen, da sie keine Mangelerscheinungen ausbilden, selbst wenn dieses Mineral nicht im Boden vorhanden ist. Zu letzteren gehört zum Beispiel Selen.

In der Pflanze liegen die Mineralstoffe in unterschiedlichen chemischen Formen vor. So ist Schwefel meist an Aminosäuren gebunden, an Methionin oder Cystein. Andere Mineralstoffe liegen als Ionen vor, z.B. Zn2+ und dienen in der Form unter anderem als Cofaktoren, um Enzyme zu aktivieren, die regulierend in den Pflanzenstoffwechsel eingreifen.

Nur ein sehr geringer Anteil der Mineralstoffe ist in der Pflanze organisch gebunden, der größte Teil liegt in anorganischer Form vor. Aber was bedeuten eigentlich diese Begriffe?

Mineralfutter – organisch vs. anorganisch

Viele Leute denken, organisch hätte etwas mit „biologisch“ zu tun, anorganisch hingegen etwas mit „synthetisch“. Das ist leider falsch. Die Begriffe stammen aus der Chemie: die Organische Chemie beschäftigt sich mit allen Molekülen, die aus Kohlenstoff aufgebaut sind (organische Moleküle). Die Anorganische Chemie beschäftigt sich mit dem ganzen Rest.

Entsprechend sind organische Mineralstoffe an ein Molekül gebunden, das aus Kohlenstoffatomen besteht, meist eine Aminosäure. Anorganische Moleküle hingegen sind an andere Atome gebunden, häufig zu finden sind hier Oxid- oder Sulfatverbindungen. Ob ein Mineral aus synthetischer oder natürlicher Quelle stammt, kann also anhand des Namens gar nicht bestimmt werden.

Schaut man sich die organischen Mineralstoffe in den Futtermitteln jetzt genauer an, so sind es in aller Regel Formen, die so in der Natur überhaupt nicht vorkommen.

Die Mineralien werden in einem synthetischen Produktionsprozess an ein organisches Molekül gekoppelt, eine unnatürliche Verbindung also. In der Natur hingegen kommen viele anorganische Verbindungen vor. So ist Kalk (Calciumcarbonat) eine anorganische Verbindung, die im Tagebau abgebaut wird. Auch Oxide und Sulfate findet man vielfach in der Natur.

So kennt man bis heute 300 verschiedene anorganische Zinkverbindungen, die in der Natur vorkommen. Dabei werden anorganische Formen auch durchaus synthetisch hergestellt, meist aus natürlich abgebauten Ausgangsverbindungen.

Der große Unterschied ist also nicht der Herstellungsprozess. Vom Produktionsverfahren sind organische Verbindungen meist aufwendiger und damit teurer herzustellen als anorganische Verbindungen. Den Unterschied findet man in der Verwertung im Darm des Pferdes. Hier hört man immer wieder, dass organische Verbindungen besser „biologisch verfügbar“ seien als anorganische.

Was heißt eigentlich „biologische Verfügbarkeit“?

Hierzu muss man zunächst verstehen, wie diese biologische Verfügbarkeit beim Pferd ermittelt wird. Dafür wird eine Gruppe von Versuchspferden unterteilt in mehrere Untergruppen, die verschiedene Mineralstoff-Formen in steigender Dosis gefüttert bekommen.

Dann wird im Blut dieser Pferde gemessen, ab welcher Menge man einen Anstieg des Minerals im Blut nachweisen kann. Das klingt zunächst plausibel, will man doch erreichen, dass das Pferd das gefütterte Mineral effizient aufnimmt, also es im Blut ankommt. Vergessen wird hier aber die „Sortierfunktion“ der Darmwand.

Denn Nährstoffe, die im Verdauungsprozess freigesetzt werden oder im Futter enthalten sind, flutschen nicht einfach so unkontrolliert durch die Darmwand durch. Statt dessen ist die Darmschleimhaut mit hoch spezialisierten Zellen ausgestattet, die an ihrer Oberfläche Transportermoleküle ausgebildet haben. Ein Transporter ist dabei immer für ein spezielles Molekül oder Ion zuständig, also sein individuelles Substrat. So gibt es Transportermoleküle für Zucker oder Fettsäuren, aber auch für Vitamine oder Mineralstoffe.

Zwei Pferde fressen Gras
Geht es um die Grundversorgung, dann sollte man immer auf anorganische Mineralstoffe setzen. © Adobe Stock/matilda553

Die Mineraltransporter sind immer für bestimmte Mineralstoffe spezifisch, d.h. Calcium wird nur durch Calciumtransporter resorbiert, Phosphor nur durch Phosphortransporter. Die Aufnahme der Mineralstoffe erfolgt dabei in der Regel in Form von Ionen. Das heißt, dass die anorganischen Mineralstoffe sich im Nahrungsbrei auflösen („dissoziieren“) und aus Zinksulfat (ZnSO4) jetzt Zink (Zn2+) und Sulfat (SO42-) frei werden. Beide werden dann über unterschiedliche Transporter aufgenommen – der eine über den Zinktransporter, der andere über den Schwefeltransporter.

Die Tätigkeit der Transporter ist dabei im Wesentlichen von zwei Faktoren abhängig: dem Gehalt ihres Zielsubstrats in der Nahrung und dem Füllzustand der Speicher im Körper.

Hat ein Pferd also zum Beispiel ständig nur wenig Kupfer in seinem Grundfutter und seine Kupferspeicher leeren sich, dann sind die Transporter für Kupfer deutlich aktiver und es kann sogar dazu kommen, dass mehr Transportermoleküle in die Zellwand eingebaut werden, um möglichst effizient das Kupfer aus dem Nahrungsbrei zu ziehen. Steigt der Kupfergehalt im Futter an, dann kann das Pferd seine Speicher wieder auffüllen.

