Je grüner die Wiese jenseits des Winterauslaufs wird, umso länger werden Hälse und Lippen, um unter dem Zaun hindurch ein paar Halme zu erhaschen. Spaziergänge werden zur Zerreißprobe für Stricke und Nerven, weil das Gras doch allzu sehr lockt.
Wenn die Anweidezeit vor der Tür steht, beginnt damit bei vielen Besitzern die Sorge vor Verdauungs- und Stoffwechselproblemen.
Langsam anweiden
In der Natur fangen Pferde bereits im Februar und März an, sich anzuweiden. Während sie im Winter vor allem von Laub, Rinden und dem „Grasfilz“ des Vorjahres leben, kommen zu dieser Zeit an geschützten Stellen die ersten grünen Halme hervor und werden mit dem mageren Winterfutter mit gefressen. Wildpferde beispielsweise weiden sich ganz langsam vom Beginn der Vegetationsperiode an, haben dann eine kurze Phase des üppigen Bewuchses im Mai / Juni, bis dann die Vegetation im Sommer vertrocknet und im August nur noch „Heu am Stiel“ zu finden ist. Das dann zum Winter wieder in eine Ernährung aus Laub, Rinden und Grasfilz übergeht.
So weiden sich Wildpferde ganz langsam vom Beginn der Vegetationsperiode an, haben dann eine kurze Phase des üppigen Bewuchses im Mai / Juni, bis dann die Vegetation im Sommer vertrocknet und im August nur noch „Heu am Stiel“ zu finden ist, das dann zum Winter wieder in eine Ernährung aus Laub, Rinden und Grasfilz übergeht.
Um die Grasnarbe zu schonen, wird bei uns aber meist bis Anfang oder Mitte Mai gewartet, bis die Pferde das erste Mal auf die Koppel dürfen. Dann steht das Gras schon hoch und steckt voller Nährstoffe. Vor allem der hohe Pektin- und Zuckergehalt macht den Pferden dann zu schaffen.
Durchfall, Hufrehe, Kolik sind oft die Folge. Um das zu vermeiden, sollten Pferde ab März / April langsam angeweidet werden.
Entweder durch Grasen an der Hand, durch limitierten Zugang zu abgesteckten Weidestücken oder durch die Zufütterung von Grünschnitt kann man den Stoffwechsel langsam auf die Weide vorbereiten. Diese Anweidephase sollte – je nach Empfindlichkeit des Pferdes – zwischen 4 und 8 Wochen dauern, bis die Pferde komplett auf die Weide können.
Stabilisierung des Darmmilieus
Auch gesunde Pferde tun sich oft schwer mit der Umstellung vom trockenen Heu auf das saftige Weidegras. Der hohe Gehalt an Pektin im Gras, zusammen mit dem geringen Cellulose-Gehalt sorgt für Verschiebungen in der Darmflora und damit bei vielen Pferden für grünlichen Durchfall.
Diesen Darmflora-Problemen, so genannten Dysbiosen, kann man gut entgegen wirken, wenn man während der Anweidezeit Kräuter mit erhöhtem Bitter- und Gerbstoffgehalt zufüttert.
Aus diesem Grund stürzen sich auch viele Pferde in dieser Zeit auf den Löwenzahn – er gehört in der Naturheilkunde zu den klassischen Bitterpflanzen. Auch bittere Rinden werden dann gerne geknabbert, daher sollten Äste und Zweige ungiftiger Bäume und Büsche unbedingt auf dem Auslauf zur Verfügung stehen.
Bei kräuterarmen Weiden empfiehlt es sich außerdem, Mischungen von Kräutern mit erhöhtem Bitter- und Gerbstoffgehalt auf den Speiseplan zu setzen und über einen Zeitraum von 6-8 Wochen, während der Anweidezeit zu geben, bis sich die Verdauung auf die neue Ernährung umstellt hat.
Auch wenn das Gras hoch und saftig steht, benötigen Pferde einen ausreichenden Cellulose- und Ligningehalt, damit der Darm richtig arbeiten kann. Daher sollte man ihnen auch bei üppigem Weidewuchs immer Heu und möglichst auch Stroh (z.B. in Netzen auf der Koppel bzw. im Offenstall) oder Äste zum Knabbern mit anbieten. Sie lassen dann phasenweise die Weide stehen und gehen lieber Heu oder Äste knabbern, um sich das für sie passende Nährstoff-Faser-Verhältnis wieder einzustellen.
Hufrehe-Risiko im Auge behalten, besonders zur Anweidezeit
Wer ein Pferd mit erhöhtem Hufrehe-Risiko hat, sollte unbedingt auf eine reduzierte Graszufuhr achten. Denn nicht nur die im Frühjahrsgras in erhöhtem Maß enthaltenen Pektine können durch Fehlgärungen eine Hufrehe auslösen. Auch der hohe Zuckergehalt ist ein Risiko z.B. für nicht diagnostizierte Pferde mit Insulinresistenz, eine Hufrehe zu entwickeln.
