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Gibt Kraftfutter wirklich Kraft? Oder kann es meinem Pferd auch schaden?

Die Fütterung von Kraftfutter in Form von Müslis, Pellets oder Getreide gehört für die meisten Pferdehalter ganz selbstverständlich zur Fütterung dazu. Nur die wenigsten hinterfragen dabei den Sinn dieser Fütterung.

Die Zunahme an stoffwechselkranken Pferden von dicken EMS Ponys bis zu Hufrehe-Kandidaten führt aber zu einem Umdenken. Zeit, sich mal genauer mit dem Sinn und Unsinn der Kraftfuttergabe zu beschäftigen.

Veränderungen in der Pferdefütterung

Wildpferde ernähren sich fast ausschließlich von Pflanzenfasern. Sie haben Mechanismen entwickelt, diese Fasern in ihrem Dickdarm mit Hilfe von Mikroorganismen zu Energie aufzuschließen und diese zu nutzen. Der Mensch hingegen kann mit solcher Faserenergie nicht viel anfangen, wir sind auf Dünndarm-verdauliche Nährstoffe angewiesen.

Als der Mensch das Pferd sozialisiert hat, hat er selber noch als Nomade gelebt von dem, was er an Früchten, Beeren, Nüssen und Kräutern gefunden hat und von Milch und Fleisch seiner Tiere. Die ersten gezähmten Pferde wurden genauso gefüttert wie ihre wilden Verwandten: sie haben sich das Futter in der Natur gesucht.

Als der Mensch sesshaft wurde und seine Nahrung vermehrt über den Ackerbau gewonnen hat, wurden die Pferde weiterhin so ernährt wie die wilden Vorfahren. Denn das Bestellen der Felder war so mühsam und Getreide damit viel zu wertvoll für die Ernährung des Menschen, um es an Pferde zu verfüttern.

Die Arbeitspferde haben Gras und Heu bekommen, sie haben tagsüber am Wegesrand geknabbert auf dem Weg zum Feld oder während sie auf den Bauern gewartet haben, sie wurden in die Wälder getrieben, um das Unterholz wegzuknabbern. Lediglich die edlen Reitpferde des Adels bekamen (kleine Mengen) Kraftfutter, auch ein Zeichen für den eigenen Reichtum, wenn man es sich leisten konnte, den Pferden wertvolles Getreide zu geben.

Pferd riecht an Hand
Erst mit der Industrialisierung änderte sich die Pferdefütterung grundlegend. © Happy monkey / Adobe Stock

Erst mit der Industrialisierung änderte sich die Pferdefütterung grundlegend. Durch die wachsenden Städte wurde es zunehmend schwierig, all die Pferde, welche die Straßenbahnen und Lastenkarren zogen, mit ausreichenden Mengen Raufutter zu versorgen.

Die hohe Arbeitsleistung der Pferde über 12-14 Stunden täglich ohne Möglichkeit, vom Wegesrand zu naschen, sorgte außerdem dafür, dass sie gar nicht genug Zeit hatten, ausreichend Raufutter zu kauen. Schnelle Energie musste her, um die Pferde in der Leistung zu halten.

Gleichzeitig fielen in den Lebensmittelfabriken, die jetzt in den Städten entstanden, große Mengen an Lebensmittelabfällen an, die entsorgt werden mussten. In dieser Zeit war das Militär der größte Pferde-Eigentümer mit Millionen von Kavalleriepferden, die versorgt werden wollten. Das Militär trieb daher die Erforschung von Alternativen in der Pferdefütterung voran, besser gesagt die Verwendung von Lebensmittelabfällen als Pferdefutter.

Dadurch sollte Pferdefütterung einfacher und billiger werden, die Pferde in der Leistung gehalten werden, bei weitestgehendem Verzicht auf das voluminöse und schwer zu lagernde Raufutter.

Diese Fütterung hat sich bis in die späten 1940er Jahre hinein gehalten, bis die Pferdepopulation nicht zuletzt durch die Auflösung der Kavallerieschulen und die damit einhergehende Massenschlachtung der Militärpferde, zusammenbrach. Bis dahin war das Wissen um eine artgerechte Ernährung der Pferde aus vielen Köpfen verschwunden, da man die Pferde ja über Jahre nicht artgerecht, sondern billig und praktisch ernährt hatte.

