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Frühjahrszeit ist Strongylidenzeit. Deshalb wird traditionell im Frühjahr entwurmt. Was heisst das?

Strongyliden

Strongyliden sind Würmer, die im Darm des Pferdes parasietieren. Es gibt sie als große (bis 2,5cm lang und rötlich) und als kleine (bis 1,5cm lang und weiß) Strongyliden mit verschiedensten Unterfamilien.

Sie leben im Dickdarm des Pferdes und legen dort ihre Eier, die mit dem Kot ausgeschieden werden. In der Außenwelt schlüpfen die Larven, entwickeln sich hier weiter über mehrere Larvenstadien und diese werden dann wieder vom Pferd beim Fressen aufgenommen. Denn die Larven sitzen am Gras, aber auch am Heu, an der Einstreu und sogar an den Stallwänden. Sie sind aber so klein, dass wir sie mit dem bloßen Auge nicht sehen können. 

Werden die Larven abgeschluckt, bohren sie sich im Dickdarm in die Darmschleimhaut. Die kleinen Strongyliden sollten hier auch bleiben und sich weiter entwickeln. Die großen Strongyliden wandern in der Regel in die Blutgefäße ein und hier in die Leber oder bis zum Herzen.

Auf ihren Wanderungen sorgen sie entsprechend für Zerstörung von Geweben, erhöhen das Risiko für Blutgerinnsel und damit für Durchblutungsstörungen (seltsame, intermittierende Lahmheiten, schlaganfall-ähnliche Verhaltensweisen etc.).

Im Winter verbleiben die Larven im Darm des Pferdes. Wird es im Frühjahr warm, dann wandern sie massenhaft aus der Darmschleimhaut aus und landen dann als Adulte, also ausgewachsene Würmer, wieder im Dickdarm und legen hier ihre Eier, die mit dem Kot nach draußen transportiert werden. Damit ist der Zyklus geschlossen.

Diese Massenauswanderung von Strongylidenlarven im Frühjahr sorgt bei manchen Pferden für Durchfall oder kolikartige Symptome und schädigt massiv die Darmschleimhaut und damit auch das Gleichgewicht im empfindlichen Dickdarm.

Um zu vermeiden, dass die Pferde sich jetzt massenhaft re-infizieren, wird im Frühjahr in vielen Ställen automatisch gegen Rundwürmer – zu denen die Strongyliden gehören – entwurmt.

Wurmbefall

Langzeitstudien haben aber über die letzten Jahre gezeigt, dass nicht jedes Pferd automatisch einen pathologischen Wurmbefall hat. Etwa 70-80% der Pferde haben überhaupt keinen Wurmbefall, der für ihre Gesundheit problematisch wäre (ein paar Würmer dürfen im Pferd leben, das klingt zwar für uns supereklig, ist aber für Pferde völlig normal).

Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, wie anfällig ein Pferd für einen Wurm-Infekt ist. Dazu gehört das Alter des Pferdes (junge Pferde sind anfälliger als ältere), der Zustand des Immunsystems (je fitter, desto weniger Würmer), das Dickdarmmilieu (je gestörter z.B. durch falsche Fütterung, desto anfälliger für Wurmbefall) und die Haltungsbedingungen (je mehr Stress, desto mehr Würmer) und Hygienezustände im Stall (Matratzenstreu im Stall, mangelndes Abmisten der Ausläufe und Weiden, Düngen der Weiden mit Pferdemist etc. fördert Wurmbefall). 

Entwurmen

Auch kann man nicht „prophylaktisch“ entwurmen, da die Wurmmittel alle nur gegen vorhandene Würmer wirken, nicht aber gegen zukünftigen Wurmbefall. Das heisst, ich kann meinem Pferd heute eine Wurmkur geben, es kann sich aber nächste Woche mit Würmern infizieren.

Die „prophylaktische“ Entwurmung, die heute noch immer in vielen Ställen praktiziert wird, folgt also derselben Logik, als würde ich dem Pferd im Frühjahr und Herbst „prophylaktisch“ immer eine Woche lang Antibiotika geben.

