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Viele Besitzer müssen leider jetzt zum Ende der Weidesaison feststellen, dass ihr Liebling über den Sommer doch etwas runder geworden ist als geplant. Reichhaltiges Weidegras, oft gepaart mit weniger Bewegung – dank Sommerurlaub, Insektenplage und „ach, eigentlich ist es ja viel zu heiß zum Reiten…“ – haben bei einigen Pferden doch die Rundungen runder werden lassen, als es langfristig für die Gesundheit gut ist.

Wenn dann auch noch die Leute von der Pferdewaage kritisch die Augenbraue hochziehen, wird es doch dringend Zeit für radikale Diät, oder?

Jetzt heißt es: Ruhe bewahren, nicht gleich Panik bekommen, dass das Pferd EMS hat, nur weil ein paar Pfund zu viel auf den Rippen sind. Die Gewichtszunahme über den Sommer ist zunächst einmal ein ganz natürlicher Prozess. Im Sommer fressen sich auch Pferde ein gewisses Vorratspolster an Energie an, damit sie in kargen Wintermonaten davon zehren können.

Daher ist es zunächst ganz normal, wenn Pferde etwas rund aus der Weidesaison kommen, solange sie dann auch wieder etwas rippig aus der Wintersaison ins Frühjahr gehen.

Häufig scheitert es jedoch bei unseren Haltungsbedingungen eher daran, dass die Pferde dieses Gewicht über den Winter nicht mehr verlieren, sodass sie dann schon mit leichtem Übergewicht in die nächste Weidesaison starten. Steuert man hier nicht rechtzeitig gegen, dann hat man irgendwann tatsächlich ein EMS Pferd im Stall stehen.

Besonders betroffen von den Gewichtszunahmen sind Pferde, die in ihrem Grundtyp eher einen hohen Anteil vom „Ur-Pony“ geerbt haben. Dazu gehören die meisten Robustrassen und auch viele Barockrassen. Diese sind besonders gut in der Lage, Fett einzulagern, um in schneereichen Wintern davon zehren zu können. Jeder Haflinger-Besitzer kann ein Lied davon singen…

Es kommt bei diesen Pferden darauf an, die Winterfütterung jetzt so zu gestalten, dass die Pferde auf der einen Seite immer Raufutter zur Verfügung haben, aber dass gleichzeitig die Balance aus Energieversorgung (Futter) und Energieverbrauch (Bewegung, „Heizen“) so gestaltet werden, dass die Pferde einen guten Teil der eingelagerten Energie wieder verbrauchen.

Gestaltet man das richtig, dann nimmt das Pferd ab. Hier kommt aber dann oft gleich die nächste Sorge: man sieht hier Rippen – ist es schon zu dünn? Muss ich jetzt wieder zufüttern? Wann ist mein Pferd richtig und wann zu dünn?

Diese Frage ist nicht so leicht pauschal zu beantworten, weil viele Faktoren eine Rolle spielen. Das Wichtigste ist, sich nicht vom Aussehen der anderen Herdenmitglieder beeinflussen zu lassen. Untersuchungen zeigen nämlich, dass man eher geneigt ist, sein übergewichtiges Pferd als „normal“ einzuschätzen, sofern alle anderen Pferde im Stall auch übergewichtig sind. Da wir mittlerweile viele zu dicke Pferde in den Ställen sehen, ist das also das denkbar schlechteste Kriterium.

dickes weißes Pony auf der Wiese
© Adobe Stock/Nigel Baker

Ebenso leider oft die Kommentare von Stallkollegen, die wahlweise über das übergewichtige Pferd lästern (besonders, wenn sie selber einen schwerfuttrigen Kandidaten haben…) oder aus lauter schlechtem Gewissen über das eigene, liebevoll dick gefütterte Pferd, Gewichtsprobleme auch bei allen anderen herunterspielen. Für alle Pferde gilt: Die Hüfthöcker sollten immer leicht zu tasten sein, weder unter dicken Speckschichten versteckt, noch kuh-artig herausragen.

Dazu sollten, wenn man das Pferd biegt, auf der Außenseite Rippen zu sehen sein. Hat man dann eher ein Blüter-Pferd, also ein Vollblut oder einen Araber, dann dürfen auch im normalen Stand die letzten 2-3 Rippen leicht zu sehen sein, ohne dass er als „zu dünn“ gilt. Kruppe und Hals sind denkbar schlechte Gradmesser, da sie sich sehr nach Rasse unterscheiden können.

