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Jedes Jahr im Frühjahr und Herbst steigt die Zahl der Cushing-Diagnosen überproportional an. Immer mehr Pferdehalter sind verunsichert, ob das Fell ihres Pferdes noch normal ist oder schon krankhaft, ob nicht alle Pferde über 20 ohnehin Cushing haben und diese Unsicherheiten werden dann allzuoft noch geschürt von Diagnosen, die nicht immer zuverlässig sind.

Dabei ist Cushing im Sinne einer PPID (Pituitary Pars Intermediate Dysfunction, also das „echte“ Cushing) nach wie vor eine sehr seltene Erkrankung bei sehr alten Pferden.

Viel häufiger findet man „Pseudo-Cushing“, also Pferde, die zwar Symptome eines Cushing Pferdes zeigen, die aber nicht auf einen Hypophysenadenom zurückzuführen sind. Denn die sichtbaren Symptome sind nur Ausdruck einer fehlregulierten Nebenniere, die permanent zu viel Glucocorticoide ausschüttet, also körpereigenes Cortison. Dies ist verantwortlich für die Symptome.

Die Nebennieren werden nicht nur von der Hypophyse gesteuert, sondern spielen auch bei vielen anderen hormonellen Prozessen eine Rolle. So ist Stress einer der wichtigsten Faktoren, der beim Pferd für eine erhöhte Ausschüttung von solchen Glucocorticoiden sorgt, die – bei dauerhaft bestehendem Stress – mit der Zeit Symptome eines Cushing-Pferdes auslösen können.

Der Stress kann dabei sowohl „von außen“ also auch „von innen“ kommen. Zu äußeren Faktoren, die dauerhaften Stress verursachen können gehören zum Beispiel

– unpassende Haltung (zu große Offenstallgruppe, zu viel Wechsel / Unruhe in der Gruppe, ranghohe oder rangniedrige Position, fehlende Einstreu und damit Schlafmöglichkeiten u.v.m.)

– unpassende Fütterung bzw. Fütterungsmanagement (zu lange Raufutterpausen, zu wenig Raufutter-Fressplätze, Raufutterautomaten mit zu geringer Frequentierungsmöglichkeit, hohe Kraftfuttergaben, nicht artgerechte Futtermittel wie Heulage oder Strukturhäcksel u.v.m.)

– Über- oder Unterforderung durch den Reiter

– Unpassender Sattel, drückendes Geschirr, falsch verschnallte Trense, falsche Hufzurichtung u.v.m.

Aber auch innere Faktoren können Stress verursachen. Dazu gehört unter anderem

– dauerhafte Schmerzen (nicht erkannte Magengeschwüre, „fühliges“ Laufen, das eigentlich eine unterschwellige chronische Hufrehe ist, Sattel- oder Geschirrdruck, nicht erkannte Zahnprobleme, Rückenschmerzen durch falsche Ausrüstung oder falsche Reitweise u.v.m.)

– Thermostress (wenn die Pferde nicht in der Lage sind, ihren Wärmehaushalt adäquat zu regulieren, was sowohl bei sehr alten Pferden der Fall sein kann als auch bei solchen, die eingedeckt und / oder geschoren sind)

– hohe innere Anspannung bei unsicheren oder ängstlichen Pferden oder solchen mit hohem Blutanteil, insbesondere in Kombination mit ungünstiger Gruppenzusammensetzung

– Stoffwechselfehlfunktionen (unerkannte Insulinresistenz, nicht diagnostizierte Entgiftungsstörungen, Fehlregulationen im Hormon- oder Mineralhaushalt u.v.m.)

Steht ein Pferd aus dem einen oder anderen Grund dauerhaft unter Stress, dann sorgt dieser Stress dafür, dass die Hypophyse in erhöhtem Maß das Hormon ACTH (AdenoCorticoTropes Hormon) ausschüttet. Es steuert die Nebennieren dahingehend, dass es die Ausschüttung von Glucocorticoiden anregt. Diese wiederum sorgen für die sichtbare Cushing-Symptomatik.

Aus diesem Grund ist der ACTH Wert auch kein diagnostischer Maßstab für das Vorliegen einer PPID!

Ein Pferd, das Schmerzen aufgrund eines Hufreheschubs hat oder unter Thermostress leidet, weil es noch einen dicken Winterpelz trägt, aber heute gerade warmes Frühlingswetter herrscht, wird automatisch auch einen hohen ACTH haben. Das hat nichts damit zu tun, dass es echten Cushing hätte!