Pferdeäpfel auf der Straße
Man kann nicht „prophylaktisch“ entwurmen, da die Wurmmittel alle nur gegen vorhandene Würmer wirken. © Adobe Stock/blende11.photo

Es könnte sich ja vielleicht mit irgendeinem Bakterium infiziert haben… Das ist natürlich Quatsch und fördert lediglich das Auftreten von Resistenzen. Und genau das ist in den letzten Jahrzehnten der „prophylaktischen“ Entwurmungspraxis passiert. Gegen alle auf dem Markt erhältlichen Wirkstoffe sind mittlerweile Resistenzen bekannt – je nach bevorzugten Präparaten in einem Stall oder in einer Region sind sie unterschiedlich ausgeprägt.

„Selektive“ Entwurmung

In Studien wurde gezeigt, dass gegen einige Wirkstoffe mittlerweile etwa 60-80% der Strongylidenstämme resistent sind. Das bedeutet für mich als Pferdebesitzer, dass es passieren kann, dass ich bei einem tatsächlich bedrohlichen Wurmbefall überhaupt keinen wirksamen Wirkstoff mehr zur Verfügung habe. Um weiterer Resistenzbildung vorzubeugen wird daher mittlerweile die „selektive Entwurmung“ oder besser gesagt „zeitgemäße Parasitenkontrolle“ empfohlen. 

Diese Entwurmungsstrategie bedeutet nichts anderes als dass ich erstmal gucke, ob mein Pferd überhaupt Würmer hat. Hierfür werden Kotproben gesammelt und zur Untersuchung eingeschickt. Dabei werden die Strongyliden-Eier im Kot gezählt und von dort aus kann man auf den Befall rückschließen.

Eine geringe Ei-Menge ist völlig in Ordnung, da ein geringgradiger Befall für Pferde unproblematisch ist. Erst wenn die Ei-Zahlen einen festgelegten Schwellenwert übersteigen, dann muss man davon ausgehen, dass das Pferd einen Wurmbefall hat, mit dem sein Immunsystem nicht mehr allein klar kommt und hier ist auf jeden Fall eine Entwurmung angezeigt. 

Alternativen zu Medikamenten

Liegen die Eizahlen im Grenzbereich, dann ist es durchaus möglich, zunächst mit Alternativtherapeutischen Methoden zu arbeiten. Aus der Volksheilkunde sind einige Pflanzen und auch das Bienenharz Propolis für ihre wurmabtreibende Wirkung bekannt. Derzeit läuft auch eine Studie zur wurmabtreibenden Wirkung der Esparsette, die bei kleinen Wiederkäuern (Ziegen, Schafe) schon lange für diesen Zweck eingesetzt wird.

Die Ergebnisse der Vorstudie sahen hier schon sehr vielversprechend aus. Die Wirkung aller alternativtherapeutischen Entwurmungsmittel beruht vor allem darauf, das Darmmilieu für die Parasiten möglichst ungemütlich zu gestalten und gleichzeitig das Immunsystem zu stärken, damit sich das Pferd selber gegen die unerwünschten Mitbewohner wehren kann.

Daher sind sie bei einem grundsätzlich gesunden Pferd mit einem gut funktionierenden Immunsystem (das nur z.B. aufgrund einer kurzzeitigen Stresssituation wie einer Kursteilnahme in einem fremden Stall ein paar Würmer „aufgeschnappt“ hat) auch meist sehr erfolgreich. 

Ist das Pferd aber schon stärker gesundheitlich geschädigt oder der Befall hoch, dann kommt man um eine chemische Entwurmung meist nicht herum.

Erfolgskontrolle

Wichtig ist hierbei zu beachten, dass etwa zwei Wochen nach der Entwurmung – egal ob chemisch oder „natürlich“ – auch eine so genannte „Erfolgskontrolle“ durchgeführt wird.

Hier wird also nochmal frischer Kot gesammelt und zur Untersuchung eingeschickt. Bei den alternativen Wurmmitteln kann es immer passieren, dass das Pferd nicht in der Lage ist, sich selber ausreichend gegen die Parasiten zur Wehr zu setzen. In dem Fall sinken die Befallszahlen nicht und man sollte zu einer chemischen Wurmkur greifen.

Aufgrund der stark verbreiteten Resistenzen kommt es aber auch immer wieder vor, dass die Pferde nach einer chemischen Wurmkur genau so viele oder sogar mehr Würmer haben als vorher. Daher ist Vertrauen ja gut, aber Kontrolle immer besser. Mehr Infos zum Thema sowie Untersuchungslabore findet man auch unter www.selektive-entwurmung.com.

Mehr dazu: Selektiv oder prophylaktisch entwurmen – Wie macht man das richtig? oder Sanoanimal Podcast #42 – Entwurmen im Herbst