Fett wird dabei von Pferden immer zunächst in der Muskulatur eingelagert, sodass übergewichtige Pferde anfangs oft einfach sehr, sehr gut bemuskelt aussehen (gerne auch am Rücken), ohne dass diese „Muskelmasse“ tatsächlich dem Trainingspensum entspricht. Erst wenn der Fettstoffwechsel entgleist, was dann häufig auch mit einer Insulinresistenz, Leptinresistenz und anderen Folge-Erscheinungen einhergeht, dann wird das Fett atypisch eingelagert und zwar vor allem auf der Kruppe oberhalb des Schweifansatzes („Fettsteiß“) und oben auf dem Halskamm.

Solche Pferde sind nur mit Diät meist nicht mehr zu regulieren, hier muss man in der Regel therapeutisch vor allem an der Insulinresistenz ansetzen. Findet man dagegen die „Pölsterchen“ vor allem an den Flanken und sieht der Halskamm so aus, als ob einer ein Kissen da reingestopft hätte (mehr Gewichtszunahme in die Breite als in die Höhe), dann sind das häufig Lympheinlagerungen, die auch durch eine zu reichhaltige Weide verursacht sein können.

Hier hilft keine Diät, sondern man muss den Stoffwechsel in Schwung bringen, damit die Pferde solche Polster wieder auslagern.

Man muss also genau hinschauen, um zu wissen, ob eine Diät anschlagen kann oder nicht. Muss man die Rippen in der Biegung eher suchen und denkt man über die Anschaffung eines längeren Sattelgurts nach, weil das selbst mit dem ersten Loch langsam schon schwierig wird, dann ist es Zeit zum Abspecken.

Dabei sind Radikaldiäten bei Pferden aber ebenso sinnlos wie beim Menschen. Der Wunsch nach schnellem Erfolg oder die Angst vor einer Hufrehe sorgen oft dafür, dass die Pferde auf eine fast reine Strohfütterung gesetzt werden, nach dem Motto: Dann haben sie ja zu fressen und nehmen trotzdem ab. Da Pferde aus der im Stroh enthaltenen Faser aber praktisch keine Energie ziehen können, verhungern sie regelrecht bei vollem Bauch.

Eine solche Fütterung sorgt dafür, dass die Pferde viel zu schnell Fettreserven mobilisieren. Dadurch kann eine Hyperlipidämie ausgelöst werden, die für das Pferd tödlich enden kann! Daher sei vor solchen „Radikaldiäten“, die im Wesentlichen auf Stroh basieren ohne oder nur mit geringster Heuversorgung, an dieser Stelle dringend gewarnt!

Auch bei übergewichtigen Pferden muss sichergestellt werden, dass sie stets zu knabbern haben und auch rund um die Uhr Zugang zu Cellulose als Energieversorgung. Aber die Menge sollte dosiert werden.

Hier gilt, dass man ca. 1,5 – 2 kg Heu (je nach Nährstoffgehalt, den man über eine Heuanalyse ermitteln kann) je 100kg Zielkörpergewicht pro Tag zur Verfügung stellen sollte.

Das heißt übersetzt: wenn mein Pony derzeit eher so 600kg wiegt, statt der 500kg, die es eigentlich haben sollte, benötigt es 5 x 1,5 (bzw. 2)kg Heu pro Tag, also 7,5 (nährstoffreiches) bis 10kg (mageres) Heu. Damit das Pferd diese Futtermenge nicht gleich nach dem Frühstück inhaliert und dann stundenlang hungert, sollte das Heu in engmaschigen Heunetzen angeboten werden. Bei Maschengrößen unter 3cm verlangsamt sich bei fast allen Pferden die Fressgeschwindigkeit.

Heufütterung aus dem Heunetz
© Adobe Stock/pholidito

Hat man ein sehr geschicktes Pferd, das selbst ein engmaschiges Netz in kürzester Zeit leert, so hat es sich bewährt, entweder zwei engmaschige Netze ineinander zu stecken (das beugt auch oft dem „Lochfraß“ im Netz vor) oder alternativ Heu und Stroh 1:1 gemischt in das Netz zu stopfen. Auch wenn das Stroh nicht komplett gefressen wird, so haben die Pferde doch oft deutlich länger zu tun, da sie die Strohhalme aus dem Heu heraussortieren und wieder ausspucken.