Mit dem Aufkommen der Pferdefuttermittelindustrie wurde diese Fütterung noch weiter propagiert. In vielen Köpfen von Pferdehaltern hat sich entsprechend festgesetzt, dass Kraftfutter ein „muss“ ist und Pferde ihre Energie für sportliche Leistung aus dem Kraftfutter beziehen.

Es gibt sogar Ställe, in denen am Heu gespart wird, damit die Pferde nicht zu dick werden, gleichzeitig aber ordentlich Kraftfutter gegeben wird. Immer nach dem Motto: Drei Mahlzeiten am Tag brauche ich, also muss das für mein Pferd auch gut sein. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Pferde fressen gemeinsam Heu
Der wichtigste Energielieferant dür Pferde ist Heu. © Adobe Stock/acceptfoto

Im Gegenteil ist der wichtigste Energielieferant für die Pferde das Heu. Große Kraftfuttergaben hingegen belasten mit ihrem Gehalt an Zucker und Stärke massiv den Blutzuckerhaushalt und tragen wesentlich zu Erkrankungen wie Insulinresistenz, EMS, Pseudo-EMS und Hufrehe mit bei.

Außerdem können große Kraftfuttergaben mit dazu führen, dass der Verdauungsprozess im Dickdarm gestört wird und Dysbiosen (Fehlgärungen) entstehen, was wiederum zu einer verringerten Energieausbeute aus dem Heu und zu Stoffwechselstörungen wie Kryptopyrrolurie (KPU) beitragen kann.

Erst jetzt kommt man (auch durch neue Forschungsergebnisse in Richtung artgerechte Ernährung) darauf, dass diese Art der Fütterung: ordentliche Kraftfuttermahlzeiten mit 2-3 kleine Heumahlzeiten pro Tag – mit verantwortlich ist für das massenhafte Erkranken unserer Pferde an den so genannten Zivilisationskrankheiten wie EMS, Insulinresistenz, Hufrehe, Sommerekzem und so weiter. Es beginnt endlich ein Umdenken und ein „back to the roots“ – also zurück zu einer artgerechten Ernährung.

Nun haben unsere Pferde aber meist nicht die Möglichkeit, sich so zu ernähren wie Wildpferde das tun. Deren Speiseplan ist sehr vielfältig und neben Gräsern gehören verschiedene Kräuterpflanzen dazu, aber auch Blätter und Rinden werden gefressen, gezielt Wurzeln gesucht, Beeren von den Büschen gepflückt und Samen ausgewählter Pflanzen gefressen.

Um ihre Futterbedürfnisse zu befriedigen legen sie weite Strecken zurück, auf denen sie durch unterschiedlichste Vegetationsformen wandern und entsprechend den Tisch mit einer großen Artenvielfalt gedeckt finden.

Unsere Hauspferde hingegen finden ihr Futter auf der Weide und durch den meist zu hohen Pferdebesatz auf zu kleinen Flächen wird jede Weide früher oder später zur Monokultur. Stressresistente Leistungsgräser und solche Pflanzen, die von den Pferden verschmäht werden wie Sauerampfer, Hahnenfuß & Co breiten sich von Jahr zu Jahr mehr aus. Auch das Heu liefert längst nicht mehr die Artenvielfalt wie Wildpferde sie in der Natur finden.

Heu enthält viel weniger verschiedene Pflanzenarten als früher. © Kamchatka / Canva

Noch vor 50 Jahren fand man bei botanischen Analysen im Heu regelmäßig mehr als 50 verschiedene Pflanzenarten. Heute sind es in der Regel 6-9. Damit hat sich die Nährstoffzusammensetzung selbst des Grundfutters deutlich gewandelt gegenüber dem, an was Pferde von Natur aus angepasst sind.

Daher lohnt es sich, die normale Fütterung mit Heu und Weide gezielt zu ergänzen.

Energielieferanten

Viele Pferde haben (nicht zuletzt durch jahrelange nicht-artgerechte Ernährung) nicht mehr das optimale Dickdarmmilieu, um ihr Heu vollständig verwerten zu können. So kann dann insbesondere bei regelmäßiger sportlicher Forderung trotz reichlicher Heufütterung ein Energiemangel entstehen, der sich meist in Leistungsschwäche und Muskelabbau bemerkbar macht.