Gerade im Frühjahr können Hufrehe-Schübe auch aus ganz anderen Gründen auftreten. Die möglichen Ursachen für solche Frühlingshufrehe reichen vom Zugang zu fruktan- oder endophytenreichem Gras (z.B. unter dem Zaun hindurch oder von wohlmeinenden Spaziergängern über den Zaun geworfen) bis zu Entgiftungsstörungen, die durch die Zusatzbelastung des Fellwechsels symptomatisch eine Hufrehe auslösen.

Dazu kommt, dass auch viele Pferdeprofis heute kein Gefühl mehr dafür haben, was ein „normales“ Winterfell ist. Der Trend, die Pferde möglichst frühzeitig vor dem Winter in Thermodecken zu wickeln sorgt dafür, dass solche Pferde natürlich kein normales Winterfell mehr bilden – ein erwünschter Effekt für den Reiter.

Man findet kaum noch einen Stall, wo alle Pferde ohne Decke auf dem Auslauf stehen. Selbst in Offenställen wird mittlerweile begeistert eingedeckt und teilweise darunter auch noch geschoren. Kein Wunder, dass dann ein Pferd in Offenstall- oder Kaltstallhaltung, das keine Thermodecke trägt, mit seinem dicken Pelz auffällt.

Dazu kommt, dass ältere Pferde ohnehin mehr Winterfell bilden (und oft auch ein dichteres Sommerfell haben) als jüngere Pferde. Das liegt einfach daran, dass sie altersbedingt ihr Futter schlechter verwerten und damit weniger Energie zum „heizen“ zur Verfügung steht. Sie müssen sich also sozusagen eine „dickere Jacke“ anziehen für den Winter und sie behalten diese auch an, bis nicht nur die Tage, sondern auch die Nächte konstant warm sind.

Daher kann man in altersgemischten Gruppen im Frühjahr immer beobachten, dass die ganz jungen und die ganz alten Pferde als letztes ihr Winterfell verlieren. Das hat nichts mit Cushing zu tun, sondern ist ein ganz normales Fellwechsel-Verhalten. Solange ein altes Pferd sein Winterfell noch verliert (wenn auch später und langsamer als die jüngeren Kollegen), muss noch lange kein Cushing vorliegen.

Bevor jetzt also wieder die massenhaften Cushing-ACTH-Tests losgehen bei Pferden jenseits der 20 mit ordentlich Winterfell, sollte man erstmal tief durchatmen und sich fragen, ob das Pferd tatsächlich die Symptome dafür aufweist.

Zu den typischen Symptomen gehört nämlich nicht nur ein dichtes Fell, sondern vor allem eines, das nicht mehr ausfällt und nicht mehr aufhört, zu wachsen. Bei echtem Cushing muss man die Pferde irgendwann scheren weil das Fell auch bei 30 Grad Außentemperatur noch immer nicht ausfallen will.

Auch Hufrehe gehört natürlich zu den Symptomen, aber hier muss man unbedingt andere Hufrehe-Ursachen wie Insulinresistenz, fruktan- oder endophytenreiches Gras, Entgiftungsstörungen, Giftpflanzen im Heu etc. ausschließen, bevor man diese in die Diagnostik mit einbeziehen kann.

Bei Cushing gehören außerdem brüchige Sehnen unbedingt zum Erscheinungsbild hinzu, die Pferde leiden ständig unter Sehnen- und Fesselträgerschäden, die nur unzureichend abheilen.

Auch nehmen Pferde mit Cushing immer mehr ab, obwohl man Heucobs ad libitum und sogar Leguminosen (Luzerne, Esparsette) in der Fütterung anbietet. Mit der Gewichtsabnahme ist dabei nicht der natürliche Muskelabbau gemeint, der einfach damit einhergeht, dass die Pferde im Alter oft nicht mehr – oder zumindest nicht mehr so sportlich – gearbeitet werden.

Natürlich geht damit auch ein Rücken- und Kruppenmuskelabbau einher, dieser ist aber physiologisch und hat nichts mit einer krankhaften Muskelatrophie durch Cushing zu tun. Außerdem muss man den Muskelabbau ins Verhältnis mit der Fütterung setzen: Ein Pferd, das altersbedingt Heu nicht mehr in ausreichender Menge kauen kann, wird natürlich auch Gewicht verlieren – ganz unabhängig von Cushing. Daher ist auf die rechtzeitige Zufütterung von Heucobs und ggf. Leguminosen zu achten.