Ist das Gras dann im Hochsommer trocken und kurz gefressen, steigt der Gehalt an Fruktanen und Endophyten, was ebenfalls ein erhöhtes Hufreherisiko mit sich bringt. Also egal ob grün und saftig oder trocken und kurz genagt: Das Hufreherisiko bleibt den ganzen Sommer über und bis in den Herbst hinein bestehen.
Außerdem sollte man als Besitzer eines solchen Pferdes nicht nur die Telefonnummer des Tierarztes stets griffbereit haben und möglichst täglich die Temperatur der Hufe kontrollieren. Auch hat es sich bewährt, eine Mischung aus Weiderinde und Mädesüß (1:1 in der Apotheke mischen lassen) oder alternativ das HoofCool forte von der Firma OKAPI in der Stallapotheke zu haben. Läuft das Pferd fühlig oder zeigen die Hufe eine deutlich erhöhte Temperatur im Vergleich zu den anderen Pferden der Gruppe, dann ist nicht nur die Weide erstmal gestrichen (und der Tierarzt zu alarmieren), sondern man sollte sofort das HoofCool forte nach Herstelleranweisung oder alternativ 1-2 mal täglich eine Handvoll von der Weiderinde / Mädesüß Kräutermischung und geben.
HoofCool hemmt Entzündungen, löst Blutgerinnsel und wirkt kapillarweitend, sodass man in den meisten Fällen eine schnelle Besserung der Symptome sehen kann. Die Kräutermischung wirkt ebenfalls Gerinnsel lösend und Kapillaren weitend, sodass man auch damit der Entstehung einer ausgewachsenen Hufrehe sofort entgegen arbeitet.
Auch das Ansetzen von Blutegeln hat sich hier bewährt, die schnell Druck aus der Hufkapsel nehmen und ebenfalls Gerinnsel lösend wirken.
Blutegel werden von vielen Tierheilpraktikern eingesetzt, die dem Pferdebesitzer meist auch gern den Umgang mit den glitschigen kleinen Helferlein zeigen. Wichtig ist hier: jedes Anzeichen für Hufrehe ist unbedingt ernst zu nehmen und nach Möglichkeit sind umgehend Tierarzt und Hufbearbeiter zu alarmieren, um eine Chronifizierung oder einen dramatischen Verlauf nach Möglichkeit zu vermeiden.
Fressgeschwindigkeit regulieren
Nach Möglichkeit sollten alle Pferde im Sommer Zugang zur Weide haben, weil sie nicht nur wertvolle Närhstoffe liefert (die durch den Trocknungsprozess zu Heu teilweise verloren gehen), sondern auch unschätzbar wichtig für die Psyche ist: Die Pferde können sich in ihrer sozialen Gruppe den ganzen Tag schreitend und Futter suchend fortbewegen, was den natürlichen Bedürfnissen an Leben und Nahrungsaufnahme bei Pferden am meisten entgegen kommt.
Nur weil ein Pferd zu Übergewicht oder Hufrehe neigt, heißt das nicht, dass die Weide ein Leben lang verboten bleibt. Hier gilt es, den Weidegang für solche Pferde klug zu managen.
Eine zeitliche Beschränkung des Weidezugangs ist dabei nicht besonders sinnvoll, weil die Pferde schnell lernen, in der kurzen Weidezeit sehr schnell sehr viel Gras zu fressen, sodass sie letztlich genau so viel aufnehmen, wie diejenigen, die länger draußen bleiben.
Fressbremsen bieten hier eine sehr gute Alternative, die aufgenommene Menge pro Zeiteinheit zu reduzieren und so auch stoffwechselempfindlichen Pferden einen ausreichend langen Weidegang zu ermöglichen. In der Praxis gut bewährt hat sich das Modell AS von „Das Pferd im Blick“, da hier über unterschiedliche Einlegeplatten die Fressgeschwindigkeit an den Zustand der Weide und die Geschicklichkeit des Pferdes angepasst werden kann. Die meisten Pferde kommen nach einer kurzen Eingewöhnungszeit mit dieser Fressbremse sehr gut zurecht. Es gibt aber mittlerweile viele Modelle auf dem Markt, die alle ihre Vor- und Nachteile haben.
Ggf. muss man für sein Pferd ausprobieren, welche Fressbremse am besten funktioniert, denn das hängt nicht nur vom Zustand der Weide, sondern auch vom Geschick des Pferdes und den Bedürfnissen des Besitzers oder Stallbetreibers ab. Wichtig ist bei allen Fressbremsen, dass sie nie 24h täglich am Pferd bleiben dürfen, sondern nur für den zeitlich begrenzten Weidegang aufgesetzt werden sollten. In der übrigen Zeit kann man die Futteraufnahme ja über Heunetze und andere Slowfeeder-Varianten gut regulieren.
Mehr dazu auf unserer Themenseite Hufrehe oder im Podcast #34 Worauf sollte ich beim Anweiden achten?
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