Pferde beziehen ihre Energie in erster Linie aus Cellulose und Hemicellulose, also dem Faseranteil im Heu, der im Dickdarm verwertet wird. Zucker und Stärke (Getreide, Müsli, Pellets) können von Vollblütern und den meisten Warmblütern noch ganz gut kompensiert und in Arbeit umgewandelt werden, aber alle anderen Pferderassen haben eine deutlich schlechtere Toleranz gegenüber den massiven Blutzuckerschwankungen, die durch diese Fütterung verursacht werden.

Verfettung, Lympheinlagerungen, EMS, Diabetes, Hufrehe und andere Erkrankungen können die unschöne Folge sein. Die Pferde sind auf diese Ernährung nicht eingestellt, weil Zucker und Stärke (und auch Öle, nebenbei bemerkt) in der natürlichen Ernährung der Wildpferde nur in winzigen Mengen vorkommen.

Reicht die Faserversorgung nicht aus, um den Energiebedarf zu decken, weichen sie entsprechend aus auf die Verwertung von Eiweißen als Energielieferant, denn eiweißreiche Pflanzen sind in der Natur gar nicht so selten.

Um schwerfuttrige Pferde also im Gewicht zu halten oder bei sportlicher Leistung, Trächtigkeit, Laktation und anderen besonderen Anforderungen genügend Energie über das Heu hinaus zur Verfügung zu stellen, sollte man auf eiweißreiche Pflanzen, also Leguminosen, setzen. Hier bietet sich vor allem die Esparsette an.

Esparsette hat ein ideales Eiweißmuster für Pferde. © meyerfranzgisela / Adobe Stock

Sie hat ein noch besseres Eiweißmuster als die Luzerne und trägt mit ihren Gerbstoffen (kondensierte Tannine) zusätzlich zur Stabilisierung des Darmmilieus bei, sodass die gesamte Futterration besser verwertet werden kann. Man kann die Esparsette-Pellets eingeweicht verfüttern, was sich besonders gut eignet, wenn man nicht so gut schmeckende, aber aus therapeutischen Gründen notwendige Futtermittel „verstecken“ muss.

Wenn das Einweichen logistisch nur schwer zu machen ist oder das Pferd auch nur seine „psychologische Handvoll“ bekommen soll, wenn alle anderen im Stall etwas kriegen, kann man auch die Fix & Fertig Esparsette von OKAPI nehmen. Die Pellets sind vom Durchmesser her für die trockene Verfütterung geeignet und werden von den meisten Pferden sehr gerne auch ohne „Trickserei“ gefressen.

Mineral- und Salzversorgung

In jedem Fall sollte immer ein Salzleckstein zur Verfügung stehen. Die meisten Pferde bevorzugen dabei Natursalzlecksteine gegenüber dem weißen, zu Blöcken gepressten Siedesalz. Ob man nun Natursalz aus den Himalaya-Ausläufern Pakistans kauft oder einheimisches Steinsalz (auch Bergkern genannt), das bleibt dem ökologischen Gewissen jedes Einzelnen überlassen.

Dazu sollte regelmäßig ein ordentliches Mineralfutter angeboten werden.

Hier sollte man darauf achten, dass in der Zusammensetzung möglichst wenig zucker- und stärkehaltige Inhaltsstoffe zu finden sind. Dazu gehören z.B. Apfeltrester, Weizengrießkleie, Rübenschnitzel, Dextrose, Saccharose, Soja(schrot) und Melasse.

Je weiter vorn in der Deklaration genannt, umso höher der Anteil. Auch kann man den Zuckergehalt selber ganz gut testen, indem man einfach mal etwas Mineral probiert. Man ist oft erstaunt, wie zuckersüß das Zeug schmeckt, wo doch Mineralfutter eigentlich nur salzig/mineralisch schmecken sollte (und nein, man stirbt als Mensch nicht sofort, wenn man Pferdefutter probiert, es schmeckt halt nur nicht immer so toll für unsere Zunge).