Pferde mit Cushing haben außerdem ein deutlich geschwächtes Immunsystem, was sich in einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte (Husten, Hautpilz, Haarlinge…) und einer schlechten Heilungsrate zeigt.

Je älter die Pferde werden, umso schwächer ist das Immunsytem aber von Hause aus, daher muss man nicht sofort an Cushing denken, nur weil der Senior mal einen Hautpilz-Fleck unter der Mähne hat.

Zeigt ein Pferd mehrere dieser Symptome, dann muss man sich im nächsten Schritt fragen, ob es evt. von Dauerstress (siehe oben) herrühren kann. Oft wird man hier fündig. Stellt man die Stress-Ursache ab, indem z.B. der Senior über Nacht aus der Gruppe raus und in eine Box kommt und dort Heu oder Heucobs statt fressen kann, verschwinden die vermeintlichen Cushing-Symptome oft von alleine.

Auch müssen natürlich chronische Erkrankungen wie Insulinresistenz, Magengeschwüre, Entgiftungsstörungen, chronische Hufrehe etc. ausgeschlossen werden. Therapiert man solche zugrunde liegenden Krankheiten, dann geht das sehr oft auch mit einem Verschwinden der Cushing-Symptome einher.

Ja, es gibt immer mehr Pferde in unseren Ställen, die laut ACTH Diagnose Cushing haben. Zieht man hiervor aber mal alle Fälle ab, bei denen der ACTH nur erhöht ist aufgrund von akutem (z.B. Hufreheschub, Thermostress) oder chronischem Stress (Haltung, Fütterung, Schmerzen, Krankheiten), dann bleibt Cushing eine sehr seltene Erkrankung bei sehr alten Pferden.

Die meisten Pferde sind hier einfach falsch diagnostiziert. Unterstützt man gezielt an der richtigen Stelle, dann erreicht man auch wieder eine hohe Lebensqualität, ohne für den Rest des Lebens mit Medikamenten die Symptome zu unterdrücken.

Hat man erstmal die Diagnose „Cushing“ für sein Pferd bekommen, sei es vom Tierarzt oder von wohlmeinenden Miteinstellern, sei es aufgrund eines ACTH Werts oder nur aufgrund von Symptomen (dickes Fell, Hufrehe im Winter…), ist man als Besitzer oft vollkommen verunsichert. Tabletten oder nicht? Abwarten oder sofort aktiv werden? Stirbt mein Pferd jetzt, wenn ich nichts mache?

Zunächst einmal sollte nicht nur aufgrund eines einzelnen Symptoms (z.B. dickes Winterfell) von einer Cushing-Diagnose ausgegangen werden. Hat ein Pferd einen gutartigen Tumor an der Hirnanhangsdrüse (Hypophysenadenom), dann treten immer mehrere Symptome parallel auf.

Dickes Winterfell, verzögerter Fellwechsel im Frühjahr, Mattigkeit rund um den Fellwechsel, Bewegungsunlust im Winter, Hufreheschübe außerhalb des Frühjahrs ebenso wie Muskelabbau über den Winter, Polyurie und Polydypsie können auch jede Menge andere Ursachen haben.

Diagnostisch ist der ACTH Test ist leider wenig aussagekräftig, da ACTH – ebenso wie die Glucocorticoide („körpereigenes Cortison“) circadianen, ultradianen und saisonalen Rhythmen unterliegt und es auch davon unabhängig zu Mikropulsen im Lauf eines Tages kommt. Das heisst übersetzt: je nachdem, in welcher Phase man grad Blut nimmt, kann der Wert mal oben, mal unten sein. Eine einmalige Messung ist hier nicht aussagekräftig.

Dazu kommt, dass ACTH und auch Cortisol erhöht sind unter Stress. Was den Stress auslöst, spielt dabei keine Rolle. Ob das Stress aus der Haltung ist (Mobbing in der Herde, zu wenig Raufutter…), Stress aus dem Stoffwechsel heraus z.B. wegen einer Insulinresistenz oder Stress damit, dass der Tierarzt zum Blutabnehmen kommt – in jedem Fall wird man einen erhöhten ACTH Wert messen.