Leicht verfügbare Nährstoffe wie das geliebte Müsli, Pellets oder Mash sowie zuckerhaltige Saftfutter wie Äpfel, Möhren oder Bananen sollten ebenso weggelassen werden wie „Ersatzfutter“ für die Besitzer-Psyche wie entmelassierte Rübenschnitzel oder Strukturmüslis. Übergewichtige Pferde haben ohnehin schon zu viel Energie, da muss nichts im Trog sein. Wer dennoch seinem Pferd etwas geben will oder muss, der sollte auf reine Kräutermischungen (ohne Beimengung von Trestern oder Obst-/Gemüsestücken) setzen wie z.B. das Vierjahreszeitenfutter von OKAPI. Damit vermeidet man Stress in der Fütterungszeit (weil ja alle was in den Trog bekommen) oder kann sein Pferd nach dem Reiten weiterhin und jetzt sogar kalorienarm belohnen.

Natürlich darf es nach dem Reiten auch ein Leckerli sein, aber eben nur eines und nicht eine ganze Handvoll. Faser-basierte Leckerlis wie die Leichten Clickerli“ von OKAPI sind hier eine besonders magere Belohnungs-Alternative.

„Nach dem Reiten“ ist das zweite, wichtige Stichwort bei der Gewichtsreduktion: Reduziert man bei Pferden einfach nur die gefütterte Kalorienmenge, so passiert am Gewicht meist: gar nichts. Das liegt daran, dass der Körper das als Signal versteht, auf „Sparflamme“ umzuschalten. Die Schilddrüsenhormone sorgen dann dafür, dass weniger Energie für Bewegung und / oder Heizen verbraucht wird und mehr für die Einlagerung.

Zusätzlich zur reduzierten Fütterung ist es also essentiell, dass der Energieverbrauch gesteigert wird, um diesen „Energiespareffekt“ zu umgehen.

Nun denken viele Besitzer, dass ihr Pferd ja im Offenstall steht und sich daher sowieso dauernd bewegt. Aber mit GPS-Sendern hat man festgestellt, dass hier weniger Bewegung stattfindet, als man gemeinhin denkt. In einem guten Offenstall schlendern die Pferde meist ca. 1-5km an Tag zwischen Heu, Liegefläche und Wasser herum.

Bei sehr guten Paddock Trail Anlage mit aktiver Herde können es auch mal 10-12km werden. Aber selbst das ist wenig im Vergleich zu den Strecken, die Wildpferde täglich zurück legen, vor allem, da die Pferde das meist in sehr geruhsamem Tempo tun, was den Energieverbrauch kaum über den Grunderhalt steigen lässt.

Viel Bewegung in hohem Tempo ist also gefragt! Auch wenn es früh dunkel wird und das Wetter an manchen Tagen nicht gerade zum Reiten einlädt – ohne mehr Bewegung wird das nichts mit der Bikini-Figur im nächsten Frühling. Optimal ist dabei Intervalltraining: Eine Strecke in Galopp (wenn das Pferd vor lauter Bauch schon nicht mehr galoppieren kann, tut es anfangs auch ein flotter Trab), bis das Pferd von sich aus in eine langsamere Gangart fallen will. Dann so lange Schritt gehen, bis die Atemfrequenz wieder im Normalbereich ist.

Darauf folgt die nächste Etappe in flottem Tempo, wieder bis das Pferd um langsameres Tempo bittet, gefolgt von einer Schrittphase bis zum Erreichen der normalen Atemfrequenz. Anfangs schafft man davon nur wenige Zyklen und meist auch nur kurze Galoppaden und lange Schrittphasen, weil es den Pferden nach dem gemütlichen Weidesommer häufig an Kondition mangelt. Betreibt man dieses Intervalltraining aber regelmäßig (mindestens 3 x pro Woche), so kann man bei den meisten Pferden beobachten, dass nicht nur die Kondition wiederkommt, sondern vor allem auch die Freude an der Bewegung.

Bleibt das Pferd hartnäckig schlapp und will nicht so recht in Schwung kommen, dann ist ein Test auf Insulinresistenz angezeigt, die dafür sorgen kann, dass die Energie nicht ausreichend vom Blut in den Muskel transportiert wird. Hier muss man zunächst therapeutisch ansetzen, damit es dann auch mit dem Training klappt.

Stimmen dann Fütterung, Training und Haltung, dann klappt es auch mit dem Abnehmen bis zum nächsten Frühjahr, sodass die Pferd etwas rippig in die nächste Weidesaison gehen dürfen.