Bierhefe auf einem Holzlöffel
Auf Bierhefe sollte verzichtet werden. © barkstudio / Adobe Stock

Dann sollte in der Zusammensetzung des Mineralfutters auf Bierhefe verzichtet werden. Sie fördert die Ansiedelung von Milchsäurebakterien im Dickdarm und kann damit zum Entstehen von Dickdarm-Übersäuerung und Dysbiosen (Fehlgärungen) beitragen. Bei den Zusatzstoffen sollte Selen immer in der anorganischen Form als Natriumselenit enthalten sein und nicht als organische Selenhefe. Die organischen Formen von Selen werden vom Pferd in seine körpereigenen Eiweiße eingebaut und können hier zu massiven Störungen des Eiweißstoffwechsels führen.

Mineralfutter sollte darüber hinaus immer möglichst kurweise gegeben werden, also mal 4-6 Wochen geben und dann auch mal 2-3 Wochen Pause machen. Während das Mineralfutter gegeben wird, lagert das Pferd die Mineralstoffe in die körpereigenen Speicher ein. In den Pausen wird das Mineral daraus entnommen.

Auf diese Weise bleibt die Regulationsfähigkeit der Speicher gegeben, was bei einer ständigen Überversorgung (=tägliche Gabe der vom Hersteller angegebenen Menge) irgendwann nicht mehr richtig funktioniert. Wer auf den Zusatz von synthetischen Vitaminen im Mineralfutter verzichten will, der kann z.B. das Mineral Pur G von OKAPI verwenden, das ist eine reine Mineral- und Spurenelementemischung mit Traubenkernmehl als Trägerstoff. Traubenkernmehl wirkt bei Pferden stabilisierend auf das Darmmilieu und unterstützt die Blutzuckerregulation, also ein positiver und durchaus erwünschter Nebeneffekt.

Kräuter und Artenvielfalt

Um wieder mehr unterschiedliche Pflanzen mit ihren Wirkstoff-Eigenschaften und Nährwerten in die Fütterung einzubringen, kann man z.B. auf das Vierjahreszeitenfutter von OKAPI zurückgreifen.

Es sind sehr breit angelegte Kräutermischungen, die dem Stoffwechsel das an Wirkstoffen zur Verfügung stellen, was in der jeweiligen Jahreszeit gebraucht wird. Durch die große Artenvielfalt pro Sorte und den Wechsel der Mischung alle zwei Monate kann man in der Fütterung seines Pferdes ganz gut das nachstellen, was die Natur für Wildpferde liefert.

Man kann die Kräutergabe ergänzen durch regelmäßige Gabe von Laub & Rinden-Mischungen, aber auch hier und da mal eine Handvoll getrocknete Beerenmischung oder ölhaltige Samen auf den Auslauf streuen wie Sonnenblumenkerne („Vogelfutter“ aus dem Futterladen) oder Hagebutten (im Herbst gerne frisch selber sammeln oder die Pferde beim Spaziergang direkt vom Strauch pflücken lassen, das finden die meisten ganz prima).

Laub & Rinden-Mischungen ergänzen die Fütterung sinnvoll. © Okapi GmbH

Auch Leinsamen oder Wildsamenmischungen dürfen durchaus und gerade im Winter hie und da mit auf den Futterplan, diese sollten aber für den besseren Nährstoffaufschluss gequollen (15 min mit warmem Wasser) und im Trog gegeben werden, sonst gibt das einen fürchterlich klebrigen Schläz auf dem Auslauf.

Alles in Maßen und nicht täglich, denn in der Natur finden die Pferde auch nicht jeden Tag das große „all you can eat“ Buffet, sondern einen Tag gibt es diese Pflanzen, den nächsten Tag auch wieder andere. Durch Abwechslung bietet man ein breites Spektrum an Nähr- und Wirkstoffen, die der Körper für sich nutzen kann.

Diese Fütterung kombiniert mit einem permanenten Zugang zu qualitativ ordentlichem Heu, im Sommer (an das jeweilige Pferd angepasstem) Weidegang und gerne auch mal beim Ausritt oder beim Spaziergang links und rechts am Wegesrand knabbern lassen versorgt jedes Pferd auf artgerechte Weise mit allem, was es braucht.

Mehr dazu in unserem kostenlosen Video Fütterungskonzept: Kräuter und sonstiges im Trog oder in unseren vielen Kräutertipps