Ob ein Pferd tatsächlich PPID (also ein Hypophysenadenom) hat oder es sich um eine periphere Fehlregulation des Hormonsystems handelt (Pseudo-Cushing, peripheral Cushing, Cushing-like Syndrome), kann derzeit nicht mit einem einfachen Bluttest nachgewiesen werden. Eine zweifelsfreie Diagnose kann man nur stellen a) mit einem Kopf-CT unter Vollnarkose und Klinikbedingungen, was für das Pferd stressig und für den Besitzer teuer ist oder als Nekropsie – also Aufschneiden des Pferdes und nachgucken, was aber erst geht, wenn das Pferd gestorben ist. Im ersten Diagnose-Fall gehen die Kosten in die tausende Euro im letzten Fall ist es zu spät für eine Therapie.

Was heißt das aber jetzt für mich als Pferdebesitzer?

Wenn mein Pferd mehrere Symptome zeigt, die auf Cushing hindeuten, dann bedeutet das zunächst, dass mein Pferd einen dauerhaft zu hohen Cortisol-Spiegel hat. Das kann mit einem Hypophysenadenom zusammenhängen, muss aber nicht. In den meisten Fällen ist die Ursache in einem dauerhaft erhöhten Stress-Niveau zu suchen.

In diesem Fall sollte man daher zunächst mögliche Stress-Ursachen abstellen – von Haltung über Fütterung bis Training. Das Thema Stress sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen nach dem Motto „naja, er wird viel in der Gruppe herumgescheucht, so bewegt er sich wenigstens“ oder „Ja, ich weiss, die bekommen viel zu wenig Raufutter, aber hier gibt es nun mal keinen anderen Stall mit Halle, da muss er halt mit leben”. Für das Pferd bedeutet Dauerstress genauso wie für uns Menschen, dass es irgendwann einen Burnout bekommt und der kann beim Pferd dann wie Cushing aussehen.

Dass Stress (übrigens genauso wie Raufutterpausen >4h) Magengeschwüre beim Pferd verursachen kann, ist den meisten Pferdehalter mittlerweile bekannt. Magengeschwüre sind hochgradig schmerzhaft und sorgen damit für weiteren Stress. Auch sollte man labordiagnostisch abklären, ob eine Insulinresistenz oder eine Entgiftungsstörung vorliegt. Beides kann auf Dauer ebenfalls zu Cushing-Symptomen führen.

Wird man hier fündig, dann sollte Stress abgestellt und eine mögliche zugrunde liegenden Erkrankungen therapiert werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle verschwinden damit die Symptome innerhalb weniger Monate. Die Pferde, die auf diese Maßnahmen mit einer Besserung ansprechen, haben kein PPID, den ein Tumor bildet sich nicht automatisch zurück, nur weil man Haltung oder Fütterung optimiert oder eine Insulinresistenz behandelt. Es sind Pferde, bei denen der erhöhte ACTH und Cortisol-Spiegel andere Ursachen hat.

Sollten die Symptome trotz aller Optimierung von Fütterung, Haltung, Training, möglichen Schmerzursachen und möglichen Stoffwechselerkrankungen nicht bessern, sondern sukzessive schlechter werden, dann muss das Vorliegen einer echten PPID in Betracht gezogen werden. In dem Fall kann man das Pferd in der Regel über die letzten Lebensmonate symptomfrei managen durch das Verabreichen von Prascend. Da der Tumor weiter wächst, tauchen die Symptome aber immer wieder auf, woraufhin die Dosis dann jedes Mal erhöht werden muss, bis das Pferd eingeschläfert werden muss.

Wer bei seinem Pferd unsicher ist und zunächst den Weg ohne Prascend beschreiten will, kann sich beispielsweise an Dr. Patricia Wanas (patricia@wanashelp.at) wenden. Sie ist Tierärztin und hat sich auf Stoffwechselerkrankungen beim Pferd spezialisiert. Ihrer Erfahrung nach ist echte PPID nach wie vor sehr selten. Die meisten Pferde mit Cushing-Diagnose (auch solche mit deutlich erhöhten ACTH Werten), die sie bisher (ohne Prascend!) behandelt hat, wurden vollkommen gesund, sobald die zugrunde liegenden Ursachen für den Stress abgestellt bzw. therapiert waren (pers. comm.).