Sind die Speicher voll, dann gibt es eine Rückmeldung an die Darmwandzellen, die Aufnahme von Kupfer zu reduzieren oder einzustellen. Denn wenn jetzt noch weiter fleißig Kupfer aufgenommen würde, dann müsste dieses mühsam über die Nieren wieder aus dem Blutstrom herausgefiltert und über den Urin ausgeschieden werden.

Auf diese Weise reguliert der Organismus in ganz engem Rahmen die Aufnahme (und Ausscheidung) der verschiedenen Mineralstoffe, sodass es nicht zu erhöhten Werten im Körper (Blut) kommen kann. Ganz anders sieht das jedoch aus, wenn man organisch gebundene Mineralstoffe füttert.

Organische Mineralstoffe setzen die natürlichen Selektionsmechanismen außer Kraft

Diese sind in der Regel an Aminosäuren gebunden und lösen sich davon auch nicht im Verlauf des Verdauungsprozesses. Statt dessen wird die Aminosäure, die ja eigentlich ein Baustein von Eiweiß ist, von den Aminosäuretransportern erkannt und aufgenommen.

Erst dann stellt der Körper fest, dass er diese Aminosäure gar nicht gebrauchen kann, weil sie ja für ihn „defekt“ ist – sie hat ein Mineral gebunden an einer Stelle, wo es gar nicht hingehört. Also wird die Aminosäure abgebaut und ausgeschieden.

Bei diesem Prozess wird nicht nur Harnstoff frei, der über die Nieren ausgeschieden werden muss sondern natürlich auch das gebundene Mineral. Es wird dem Blutstrom mitgegeben, um dann in den Nieren aus dem Blut herausgefiltert und über den Urin ausgeschieden zu werden. Dieser Anstieg ist es vermutlich, den man im Blut nach der Fütterung von organischen Mineralstoffen beobachten kann.

Das erlaubt aber keine Aussage darüber, wie voll die Speicher im Körper für dieses Mineral ist oder wie gut die Zellen die jeweiligen Mineralien verarbeiten können.

Daher ist der Begriff der „Bioverfügbarkeit“ in diesem Zusammenhang auch sehr irreführend, denn bioverfügbar ist in dem Fall auch, was aufgenommen und postwendend wieder ausgeschieden wird. Nebenbei bemerkt schmecken alle organischen Mineralstoffe auch ganz grauenhaft, sodass man immer mit Zucker oder ähnlichen Tricks arbeiten muss, um sie ins Pferd zu kriegen.

Was füttert man jetzt wann?

Bei der Frage, ob man eher organische oder anorganische Mineralstoffe füttern sollte, kommt es also darauf an, ob man nur die Grundversorgung sicher stellen will oder ob ein nachgewiesener Mangel ausgeglichen werden soll.

Geht es um die Grundversorgung, dann sollte man immer auf anorganische Mineralstoffe setzen. Denn diese können bereits bei ihrer Aufnahme vom Körper effizient reguliert werden: Was er nicht benötigt verbleibt im Nahrungsbrei und wird mit dem Kot ausgeschieden, anstatt die Nieren zu belasten.

Hat das Pferd hingegen einen nachgewiesenen Mangel z.B. an Zink, dann ist es sinnvoll, kurweise organisches Zink (Zinkchelat) zu füttern. Damit wird mehr Zink in kürzerer Zeit aufgenommen, sodass die Speicher wieder aufgefüllt werden. Anschließend kann man den normalen Zinkbedarf dann wieder über das anorganische Mineralfutter sicherstellen.

Achtung bei Mineralfutter: organisches Selen!

Eine Ausnahme bildet hier organisches Selen („Selenhefe“). Es ist ebenfalls an eine Aminosäure gebunden, allerdings ist hier in der Aminosäure Schwefel ausgetauscht gegen Selen. Daher gibt es Selenocystein oder Selenomethionin. Es sind die einzigen schwefelhaltige Aminosäuren, die man beim Pferd findet.

Dieser Schwefel ist auch essentiell wichtig, denn er verleiht den Eiweißen ihre Stabilität durch so genannte Disulfidbrücken. Daher werden diese Aminosäuren üblicherweise dort in Eiweiße eingebaut, wo es auf stabile Struktur ankommt, also z.B. im Hufhorn, in der Haut und auch in den Haaren, aber auch an vielen anderen Stellen im Körper. Leider erkennt der Körper nicht rechtzeitig, wenn in den Aminosäuren Selen statt Schwefel eingebaut ist.

Das sorgt dafür, dass der Körper diese falschen Aminosäuren in die Eiweiße einbaut. Sie können jedoch keine stabilen Disulfidbrücken mit anderen Aminosäuren bilden. Die Folge sind instabile Eiweiße, die im besten Fall wieder abgebaut und entsorgt werden, im schlechtesten Fall jedoch vitale Strukturen zerstören.

Beim Abbau wird dann in größerem Maß Selen frei, das nur schwer wieder ausgeschieden werden kann. Es kann damit im Gewebe zu erheblichen Überschüssen an Selen beitragen, die jedoch nur selten im Blutbild nachweisbar sind. Daher ist von der Zufütterung von organischem Selen unbedingt abzuraten. Hier sollte man eher darauf setzen, den Selenbedarf nach und nach mit dem anorganischen Selen des Mineralfutters aufzufüllen.

Mehr dazu: Fütterungskonzepte: Mineralfutter oder Sanoanimal Podcast #31 – Woran erkennt man gutes Mineralfutter?